Klinische Hot Topics für die Pflege-Praxis

Bereits zum 22. Mal fand in St. Gallen (CH) das jährliche DESO-Seminar Onkologische Pflege – Fortgeschrittene Praxis statt. Dr. Agnes Glaus begrüßte im Namen des gesamten Organisationskomitees rund 250 TeilnehmerInnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in den OLMA Messen St. Gallen.

Kostenexplosion und Digitalisierung

Die beiden Eröffnungsreferate standen im Zeichen gesellschaftlicher Entwicklungen am Beispiel der zunehmenden Kosten im Gesundheitswesen sowie des Einsatzes von Health Information Technology (HIT). „Für die Kostenexplosion im Gesundheitswesen ist primär der medizinisch-technische Fortschritt verantwortlich, nicht unbedingt die demografische Entwicklung“, führte Prof. Dr. med. Thomas Szucs, Zürich, aus. In seinem Vortrag nannte er Ursachen für die zunehmenden Kosten, wobei hier vor allem Arzneimittel aus der Onkologie eine wesentliche Rolle spielen. Ferner berichtete er von unkonventionellen Möglichkeiten der Finanzierung, wie beispielsweise das Leasen eines Arzneimittels oder das Konzept des Crowdfundings, das vor allem in den USA immer mehr genutzt wird. Potenzial, die Versorgung von onkologischen PatientInnen effizienter zu gestalten, bietet laut Dr. sc. Yvonne Pfeiffer von der Patientensicherheit Schweiz die HIT. Darunter werden IT-Systeme zum Management patientInnenbezogener Informationen verstanden. Die Patientensicherheit Schweiz führte in diesem Zusammenhang eine Studie durch und ging der konkreten Frage nach, welche Gefahren für die Sicherheit von onkologischen PatientInnen mit dem Einsatz von HIT einhergehen könnten. Die Ergebnisse zeigten eindrücklich, dass Fachpersonen einzelner Institutionen täglich bis zu elf Informationsquellen nutzen mussten, um sich ein klinisches Bild von der Patientin/dem Patienten zu machen. Pfeiffer berichtete, dass im Rahmen der Studie elf zentrale Themenfelder im Kontext von HIT identifiziert werden konnten, die potenziell eine Gefährdung der PatientInnensicherheit darstellen. Beispiele hierzu sind die Fragmentierung patientInnenbezogener Information, der gleichzeitige Einsatz von elektronischer und papierbasierter Dokumentation sowie mangelhafte BenutzerInnenfreundlichkeit.

Die weiteren klinischen Hot Topics am ersten Kongresstag waren Supportive Care (z. B. Kachexie, Fatigue), Förderung von Prävention und Lebensqualität (z. B. Einsatz künstlicher Intelligenz, Bedeutung der Bewegung) sowie Psychoonkologie.

Betroffeneninterview

Ein Highlight des zweiten Kongresstages war sicherlich das Interview mit Damaris, einer von einer BRCA-Mutation betroffenen jungen Frau und Mutter, und Carmen Temperli vom Selbsthilfecenter Zürich. Damaris berichtete eindrucksvoll, wie sie vor dem Hintergrund der Brustkrebserkrankung ihrer Mutter von ihrer Genmutation erfuhr. Sie schilderte, dass sie von Gesundheitsfachpersonen nur wenige Informationen erhielt, sie aber großes Vertrauen zu ihrer Gynäkologin hatte und sich für die präventive Mastektomie sowie Eierstockentfernung entschied. Obwohl ihre Kinderplanung bereits abgeschlossen war, beschrieb sie die beiden Eingriffe als sehr einschneidende Erlebnisse. Damaris wünscht sich sowohl von Fachpersonen als auch von der Gesellschaft eine erhöhte Sensibilisierung für das Thema „Betroffene von BRCA-Mutationen“.

Umfangreiches Workshop-Angebot: Neben diesem spannenden Gespräch wurde der zweite Kongresstag von einem umfangreichen Angebot an Workshops abgerundet, das unter dem Motto „unterstützend pflegen und gestützt sein“ stattfand, sowie den Abschlussreferaten zum Thema „Pflege im Kontext moderner Medizin“.

 

Quelle: 22. Internationales Seminar Onkologische Pflege – Fortgeschrittene Praxis, 5.–6. 9. 2019, St. Gallen/Schweiz