Antimikrobielle Resistenzen: Initiative zur Eindämmung umfasst Komplementärmedizin

Die Weltgesundheitsorganisation WHO betrachtet Antibiotikaresistenzen als eine der größten Herausforderungen für die globale Gesundheit. Für Europa gibt es aufsehenerregende Zahlen: Infektionen infolge antimikrobieller Resistenzen haben in der Europäischen Region der WHO eine vergleichbare Krankheitslast wie Influenza, Tuberkulose und HIV/AIDS zusammengenommen.1 Das Robert-Koch-Institut berichtet davon, dass zwischen 2007 und 2015 die Krankheitslast durch Infektionen mit antibiotikaresistenten Erregern deutlich gestiegen ist. In der EU erkranken jährlich rund 670.00 an derartigen Infektionen, 33.000 versterben daran.1–3
Beispiele für häufige multiresistente Bakterien sind der methicillinresistente Staphylococcus aureus (MRSA), die vancomycin-resistenten Enterokokken (VRE), ESBL-produzierende Enterobacteriaceae (zum Beispiel Escherichia coli und Klebsiella pneumoniae), die multiresistenten Pseudomonas aeruginosa und Clostridium difficile. Als wichtigste begünstigende Faktoren für die antimikrobielle Resistenzentwicklung nennt das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC):4

  • die Anwendung von antimikrobiellen Wirkstoffen: Dies fördert den Druck auf Mikroorganismen, der wiederum zur Entwicklung und Selektion resistenter Individuen beiträgt.
  • die Ausbreitung und Kreuzübertragung von resistenten Mikroorganismen zwischen Mensch, Tier und Umwelt, zwischen Menschen sowie zwischen Tieren.

Eine umsichtige Verwendung von antimikrobiellen Mitteln (Prudent Use) deckt gemeinsam mit optimierten Hygiene­maßnahmen zur Eindämmung der Übertragung von resistenten Mikroorganismen (umfasst Händehygiene, Screening, Isolation) enorm wichtige Bereiche des Managements, der Kontrolle und der Prävention von antimikrobieller Resistenzentwicklung ab.4

AURES-Bericht 2018: 70 t Antibiotika in der Humanmedizin und 50 t in der tierischen Lebens­mittelproduktion

Ein Teil der antimikrobiellen Resistenzen ist auf die Verwendung von Antibiotika in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung zurückzuführen, ein weiterer Teil jedoch auch auf den Einsatz von Antibiotika bei Menschen. Tiere können mit Bakterien besiedelt sein, die gegen beim Menschen verwendete Antibiotika resistent sind und vice versa. Aufgrund ihrer Antibiotikaexposition können Tiere zum Beispiel mit resistenten Salmonella und Campylobacter besiedelt sein, die über Nahrungsmittel vom Tier auf den Menschen übertragen werden können. Als weiterer Weg ist auch ein Erwerb resistenter Bakterien durch den Menschen über direkten Kontakt mit Tieren möglich. Das betrifft zum Beispiel bestimmte MRSA-Stämme.4 Die umgekehrte Übertragung resistenter Bakterien vom Menschen auf das Tier ist jedoch ebenfalls via direkten Kontakt möglich. Auch eine Übertragung über die Umwelt, wie zum Beispiel über das Trinkwasser, betrifft Mensch und Tier gleichermaßen.
Einige Länder wie Österreich, die Schweiz, Belgien und die Niederlande konnten in den vergangenen Jahren den Gebrauch antimikrobieller Mittel bei Tieren bereits deutlich reduzieren. Die Verhinderung des nicht zwingend notwendigen Gebrauchs ist neben Impfungen und Verbesserungen der Haltungsbedingungen laut WHO eine wichtige Maßnahme.1Gemäß einer Studie von Manyi-Loh aus 2018 entsprechen weltweit rund 50 % der Antibiotikaanwendungen bei Nutztieren nicht dem Prudent Use“, sagt Veterinärmedizinerin Dr. Petra Weiermayer. „Dem Resistenzbericht Österreich AURES 2018 der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit ist zu entnehmen, dass hierzulande jährlich knapp 50 Tonnen Antibiotika zur ­Behandlung von Nutztieren in Verkehr ­gebracht werden. Der systemische Gesamtverbrauch von Antibiotika in der Humanmedizin liegt im Vergleich dazu allerdings bei jährlich rund 70 Tonnen. Circa 67 % davon werden im ambulanten Bereich verschrieben. Dies zeigt auf, wo Antimicrobial­-Stewardship-Programme ansetzen müssen. Hier sind alle Stakeholder und die Bevölkerung gleichermaßen gefordert. Es geht hier um unser aller Gesundheit – Mensch, Tier und Umwelt gemeinsam.“

Seit Längerem wird interdisziplinär geforscht, um die verabreichten Antibiotikamengen zu reduzieren. Dabei steht aktuell auch das Potenzial der Homöopathie und der Phytotherapie im Fokus. „Im JPIAMR*-Programm überprüfen Experten aus der konventionellen und komplementären Medizin gemeinsam die Evidenz, ob Antibiotika durch Komplementärmedizin reduziert werden können“, erklärt ­Weiermayer, die auch Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Veterinärmedizinische Homöopathie ist. „Seit einigen Wochen ist in diesem Programm nun auch die Veterinärmedizin vertreten.“5 Doch welche Rolle könnten homöopathische Arzneimittel in der Veterinärmedizin spielen, bei welchen Krankheiten könnte man sie einsetzen, um schlussendlich der Antibiotikaresistenzproblematik entgegenwirken zu können? Weiermayer: „Die klassische Homöopathie agiert nicht indikationsbezogen, sondern erhebt die Symptome. In der Nutztierpraxis hat sich beispielsweise gezeigt, dass sich die homöopathische Therapie beim sogenannten Milchlaufenlassen der Milchkühe bewährt. Das Milchlaufenlassen ist insofern problematisch, als hier eine Eintrittspforte für Bakterien besteht. Die Homöopathie stellt somit einen Weg dar, um späterem Antibiotikagebrauch vorzubeugen.“ Sie solle den notwendigen Einsatz von Antibiotika nicht ersetzen, betont Weiermayer, „aber sie kann im frühen Stadium eingesetzt Probleme beheben. Es geht hier um den integrativen Ansatz, konventionelle Medizin und Komplementärmedizin zum Wohle der Menschen und Tiere zu kombinieren, wie es auch die Österreichische Tierärztekammer in ihrem Positionspapier zur Integrativmedizin fordert.“6

Ein weiterer Beleg für die Wirksamkeit der Homöopathie in der Veterinärmedizin ist eine placebokontrollierte Doppelblindstudie zu Escherichia-coli-bedingten Durchfällen bei neonatalen Ferkeln.7 „In der Gruppe, in der das homöopathische Arzneimittel prophylaktisch an die Muttersauen verabreicht wurde, kam es zu signifikant weniger Durchfällen bei den Ferkeln“, berichtet Weiermayer.

Tiergesundheitsdienste (TGD) würden laut Weiermayer die Notwendigkeit sehen, um Homöopathie und Phytotherapie zu fördern, da gemäß EU-Bio-Verordnung 2018/848 Homöopathie und Phytotherapie bevorzugt zum Einsatz kommen sollen, bevor konventionelle Medikamente zum Einsatz kommen.8Es braucht mehr Tierärzte mit Kompetenz in diesen beiden komplementärmedizinischen Fachrichtungen. Die TGD-Kurse stellen einen wertvollen Einstieg in die Fortbildung zum Fachtierarzt für Homöopathie der Österreichischen Tierärztekammer beziehungsweise das Diplom der Österreichischen Tierärztekammer für Phytotherapie dar.“

Im Sinne von One Health („eine Gesundheit“) haben Dr. Petra Weiermayer, Prof. Michael Frass, Dr. Thomas Peinbauer und Dr. Liesbeth Ellinger, zwei Humanmediziner und zwei Veterinärmedizinerinnen, einen narrativen Review mit dem Titel „Evidenzbasierte Veterinär-/Homöopathie und ihre mögliche Bedeutung für die Bekämpfung der Antibiotikaresistenzproblematik – ein Überblick“ verfasst, der in einem konventionellen peer-reviewed Journal publiziert wurde. Weiterführende Literatur lesen Sie im Schweizer Archiv für Tierheilkunde.9


* Joint Programming Initiative on Antimicrobial Resistance

Literatur:

1 Weltgesundheitsorganisation, Regionalbüro für Europa, 19. 03. 2020: Übergang zu einem ressortübergreifenden Ansatz zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen

2 Robert Koch-Institut, 06. 11. 2018: Neue Zahlen zu Krankheits¬last und Todes¬fällen durch antibiotika¬resistente Erreger in Europa

3 Cassini A, Högberg LD, Plachouras D et al., Burden of AMR Collaborative Group (2019): Attributable deaths and disability-adjusted life-years caused by infections with antibiotic-resistant bacteria in the EU and the European Economic Area in 2015: a population-level modelling analysis. Lancet Infect Dis; 19(1):56–66

4 ECDC: Faktenblatt zum Europäischen Antibiotikatag. Auf: https://antibiotic.ecdc.europa.eu/de/informationen-anfordernfaktenblatt/faktenblatt-fuer-expertinnen-und-experten

5 Joint Programming Initiative on Antimicrobial Resistance, Network T&CM alternatives for antibiotics worldwide: Global Initiative for Traditional Solutions to Antimicrobial Resistance (GIFTS-AMR) [Link]

6 STELLUNGNAHME_Integrative_Medizin_FOLDER.pdf (tieraerztekammer.at)

7 Camerlink I, Ellinger L, Bakker EJ et al., Homeopathy as replacement to antibiotics in the case of Escherichia coli diarrhoea in neonatal piglets. Homeopathy. 2010 Jan; 99(1):57–62

8 Verordnung (EU) 2018/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates

9 Weiermayer P, Frass M, Peinbauer T, Ellinger L, Evidenzbasierte Veterinär-/Homöopathie und ihre mögliche Bedeutung für die Bekämpfung der Antibiotikaresistenzproblematik – ein Überblick. Schweiz Arch Tierheilkd. Band 162, Heft 10, Oktober 2020, 597–615 597_616_Weiermayer.indd (gstsvs.ch)

 


Kommentar: Infektionen: Metaanalyse spricht für Wirkung der Homöopathie

Univ.-Prof. Dr. Michael Frass

Der verantwortungsvolle Umgang mit Antibiotika ist sowohl in der Human- als auch in der Veterinärmedizin ein ganz wichtiges Thema geworden. Die Resistenzentwicklung wird noch durch die ausgesetzte Entwicklung neuer vielversprechender Antibiotika verschärft, so dass wir in der nahen Zukunft keine Möglichkeit haben, resistente Keime effektiv zu bekämpfen. Durch meine 2005 publizierte Studie an Sepsispatienten an der Intensivstation konnte in einem doppelblinden Design gezeigt werden, dass Homöopathie bei Infektionen eine wichtige Rolle spielen kann. Auch meine Erfahrungen bei Kindern mit periodischem Fiebersyndrom (PFAPA) unterstreichen diese Einschätzung.
Im Rahmen einer Diplomarbeit für eine Metaanalyse wurde in mehreren Datenbanken nach homöopathischen Studien im Bereich Infektionen inklusive Influenza gesucht. Eingeschlossen wurden Studien, die eine homöopathische Behandlung mit Placebo oder einem konventionellen Medikament verglichen. Nach Ausschluss von 12 Studien konnten insgesamt 27 Studien in die Metaanalyse einbezogen werden. Mit dem Analyseprogramm MetaAnalyst 3.13 wurde die Auswertung der Studien durchgeführt. Aufgrund der Heterogenität der eingeschlossenen Studien wurde nach dem Random-Effects-Modell ausgewertet. 17 Studien weisen einen binären Endpunkt und 10 Studien einen kontinuierlichen Endpunkt auf. Jeweils eine Studie in beiden Gruppen floss aufgrund der Ergebnisse zweimal in die Berechnung mit ein. Bei jeder Analyse ergibt sich ein positives Ergebnis für die Homöopathie. Die gepoolte Effektgröße nach DerSimonian-Laird beträgt für das binäre Datenmaterial: Odds-Ratio 0,557 (KI 0,431 bis 0,720) und für die kontinuierlichen Daten: Odds-Ratio –0,244 (KI –0,564 bis 0,077). Insgesamt zeigen 21 Studien ein positiveres Therapieergebnis der Homöopathie und 6 Studien ein positiveres Ergebnis der Vergleichstherapie. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass diese Metaanalyse für die Wirkung der Homöopathie spricht, die über den Placeboeffekt hinausgeht. Es ist jedoch nötig, in der Zukunft weitere Studien mit hoher Qualität durchzuführen.