Ayurveda: „Wertvolle Ergänzung zur westlichen Medizin“

In der ayurvedischen Medizin werden Menschen nach ihrer individuellen Grundkonstitution unterschieden. Diese wird mit der Geburt festgelegt. Die drei konstitutionellen Merkmale (Bioenergien bzw. Doshas) lauten Vata, Pitta und Kapha. Vata steht für das bewegende Element im Menschen, Pitta steht für Feuer und Kapha für Substanz und Stabilität. Den Konstitutionstypen werden bestimmte Eigenschaften und gesundheitliche Risiken zugeteilt. Jeder Mensch trägt prinzipiell alle drei Doshas in sich, die Zusammensetzung variiert allerdings. Ein wesentliches Ziel im Ayurveda ist der Ausgleich von Störungen der konstitutionellen Merkmale, also wenn eine Energie zu stark ausgeprägt ist.

 

 

Im Interview mit der Apotheker Krone stellen Dr. Ludwig Kronpass und Mag. Claudia Gnant die ayurvedische Medizin näher vor und zeigen, welche Möglichkeiten dieses Medizinsystem für bestimmte Lebenssituationen und Beschwerden bietet.

Apotheker Krone: Ayurveda ist vor allem durch lesenswerte Kochbücher und über die Wellnesssparte bekannt. Bei welchen Beschwerden würden Sie eine ayurvedische Therapie oder Beratung empfehlen?

Dr. Ludwig Kronpaß: Bei Ayurveda handelt es sich um ein komplettes Medizinsystem, das älteste der Welt. Es ist somit nicht auf bestimmte Beschwerden und Anwendungsbereiche beschränkt. Natürlich haben sich die Zeiten im Vergleich zur Begründung dieses Systems geändert, aber gerade der darin enthaltene prophylaktische Ansatz ist doch wieder sehr modern.

 

 

Also liegt der Fokus vor allem auf der Prävention?

Kronpaß: Die Schwerpunkte sind Gesunderhaltung und Prävention. Gesundheit wird als kontinuierlicher Prozess verstanden, und der Mensch wird ganzheitlich betrachtet, inklusive der mentalen Komponente. Das Individuum steht im Mittelpunkt. Somit sehen wir Ayurveda als wertvolle Ergänzung zur westlichen Medizin und nicht als Konkurrenz.

Mag. Claudia Gnant: Die ayurvedische Medizin lässt sich nicht nach Beschwerdebildern einteilen, sondern beruht auf dem Verhalten der drei Bioenergien (siehe Kasten zu Beginn des Textes). Jeder Mensch hat demnach einen Grundzustand, und es gibt dann auch bestimmte Zustände bei bestimmten Krankheiten.

Die Verdauung gilt als eines der wesentlichen Einsatzgebiete für ayurvedische Therapie. Wie kann Ayurveda die Verdauung unterstützen und stärken?

Kronpaß: Die Verdauung ist im Ayurveda der Mittelpunkt, dieses Medizinsystem ist gleichsam darmfixiert. Die sogenannte Verdauungskraft wird als Möglichkeit gesehen, zu verdauen. Wenn das Verdauungsfeuer (auch als Agni bezeichnet, Anm.) zu schwach wird, beeinträchtigt das den Stoffwechsel und es bleibt halbverdautes Material zurück, das dem Körper schadet (als Ama bezeichnet, Anmerkung).

Gnant: Auch Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Nahrungsmittelallergien sind ein Problem mangelnden Verdauungsfeuers, das in der Ansammlung von Ama resultiert, gegen das der Körper in Folge Abwehrmechanismen bildet. Bestimmte Pflanzen können dabei helfen, das halbverdaute Material physikalisch auszuleiten.

Kronpaß: Die Leitpflanze ist diesbezüglich die Bleiwurz (Plumbago).

 

 

Wie unterscheiden sich die Konstitutionstypen hinsichtlich des Verdauungsfeuers?

Kronpaß: Der Kapha-Typ hat die schwächste Verdauung. Bei diesen Menschen ist es wichtig, Wärme und Hitze ins System zu bringen, was zum Beispiel mit Gewürzen wie Ingwer und Chilli möglich ist. Der Vata-Typ hat eine eher wechselhafte – mal starke, mal schwache – Verdauung. Der Pitta-Typ wiederum neigt zu übersteigerter Verdauung, was mit erhöhter Säurebildung einhergehen kann.

Ist Reflux ein Anzeichen für eine solche übersteigerte Verdauung?

Kronpaß: Ja, Reflux ist ein Zeichen dafür, aber auch Gastritis oder Magengeschwüre, für die der Pitta-Typ anfällig ist. Mit süßen, bitteren Pflanzen kann solchen Beschwerden entgegengewirkt werden. Von großer Bedeutung hat sich die Spargelart Shatavari, lateinisch Asparagus racemosus, erwiesen.

Was würden Sie einem Reflux-Patienten aus ayurvedischer Sicht raten?

Gnant: Zuallererst raten wir zur Umstellung der Ernährung. Fleisch sollte nur wenig gegessen werden, auf Frittiertes wird am besten verzichtet. Von Reflux Betroffene sollten nur dann essen, wenn wirklich Hunger besteht und die Portionsgröße maßvoll gestalten. Abends wird idealerweise wenig gegessen, oft reicht auch eine Gemüsesuppe. Ein großer Teil der Umstellung ist bereits erreicht, wenn alte Gewohnheiten Schritt für Schritt weggelassen werden. Auch ayurvedische Massagen können helfen.

Die ayurvedische Medizin bietet auch bei Tinnitus-Beschwerden Hilfestellung an. Wie wird Tinnitus gesehen, und wie kann die Behandlung erfolgen?

Gnant: Nach der ayurvedischen Lehre beginnt der Tinnitus im Darm. Die Beschwerden beruhen auf einer Vata-Störung beziehungsweise ein im Ohr fehlgeleitetes Vata.

Kronpaß: Tinnitus ist ein gutes Beispiel für den Einsatz der ayurvedischen Medizin, denn wir erzielen durch Behandlungen wirklich gute Ergebnisse, unter anderem durch Ohrenläufe mit Vata-reduzierenden Ölen.

Gibt es Heilpflanzen, die im Ayurveda zum Einsatz kommen, welche Sie besonders hervorheben möchten?

Gnant: Ich möchte die Bedeutung der gesamten Gewürzpalette betonen. Kurkuma, mit entzündungshemmender, Kreuzkümmel, Koriander, Vata-regulierender Wirkung, sowie auch Ingwer und langer Pfeffer (Piper longum) mit verdauungsstärkender Wirkung, um nur einige zu nennen, aber die Auswahl ist vielfältig.

Ist es Ihrer Meinung nach sinnvoll, einem Kunden ein ayurvedisches Präparat zu geben, auch wenn dieser sich sonst nicht tiefergehend auf das Konzept des Ayurveda einlassen möchte?

Kronpaß: Ja, durchaus. Ich würde sagen, es ist die zweitbeste Option. Wenn es sich beispielsweise um kurze Episoden von Durchfall handelt, macht dies schon Sinn.

Haben Sie persönlich ein Angebot für Menschen, die etwas für den Stoffwechsel und ihre Darmgesundheit tun möchten?

Gnant: Wir bieten im Frühling zwei Wochen lang eine Reinigungskur in Geras im Waldviertel an. Es gibt ein Tagesprogramm, das Arztgespräche, manuelle Therapien, Ernährungstipps und Kochkurse umfasst. Auch Yogaeinheiten und Meditationen werden durchgeführt. Die Zeit wird individuell auf das jeweilige Beschwerdebild abgestimmt. Wer für sich eine geistige Auszeit nehmen möchte, ist in unserem Programm gut aufgehoben.

 

 

Tipp: Ayurveda Frühlingskur

Panchakarma-Kuren sind das Herzstück der traditionellen Ayurveda-Medizin. Sie umfassen innere und äußere Reinigungsprozeduren, wohltuende Ölmassagen, manuelle Therapien, Ernährung nach den Konstitutionstypen, Yoga und Bewegung.

Datum und Ort: 18. April bis 2. Mai (2 Kurwochen), Geras/Waldviertel

Mehr unter: https://www.ayurvienna.at/

 

 

Fortbildungsangebot

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