„Banale“ Erkältung: Vorsicht – Risikopatient!

Die Beratung ist der Schwerpunkt jeder Apotheke. Gerade aber bei harmlosen Erkältungskrankheiten ist der Spielraum für ein Beratungsgespräch oft gering, denn hier handeln die Kunden meist nach ihren persönlichen Erfahrungen. Im Apothekenalltag bedeutet dies, dass viele Kunden bereits ein spezielles Präparat verlangen und keine zusätzlichen Informationen erwarten. Trotzdem sind Fragen nach den Leitsymptomen, der Dauer der Erkrankung oder der Schmerzintensität wichtig, weil dadurch viele „anamnestische Fehler“ ans Tageslicht gebracht werden können. So verlangt nicht jeder Hustenreiz sofort einen Schleimlöser; Fieber beginnt nicht schon bei 37° C, und auch nicht jedes Halskratzen muss unbedingt eine Angina sein.

Während die einen unter einem grippalen Infekt furchtbar leiden, sind es hingegen oft gerade Senioren, die Erkältungen auf die leichte Schulter nehmen. Ältere Menschen zeigen beim grippalen Infekt oft nur schwache Symptome. Im Alter steigt nämlich das Fieber kaum an. Husten mit Auswurf, Atemnot oder starke Schmerzen in den Gliedmaßen, im Brustkorb oder im Bereich hinter Augen und Stirn gelten daher als ernstzunehmende Symptome. Ein Arztbesuch ist immer anzuraten; bei der Empfehlung von typischen Erkältungsmedikamenten sollte man hingegen eher nach dem Grundsatz der Pharmakotherapie „Start low, go slow“ argumentieren. Gerade bei NSAR und Sympathomimetika ist auch in Hinsicht auf schlechtere Organfunktionen, Multimorbidität und Polypragmasie Vorsicht angebracht. Phytopharmaka haben hier einen sichereren Stellenwert.

Senioren: vom Husten zur Pneumonie

Gerade bei geriatrischen Patienten ist die Gefahr, einen grippalen Infekt in eine Pneumonie zu verschleppen, relativ hoch. Hauptverursacher der Pneumonie sind zwar Pneumokokken, gegen deren Infektion man sich sehr gut durch eine Impfung schützen kann; aber auch Viren, und zwar vor allem Influenza-Viren, und in seltenen Fällen Pilze, können eine Lungenentzündung hervorrufen. Ein ganz harmloser Schnupfen kann somit ebenfalls für eine Lungenentzündung verantwortlich zeichnen. Bei anhaltendem Husten, dauerhaftem Krankheitsgefühl, Atemnot und Fieber sollte daher unbedingt ein Arztbesuch empfohlen werden. Pneumonien zählen schließlich zu den häufigsten Todesursachen in der Geriatrie; nahezu zwei Drittel der Demenzpatienten sterben sogar letztendlich an einer Pneumonie.

Strenge Indikation bei stillenden Müttern

Nicht nur betagte Senioren, sondern auch stillende Mütter sind nicht ganz unkomplizierte Kunden bei harmlosen Erkältungskrankheiten. Der Einsatz von Arzneimitteln in der Stillzeit erfordert ja generell eine strenge Indikationsstellung. Andererseits muss aber der Mutter geholfen werden. Als leichte Entwarnung gilt, dass die meisten Arzneistoffe in der Muttermilch nur Konzentrationen, die weit unter dem therapeutischen Bereich für den Säugling liegen, erreichen. Naturgemäß sind aber bei Frühgeborenen, Neugeborenen und jungen Säuglingen toxische Effekte eher möglich als beim älteren Säugling. Grund dafür ist, dass in den ersten Lebenswochen und -monaten die Darmwand des Säuglings hoch permeabel ist und daher auch größere Moleküle resorbiert werden können. Zudem ist die Darmmotilität gering, was die Verweildauer von Nahrung und Medikamenten verlängert und deren Resorption erhöhen kann. Leber und Niere sind funktionell nicht ausgereift und können Arzneistoffe schlechter metabolisieren. Zudem sind die Blut-Hirn-Schranke und andere Barrieresysteme noch nicht ausreichend entwickelt. Ab dem 7. Lebensmonat verbessert sich hier allerdings die Situation. Arzneistoffe, die in der Stillzeit empfohlen werden können, sind Paracetamol sowie Ibuprofen, Chlorhexidin und Benzocain für Lutschtabletten, ACC, Ambroxol und Cineol bei Husten.

Da viele pflanzliche Präparate – darunter auch Hustensäfte und Homöopathika – aus Kostengründen nicht in der Stillzeit in Studien ausgetestet wurden, findet sich im Beipacktext oft der Satz: „in der Stillzeit nicht empfohlen“. Auch wenn nach pharmakologischen Aspekten meist nichts gegen einen Einsatz in der Stillzeit spricht, sollte die Mutter zumindest über den Grund dieses Satzes in der Gebrauchsanweisung aufgeklärt werden.

Abstillen nicht erforderlich

Ein Abstillen ist trotz Erkältung in der Regel nicht nötig, denn die von der Mutter gebildeten unspezifischen Immunstoffe und spezifischen Antikörper werden via Muttermilch zum Kind übertragen. Ein plötzliches Abstillen würde das Kind somit besonders anfällig für Infekte machen. In Einzelfällen kann frau jedoch Milch abpumpen und verwerfen, wenn sie bei einer akuten Erkrankung vorübergehend Medikamente einnehmen muss. Danach ist das Stillen – je nach Halbwertszeit des Arzneistoffs – wieder möglich.

Risiko Immunsuppression

Dass immunsuppressive und immunmodulatorische Therapien zu einer Erhöhung der Infektrate führen, ist per se leicht verständlich. Gerade die modernen Biologikatherapien beeinflussen direkt die Bildung von Immunglobulin-sezernierenden B-Zellen und haben daher eine signifikante Auswirkung auf die Abwehrkräfte gegen banale Infektionen. Während die Behandlung des grippalen Infekts kaum Schwierigkeiten darstellt, muss man aber bei den pflanzlichen Immunstimulanzien zur Prophylaxe Vorsicht walten lassen. Immunstimulanzien, wie Echinacea, Umckaloabo, aber auch Zink oder Cystusextrakt sowie bioaktive Polysaccharide sollten diesen Patienten nicht empfohlen werden. Auch bei homöopathischen Produkten ist aus denselben Gründen immer Rücksprache mit dem behandelnden Arzt empfehlenswert.

Sportler: Myokarditis verhindern

Gerade Hobbysportler wollen selten ihr Training unterbrechen. Gesundheitlichen Risiken, die auftreten können, wenn ein infektgeschwächter Körper durch Sport zusätzlich belastet wird, werden meist vernachlässigt. Dem gegenüber steht, dass Erkältungsviren die häufigsten Verursacher von Herzmuskelentzündungen sind. Beste Prophylaxe: auch bei leichtem Schnupfen eine sportliche Pause einlegen; bei Fieber sollte Sport ohnehin absolut tabu sein. Die Realität sieht aber leider anders aus: Bei jüngeren Sportlern im Alter zwischen 18 und 25 Jahren und bei Senioren ab 66 Jahren legt nämlich jeder Zweite trotz eines grippalen Infekts keine Sportpause ein und setzt somit seine Gesundheit einem Risiko aus.