Beratung bei der Erstverordnung von Antibiotika

Noch Anfang letzten Jahrhunderts waren die Heilungschancen bakterieller Infektionen mit den heutigen Heilungschancen maligner Erkrankungen zu vergleichen. Pest, Cholera und Pocken forderten mehr Todesopfer als Kriege und Kreuzzüge. An der gestiegenen durchschnittlichen Lebenserwartung haben Antibiotika einen entscheidenden Anteil. Sie gehören zu den verordnungsstärksten Arzneimitteln.1 Da sie in den meisten Fällen nur bei Akuterkrankungen eingesetzt werden, ist dem Patienten die Anwendung meist nicht vertraut. Deshalb muss er kompetent beraten werden.

Allgemeine Hinweise bei der Beratung

Jede Arzneimitteleinnahme sollte mit mindestens 250 ml Wasser erfolgen. Dies ist bei einer Antibiotikagabe besonders wichtig, da feste Antibiotikazubereitungen nicht selten durch eine beeindruckende Größe imponieren. Die Tablette passt sich dann dem Schluckvorgang an. Währenddessen ist der Kopf nicht in den Nacken zu legen, um unangenehmes Würgen beim Schlucken zu vermeiden.
Je nach Halbwertszeit müssen Antibiotika ein- bis viermal am Tag eingenommen werden. Hierbei ist auf gleichmäßige Zeitabstände zwischen den Einnahmen hinzuweisen.
Um ein Rezidiv zu verhindern, müssen Antibiotika ausreichend lange eingenommen werden. Dem Patienten ist zu raten, am Ende der Therapie zu überprüfen, ob er sich bereits 2–3 Tage richtig gesund fühlt. Bei anhaltenden Beschwerden ist erneut der Arzt aufzusuchen.
Da Antibiotika alle Bakterien angreifen, wird auch die physiologische Bakterienflora beeinträchtigt. Als Folge können vermehrt Durchfälle und Vaginalerkrankungen auftreten. Bei schwerem Durchfall ist das Mittel sofort abzusetzen und der Arzt aufzusuchen. Die Abgabe motilitätshemmender Arzneistoffe, wie Loperamid oder Racecado­tril ist dann kontraindiziert.2 Zubereitungen mit Saccharomyces boulardii sind nicht zur Vorbeugung oder Behandlung von antibiotikaassoziierter Diarrhö (AAD) zugelassen.3 Durch Antibiotika ausgelöste Störungen der Vaginalflora werden mit lokal anzuwendenden den pH-Wert stabilisierenden Maßnahmen behandelt.
Die Störung der Darmflora und die Beschleunigung der Darmpassage schwächen den Schutz oraler Kontrazeptiva ab, auch wenn ein Versagen eher selten zu beobachten ist.

 

Allgemeine Hinweise bei der Beratung

  •     Mit mindestens 250 ml Leitungswasser einnehmen
  •     Beim Schlucken Kopf nicht in den Nacken legen
  •     Auf gleiche Zeitabstände zwischen den Einnahmen achten
  •     Befinden am Ende des Einnahmezeitraums überprüfen
  •     Kontraindikationen bei Behandlung von Durchfall beachten
  •     Auf verminderten Konzeptionsschutz achten

 

Intensivberatung Betalactam-Antibiotika

Zu den Betalactam-Antibiotika zählen Amoxicillin, Cefuroxim und Penicillin. Diese Arzneistoffgruppe dominiert die Antibiotikaverschreibungen.1 Haupteinsatzgebiete sind Infekte der oberen und unteren Luftwege. Gerade dieser Einsatz steht häufig in der Kritik, da die meisten Infekte der Luftwege viral ausgelöst werden und deshalb nicht mit Antibiotika zu behandeln sind.
Die Vorteile der Betalactam-Antibiotika sind ihre spezifische Wirksamkeit und ihre gute Verträglichkeit. Sie haben sich viele Jahrzehnte in der Therapie bewährt und können sowohl Kindern und Säuglingen als auch betagten Menschen gegeben werden.
Die übliche Dosierung beträgt für Amoxicillin 1,5–3 g pro Tag. Man kann in der Regel von einer dreimaligen Gabe pro Tag ausgehen, wie auch beim Penicillin. Cefuroxim hingegen wird nur zweimal am Tag gegeben, was einen Vorteil für die Compliance darstellt (siehe Tabelle). Bei Kindern sollte sich die Dosierung eher nach dem Gewicht als nach dem Alter richten, wenn beide Werte nicht korrelieren.
Allergien zählen zu den häufigen Nebenwirkungen.4 Sie äußern sie sich in einem masernähnlichen Exanthem mit massivem Juckreiz. In sehr seltenen Fällen kann es sogar zu einem lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock kommen. Zwischen Amoxicillin, Penicillin und Cefuroxim besteht eine Kreuzallergie. Nach Auftreten eines Schocks dürfen diese Arzneistoffe in Zukunft keinesfalls mehr gegeben werden.
Bei den Interaktionen gibt es keine Arzneistoffe, die laut der deutschen ABDA-Datenbank kontraindiziert oder vorsichtshalber kontraindiziert sind.5, 6
Bei der Abgabe von Brausetabletten ist dem Patienten anzuraten, die Tablette mit Hilfe eines Löffels vollständig in der Flüssigkeit aufzulösen. Da Tabletten in höherer Dosierung sehr groß sind, muss der Patient darauf hingewiesen werden, diese nicht zu zerkleinern, da sie einen wirkstoffspezifischen Geruch und Geschmack aufweisen, der die Einnahme erschwert.

Intensivberatung Doxycyclin

Haupteinsatzgebiete des Doxycyclins sind Infekte der oberen und unteren Luftwege, des Urogenitaltrakts sowie Acne vulgaris, Acne rosacea, Borreliose und, als Off-Label-Use, Malariaprophylaxe. Wiegt der Patient unter 70 kg, beträgt die Dosierung am 1. Tag 200 mg und danach 100 mg pro Tag. Bei einem Gewicht von über 70 kg müssen jeden Tag 200 mg eingenommen werden (siehe Tabelle). Doxycyclin geht aufgrund seiner Molekülstruktur Chelatkomplexe mit Kalzium und anderen polyvalenten Kationen ein. Daher ist die Anwendung sowohl in Schwangerschaft und Stillzeit als auch bei Kindern unter acht Jahren kontraindiziert. Die Anlagerung an Kalzium im Knochen führt zu verzögertem Knochenwachstum und an den Zähnen zu irreversiblen Zahnverfärbungen. Bei der Abgabe von Doxycyclin muss der Patient ebenso wie bei Gyrasehemmern und Cotrimoxazol darauf hingewiesen werden, intensive Sonnenbestrahlung sowie die Sonnenbank zu meiden, da Photosensibilisierung möglich ist. Die gleichzeitige Anwendung von Retinoiden ist kontraindiziert. Sie führt zu einer erhöhten Inzidenz der Steigerung des Hirndrucks mit starken Kopfschmerzen.5
Zur Vermeidung der Chelatbildung sollte ein mindestens zweistündiger Zeitabstand zu polyvalenten Kationen, wie Kalzium, Magnesium, Eisen, Selen, Zink, Strontium und Milchprodukten eingehalten werden. Die Einnahme hat daher nur mit Leitungswasser zu erfolgen.

Intensivberatung Makrolide

Zu den Makroliden zählen Clarithromycin, Roxithromycin, Azithromycin und Erythromycin. Makrolide werden ebenfalls bei Infektionen der oberen und unteren Luftwege eingesetzt, außerdem bei Erkrankungen der Haut und der Weichteile. Clarithromycin wird auch bei der Eradikation von Helicobacter pylori angewendet, Roxithromycin und Azithromycin zusätzlich bei Infektionen des Urogenitaltrakts.
Roxithromycin wird einmal täglich in der 300-mg-Dosierung gegeben oder zweimal täglich als 150 mg, Clarithromycin zweimal täglich als 250 oder 500 mg (siehe Tabelle).
Roxithromycin ist neben Ciprofloxacin und Penicillin ein Antibiotikum, das nüchtern, vor dem Essen gegeben wird.
Makrolide zeigen nur wenige unerwünschte Wirkungen. Clarithromycin ruft häufig einen bitteren oder metallischen Geschmack hervor, was nach Therapieende reversibel ist. Auch werden gastrointestinale Beschwerden beobachtet.
Ein Problem der Makrolide ist ihre QT-Zeit-verlängernde Wirkung und ihre Eigenschaft, CYP3A4-Enzyme in der Leber zu hemmen. Aufgrund dieser Problematik ergeben sich zahlreiche Interaktionen.6

 

 

Intensivberatung Gyrasehemmer

Zu den Gyrasehemmern zählen Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin, Norfloxacin und Ofloxacin. Ciprofloxacin und Levofloxacin haben ein breites Indikationsspektrum. Ihre Anwendungsbereiche sind Infektionen der oberen und unteren Luft­wege, des Gastrointestinaltrakts und auch des Urogenitaltrakts. Ciprofloxacin wird in einer Dosierung von 500–750 mg zweimal am Tag nüchtern verabreicht. Von Levofloxacin werden ein- bis zweimal täglich 500 mg gegeben (siehe Tabelle). Allein für Ciprofloxacin nennt die ABDA-Datenbank ca. 70 mögliche Nebenwirkungen.5 Kinder und Jugendliche in der Wachstumsphase sollen keine Gyrasehemmer einnehmen, da sie die Knorpelbildung beeinträchtigen können. Gyrase­hemmer fallen nicht nur durch zahlreiche Nebenwirkungen auf, sondern auch durch eine Vielzahl an Interaktionen. Ihnen liegen sowohl QT-Zeit-Verlängerung als auch Hemmung unterschiedlicher CYP-Enzyme zugrunde.6

 

Buchtipp

Hiltrud von der Gathen
Das Penicillin nickt freundlich – Gedächtnistraining für Apotheker
Govi-Verlag, ISBN 978-3-7741-1117-2

Die Autorin gibt in ihrem Buch praktische Anleitungen zum richtigen Gebrauch des Gehirns. Alle Techniken werden mit praktischen Beispielen aus der Welt der Pharmazie und des Apothekenalltags beschrieben.

Mehr Informationen unter www.govi.de.

 

Literatur:

1 Schwabe U, Paffrath D, Arzneiverordnungsreport 2012, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg

2 Fachinformationen Imodium®, Vaprino®

3 Fachinformation Perenterol® forte

4 Sendik J, Stahlmann R, Unerwünschte Wirkungen der β-Lactam-Antibiotika, Pharmazie in unserer Zeit (2005) S. 432

5 ABDA-Datenbank 08/2013

6 Gerdemann A, Griese N, Interaktions-Check in der Apotheke (2010), Govi Verlag, Eschborn