Neu am Markt

Diabetes – optimierte inkretinbasierte Therapien

Auch in jüngster Zeit wurden Antidiabetika, deren Wirkung auf dem Inkretineffekt beruhen, weiter entwickelt. Der Inkretineffekt beruht bekanntlich auf der Tatsache, dass eine orale Glukoseaufnahme zu einer höheren Insulinausschüttung führt als die i.v. Applikation von Glukose. Der Grund liegt in der postprandialen Freisetzung von Darmhormonen, die eine rasche Sekretion von Insulin aus der Bauchspeicheldrüse vermitteln. Die Inkretinhormone – das wichtigste ist Glucagon-like peptide 1 (GLP-1) – können aber auf Grund ihrer sehr kurzen biologischen Halbwertszeit nicht therapeutisch genutzt werden. Seit 2006 gibt es jedoch die Möglichkeit, in das bei Diabetikern gestörte Inkretinsystem auf zwei Wege einzugreifen. Einerseits gelang es mit Exenatide (Byetta®) erstmals ein Inkretinmimetikum auf den Markt zu bringen, das eine ausreichend lange biologische Halbwertszeit besitzt. Während Byetta® noch zweimal täglich subkutan gespritzt werden muss, gelang es in der Folge mit Liraglutid (Victoza®) auf Grund einer chemischen Modifikation des humanen Inkretins ein protrahiertes Wirkprofil zu erreichen, wobei nun eine einmal tägl. s.c. Gabe genügt. Forschung und Entwicklung fokussierten sich in der Folge auf Exenatid und führten tatsächlich zu weitere Verbesserungen. Einerseits gelang es, eine optimierte Galenik zu entwickeln, wobei Exenatid in ein biologisch abbaubares Polymer „eingebaut“ wird, was zu einer sehr langsamen Freisetzung des Wirkstoffs führt und 2012 als Bydureon® auf den Markt kam. Tatsächlich ist mit Bydureon® auf Grund des Depoteffekts eine einmal wöchentliche Gabe ausreichend. Lixisenatid, ein weiteres Inkretinmimetikum mit modifizierter Aminosäurensequenz, das für die einmal tägliche Verabreichung vorgesehen ist, kam 2013 unter der Bezeichnung Lyxumia® auf den Markt.
Einen grundsätzlich anderen Weg geht man mit den so genannten DPP-4-Hemmern, den Gliptinen. Diese Wirkstoffklasse zielt auf die Dipeptidylpeptidase-4 (DPP-4), die ubiquitär im menschlichen Organismus vorkommt und dafür verantwortlich ist, dass die humanen Inkretinhormone rasch abgebaut werden. Durch Hemmung der DPP-4 lässt sich in der Tat die physiologische Inkretinwirkung therapeutisch nutzbar verlängern. Nachdem 2007 mit Sitagliptin (Januvia®) und Vildaglitin (Galvus®) die ersten DPP-4-Hemmer auf den europäischen Markt gekommen sind, wurde das Spektrum in den letzten beiden Jahren mit Saxagliptin (Onglyza®), Linagliptin (Trajenta®) und Aloglip­tin (Nesina®) erweitert. Vor allem Linagliptin hat eine Besonderheit, indem es vorwiegend unverändert über Galle und Darm ausgeschieden wird und dadurch auch bei Diabetikern mit nachlassender Nieren- oder Leberfunktion ohne Dosisanpassung einsetzbar ist. Für eine inkretinbasierte Diabetesbehandlung stehen aktuell somit vier Inkretinmimetika und fünf Gliptine (DPP-4-Hemmer) zur Verfügung.

Die Niere als Zielorgan

Bei einem gänzlich neuen Ansatz zur Blutzuckersenkung steht die Niere als Zielorgan im Mittelpunkt, indem die Glukoseausscheidung mit dem Urin gefördert wird. Dies wird erreicht, indem der für die Glukoserückresorption verantwortliche Transporter (Natrium-Glukose-Cotransporter 2; SGLT-2) blockiert und die Glukosurie verstärkt wird. Mit Dapagliflozin (Forxiga®) wurde dieses geradezu revolutionäre Konzept erstmals bis zur Marktreife entwickelt. Canagliflozin (Invokana®) hat am 20. September 2013 die „Positive Opinion“ des Humanarzneimittelausschusses der Europäischen Arzneimittelbehörde für die Therapie des Typ-2-Diabetes erhalten.

Multiple Sklerose – stark erweitertes therapeutisches Angebot

Nachdem Ende der 1990er Jahre mit Einführung der Interferone in die MS-Therapie in den Erkrankungsverlauf erstmals relevant eingegriffen werden konnte, wurden in der Folge die Immunmodulatoren Glatirameracetat (Copaxone®, 2001) und Natalizumab (Tysabri®, 2006) entwickelt. Es folgte dann eine fünfjährige Pause. Erst 2011 kam es zur Markteinführung von Fingolimod (Gilenya®) und Fampridin (Fampyra®). Fingolimod zeichnet sich dadurch aus, dass es zu einer „Einsperrung“ der Lymphozyten im Lymphknoten führt. Der Austritt der Lymphozyten wird durch Wechselwirkung von Sphingosin-1-Phosphat (S1P) mit dem entsprechenden S1P-Rezeptor ausgelöst. Fingolimod, dessen chemische Struktur eine hohe Ähnlichkeit mit Sphingosinphophat aufweist, blockiert nun den S1P-Rezetor und verhindert auf diesem Wege die Auslösung des Austrittssignals für die Lymphozyten, was wiederum die Entzündungskaskade herunterreguliert.
Mit Fampridin (Fampyra®) gelingt es in vielen Fällen, die durch MS ausgelösten Gangstörungen zu verbessern. Grundlage für die Wirkung von Fampridin ist das Schließen von „lecken“ Kaliumkanälen, durch die oftmals ein zu großer Kalium-Ausstrom die Fortleitung von Aktionspotenzialen verhindert und so Gangstörungen auslöst.
Mit Sativex®, einem Dickextrakt verschiedener Cannabis- sativa-Arten, kann in vielen Fällen die für MS-Patienten so unangenehme Spastik behoben oder zumindest verringert werden.
Doch nicht nur Neuentwicklungen prägen das erweiterte MS-therapeutische Spektrum. Mit Alemtuzumab (Lemtrada®), Dimethylfumarat (Tecfidera®) und Teriflunomid (Aubagio®) wurden in den letzten Monaten bereits bekannte Wirkstoffe in die MS-Therapie eingeführt. Alemtuzumab ist ein humanisierter IgG-Antikörper, der an das CD52-Oberflächenproten von normalen und malignen B- und T-Lymphozyten bindet und damit deren Aktivität neutralisiert. Die Verbindung Dimethylfumarat, eigentlich eine alt bekannte Verbindung, die als Reservemittel bei Psoriasis eingesetzt wird, ist nun auch zur MS-Therapie zugelassen. Teriflunomid, der aktive Metabolit des Antirheumatikums Leflunomid, zeigte nachweisbar in Phase-III-Studien immunmodulatorische Effekte bei MS, indem es in den Pyrimidinbedarf bei der Entwicklung aktivierter Lymphozyten eingreift.

Feuchte altersbedingte Makuladegeneration

Nachdem man vermutete, dass eine exzessive Ausschüttung des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors (VEGF) eine entscheidende Ursache der feuchten Form der AMD darstellt, wurden Pegaptanib (Macugen®; 2006) und Ranibizumab (Lucentis®, 2007) als erste Wirkstoffe entwickelt, die an den VEGF binden und auf diesem Weg das Fortschreiten der feuchten Form der AMD zumindest verlangsamen. Seit 2013 gibt es mit Aflibercept (Eylea®) nun einen weiteren VEGF-Inhibitor, der sich durch eine höhere Wirksamkeit auszeichnet. Aflibercept muss daher nur noch alle zwei Monate verabreicht werden. Die Applikation erfolgt bei allen drei Wirkstoffen durch intravitreale Injektion.

Aktinische Keratose und weißer Hautkrebs

Für die aktinische Keratose, die letztlich einen lebenslang akkumulierten UV-Hautschaden darstellt, gibt es eine Reihe von therapeutischen Möglichkeiten. Neben der chirurgischen Entfernung via Exzision oder Kryotherapie gibt es mit 5-Fluorouracil, Diclofenac und v. a. Imiquimod (Aldara®) bewährte medikamentöse Therapien. Seit Längerem wird auch die bekannte 5-Aminolävulinsäure (5-ALA) zur Phototherapie von aktinischer Keratose verwendet. 5-ALA ist jedoch ein Wirkstoff, der durchaus eine Reihe spezifischer Probleme macht: In wässriger Lösung ist er nicht stabil; auf Grund der hohen Polarität ist die Lipidlöslichkeit schlecht und demgemäß die Penetration in das Stratum corneum nicht optimal. Mit einer neuen Galenik (Ameluz-Gel®) hat man diesbezüglich eine Reihe entscheidender Verbesserungen erzielt. Die dabei eingesetzte O/W-Nanoemulsion wirkt auf 5-ALA nicht nur stabilisierend, sondern führt auch zu einer erhöhten Hautpenetration und damit letztlich zu einer verbesserten Wirksamkeit.
Ingenolmebutat (Picato®) ist hingegen ein aus den oberirdischen Teilen von Euphorbia peplus extrahierter Wirkstoff, der für die topische Behandlung der aktinischen Keratose eingesetzt werden kann.
Auch für das Basalzellkarzinom (weißer Hautkrebs) ergibt sich mit Vismodegib (Erivedge®) eine neue, sehr effiziente medikamentöse Option, sollte die chirurgische Therapie aus unterschiedlichen Gründen nicht möglich sein. Vismodegib blockiert spezifisch einen Zellteilungssignalweg, der in über 90 % der Basalzellkarzinome eine genetisch bedingte Mutation aufweist.