Beratung von Risikoreisenden

Reisende, die aufgrund von chronischen Erkrankungen, wegen ihres Alters oder auch durch erfreuliche Besonderheiten wie eine Schwangerschaft eventuell höheren Gesundheitsrisiken auf Reisen ausgesetzt sind, stellen den beratenden Arzt vor besondere Herausforderungen. Die Gruppe ist äußerst inhomogen und reicht vom gut eingestellten Hypertoniker bis zum Patienten unter schwerer Immunsuppression. Für manche Patientengruppen, wie vor allem Diabetiker, sind über Selbsthilfegruppen und im Internet viele ausführliche Informationen verfügbar, die von nützlichen Reiseaccessoires bis zu Tipps für die Reisevorbereitung reichen.

Chronisch Kranke

Prinzipiell sollte für die Vorbereitung eines Urlaubs beim chronisch kranken Menschen eine längere Vorbereitungs- und Planungsphase einberechnet werden. Bereits in der Auswahl des Reiseziels (schon hier kann ein reisemedizinisch erfahrener Arzt helfen) kann man Komplikationen und Erschwernisse verhindern.

Planung:

Impfungen: Für die meisten Grundkrankheiten unterscheiden sich die Impfempfehlungen nicht vom gesunden Reisenden. Lediglich Lebendimpfstoffe dürfen bei signifikanter Immunsuppression oder in der Schwangerschaft nicht verabreicht werden. Bei immunsuppressiver Therapie sollte, wo immer möglich, der Impferfolg mittels Titerbestimmung überprüft werden, was zusätzliche 6 Wochen Vorlaufzeit erfordert.

Benötigte Medikamente: Die für die gesamte Reisedauer nötige Menge an regelmäßig eingenommenen Medikamenten muss rechtzeitig besorgt werden. Die Menge sollte großzügig bemessen werden, damit „Kleinigkeiten“ wie verpasste Verkehrsmittel oder überbuchte Flugzeuge und ein damit unfreiwillig verlängerter Urlaub nicht zur Katastrophe werden. Wichtig ist auch eine vollständige Liste aller Dauermedikamente, die neben den Markennamen auch die Inhaltsstoffe anführt. Zudem sollte jeder chronisch kranke Reisende einen zusammenfassenden Arztbrief mit sich führen (im Idealfall in einer im Reiseland verstandenen Sprache, sonst zumindest in Englisch).

Notfallplan: Patienten mit Erkrankungen, in deren Verlauf schubartige Verschlechterungen möglich sind, sollten auch mit einem „Notfallplan“ versorgt werden, der ihnen eine erste Selbsthilfe ermöglicht. Dieser Plan sowie die dafür nötigen Medikamente müssen vor der Reise ausführlich besprochen werden und sollten auch in schriftlicher Form vorliegen. Dies betrifft zum Beispiel Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen oder Asthmatiker.

Versicherungen: Für jeden chronisch kranken Reisenden ist eine Reisekranken- und Rückholversicherung essenziell. Dabei muss sichergestellt sein, dass auch Komplikationen der bestehenden Grundkrankheit abgedeckt werden!

Asthma/COPD

Da sich unter dem Begriff Asthma sehr unterschiedliche Krankheitsverläufe subsumieren und zudem die auslösenden Faktoren individuell variieren, können kaum allgemeingültige Einschränkungen bezüglich Reiseziel, Klima oder Unternehmungen gemacht werden. Für allergisch bedingtes Asthma kann eine Urlaubsreise sogar eine Besserung der Krankheitsaktivität bringen. Grundsätzlich sollte die Erkrankung vor Abreise bestmöglich kontrolliert und stabil sein.

Hinsichtlich Reiseziel und Aktivitäten sollten folgende Aspekte berücksichtigt werden:

  • Klima: Kälte stellt für viele Asthmapatienten einen wichtigen Trigger dar. Feuchte Hitze, die oft subjektiv als sehr belastend empfunden wird, verursacht jedoch kaum Probleme.
  • Umweltfaktoren: Katalogfotos von idyllischen Reisfeldern und unberührter tropischer Landschaft verbergen die oft massive Luftverschmutzung in Großstädten von Entwicklungs- und Schwellenländern. Auch die ausgeprägte Staubbelastung in den von Dürre bedrohten Regionen Afrikas ist von Bedeutung.
  • Bergsteigen, Trekking: Körperliche Anstrengung kann anfallsauslösend sein. Eine intensive körperliche Vorbereitung mit Ausdauertraining ist unumgänglich, wenn ausgedehnte Touren geplant sind. Die Höhe selbst wird von Asthmapatienten ebenso gut (oder schlecht) toleriert wie von Gesunden.

Für Patienten mit COPD ist Höhe kontraindiziert (50 % des Sollwerts: nicht über 2.500 m, FEV1 < 50 % des Sollwerts: nicht über 800 m).

Reisen in der Schwangerschaft

Während einer unkomplizierten Schwangerschaft sind Fernreisen durchaus möglich. Es gilt jedoch einige Vorsichtsmaßnahmen zu bedenken, auch die Wahl des Urlaubsziels kann nicht ohne jede Rücksicht auf die Schwangerschaft erfolgen.

 

Empfehlungen für:
Schwangere und Stillende auf Reisen

  • Hypoallergenes Sonnenschutzmittel mit hohem UVA- und UVB-Schutz
  • Schmerzen/Fiebersenkung: Paracetamol
  • Mittel zur Rehydrierung (bei Durchfallerkrankung): Bei hohem Flüssigkeitsverlust können vorzeitige Wehen einsetzen.
  • Loperamid gegen Diarrhö: nach Rücksprache mit dem Arzt
  • Mittel gegen Sodbrennen
  • Magnesium zur Prophylaxe von Wadenkrämpfen, Verspannungen und Gebärmutter-Kontraktionen
  • Antibiotikum für alle Fälle: Ampicilline, Cephalosporine und Erythromycin; Probiotikum zur Stärkung sowie zum Wiederaufbau der Darmflora
  • Nicht zu vergessen sind stressgeplagte und übermüdete Männer. Sie können von Phyto- und Mikronährstoffpräparaten profitieren.

 

 „Reisezeit“: Das 2. Schwangerschaftsdrittel ist die sicherste Phase der Schwangerschaft für Urlaube und Fernreisen. Die Komplikationsmöglichkeiten der Frühschwangerschaft (Abort, Emesis) haben abgenommen, und die Risiken von vorzeitigen Wehen oder einer Gestose sind noch gering.

Fliegen: Die meisten Fluglinien akzeptieren keine Passagiere jenseits der 36. Schwangerschaftswoche. Manche Gesellschaften setzen dieses Limit noch früher an (rechtzeitig beim Carrier erkundigen!).

Impfen: Wissenschaftlich fundierte Daten zur Sicherheit von Impfstoffen in der Schwangerschaft fehlen fast immer. Für viele inaktivierte Impfstoffe gibt es jedoch ausreichend Erfahrung, sodass das Krankheitsrisiko gegen das potenzielle Impfstoffrisiko abgewogen werden kann und muss.
Impfungen im ersten Trimester werden möglichst vermieden! Lebendimpfstoffe (z. B. Gelbfieber, Masern, Mumps, Röteln, Varizellen) sind kontraindiziert! Es konnten jedoch speziell für die Gelbfieberimpfung nie schädigenden Effekte nachgewiesen werden, sodass international empfohlen wird, bei eindeutigem Gelbfieberrisiko (und falls die Reise wirklich nicht verschoben/verändert werden kann) trotz bestehender Schwangerschaft zu impfen.

Malaria: Malaria ist nicht nur eine lebensbedrohliche Infektion für die Mutter, sondern durch den bevorzugten Befall der Plazenta auch für das ungeborene Kind. Von Reisen in Gebiete mit Malariarisiko muss daher vehement abgeraten werden! Die Möglichkeiten einer medikamentösen Prophylaxe sind sehr limitiert. Chloroquin ist nur noch in wenigen Gebieten wirksam. Mefloquin kann bei zwingender Indikation im 2. und 3. Trimenon eingesetzt werden. Für keine andere Substanz gibt es hinreichend Sicherheitsdaten oder Erfahrungen.
Damit steht vor allem die Expositionsprophylaxe im Vordergrund. Die Verwendung des hochwirksamen Repellents DEET (Diethylethylentoluamid) ist auch in der Schwangerschaft unbedenklich!

Factbox – Reisende Schwangere
Wann sollten Schwangere auf Fernreisen verzichten?

  • In der Anamnese: Fehlgeburten, vorzeitige Wehen oder vorzeitiger Blasensprung, Gestose
  • Aktuelle Schwangerschaft: Mehrlingsschwangerschaft, Muttermundschwäche, Blutungen, Primipara über 35 Jahre
  • Welche Destinationen oder Aktivitäten sind nicht geeignet?
  • Große Höhen (nicht über 4.000 m, bei Risikoschwangerschaften und im 3. Trimester nicht über 2.500 m)
  • Aktuelle Epidemiegebiete (vor allem Infektionen, die nahrungsmittel- oder insektenassoziiert sind)
  • Gebiete mit Malariarisiko
  • Gebiete, für die Lebendimpfungen erforderlich sind
    Tauchurlaube

 

Reisen mit Kleinkindern

Gesundheitsstörungen (Durchfälle, Fieber) sind bei Kleinkindern auch auf Reisen nicht selten. Bei Durchfallerkrankungen sind Kinder allerdings durch den Flüssigkeitsverlust viel rascher gefährdet als Erwachsene.

Medikamente: Da es in vielen Ländern schwierig ist, aus Europa vertraute Medikamente zu erhalten, gehören Präparate für die häufigsten Beschwerden, die auch zu Hause zumeist von den Eltern behandelt werden, in die Reiseapotheke (Medikamente gegen Fieber und Schmerzen sowie Husten- und Nasentropfen – in Absprache mit dem Kinderarzt zusammenstellen).

Impfungen: Im Allgemeinen empfehlen wir, Kinder nicht vor Abschluss der Basisimpfungen ins tropische Ausland mitzunehmen. Dies ist üblicherweise im zweiten Lebensjahr der Fall (nach 3 Dosen des Sechsfachimpfstoffs und zumindest einer Dosis Masern-Mumps-Röteln).
Polysaccharidimpfstoffe wie die Typhusimpfung machen vor dem Alter von 18 Monaten aufgrund des noch unreifen Immunsystems keinen Sinn.

Malaria: Malaria tropica beim Kleinkind ist eine medizinische Notfallsituation! Die initialen Symptome können sehr unspezifisch sein, und Todesfälle innerhalb weniger Stunden sind belegt. Es sollten daher nur malariafreie Reiseziele empfohlen werden.
Ist das Reiseziel nicht veränderbar, so ist eine Prophylaxe überall dort notwendig, wo auch für Erwachsene eine prophylaktische Einnahme empfohlen wird. Mefloquin kann bereits ab einem Körpergewicht von 5 kg, Atovaquon-Proguanil ab 11 kg eingenommen werden. Beide Präparate können zerkleinert und mit Brei oder Milch gemischt werden. Das Problem einer regelmäßigen Tabletteneinnahme bei Kleinkindern ist nicht zu unterschätzen.
Eine wichtige Komponente der Malariaprophylaxe ist auch bei Kindern der Insektenschutz. Die wirksamsten Insektenschutzprodukte sind jedoch in ihrer Sicherheit für Kleinkinder nicht belegt. Ein deutlich verbesserter Schutz lässt sich durch zusätzliche Imprägnierung der Kleidung mit Bifenthrin erreichen.

Flugreisen: Für gesunde Säuglinge stellen Flugreisen kein medizinisches Problem dar. Den Druckveränderungen bei Start und Landung kann man durch Stillen, trinken lassen oder Bonbons lutschen begegnen. Es soll aber auf keinen Fall während des gesamten Fluges zur Beruhigung gefüttert werden, da sonst unweigerlich Blähungen auftreten.
Für ältere Kinder stellen Flugreisen üblicherweise kein Problem dar. Es empfiehlt sich aber, einen Vorrat an Büchern oder Spielen mitzubringen, um der Langeweile zu entgehen.

Am Urlaubsziel: Die Umgebung sollte auf mögliche Unfallgefahren untersucht werden (wackelige Geländer, ungesicherte Pools, Rattengiftköder). Kinderhaut ist sonnenempfindlicher als die Haut Erwachsener. Hohe Sonnenschutzfaktoren und Kopfbedeckung sind ein Muss.
Auch am Strand sollten Sandalen getragen werden – neben Verletzungen drohen Krankheitserreger, die bevorzugt über die Haut eindringen (wie zum Beispiel Hakenwurmlarven). Bei streunenden Tieren besteht stets Tollwutgefahr. Aufgrund mangelnden Einschätzungsvermögens und durch ihre geringe Körpergröße sind Kinder bevorzugte Opfer von Bissverletzungen vor allem durch Hunde.