Darm-Leber-Achse: lebende Bakterien als Helfer

Es gibt erwiesenermaßen eine Darm-Leber-Achse. Wie kann man sich das im Detail vorstellen?

Unter der Darm-Leber-Achse versteht man den anatomischen und funktionellen Zusammenhang zwischen Darm und Leber. Die Darmbarriere ist aus mehreren Schichten aufgebaut – zuerst die Bakterien des Darmmikrobioms und die Schleimschicht, dann das Darmepithel mit seinen Zell-Zell-Verbindungen und darunter das Darmimmunsystem. Durch diese ausgeklügelte Barriere wird der Übertritt von bakteriellen Produkten und die Produktion von anderen Signalmolekülen, den Zytokinen, die dann über die Pfortader in die Leber kommen, reguliert. Unter normalen Bedingungen treten nur wenige bakterielle Bestandteile – zum Beispiel Endotoxine oder bakterielle DNA – in das Blut über, und diese werden dann in der Leber rasch eliminiert. Bei einer Störung der Darm-Leber-Achse kommt es zu einem vermehrten Übertritt von bakteriellen Bestandteilen in die Zirkulation, die dann im Darm und in der Leber zu einer Entzündungsreaktion führen können. Diese Störungen können auf einer gestörten Zusammensetzung oder Funktion des Mikrobioms, einer erhöhten Darmpermeabilität sowie einer gestörten Immunabwehr im Darm beruhen.

Gibt es Krankheiten, die aus Problemen entlang der Darm-Leber-Achse resultieren können?

Lebererkrankungen wie die Leberzirrhose oder die alkoholische und die nichtalkoholische Fettlebererkrankung sind die ersten Krankheitsbilder, bei denen eine Störung der Darm-Leber-Achse nachgewiesen wurde. Mittlerweile weiß man, dass auch weiter entfernte Organe, wie das Gehirn, von dieser Achse betroffen sind. Für Migräne und Demenz gibt es schon experimentelle Daten, die auf eine Störung der Darm-Leber-Hirn-Achse hindeuten.

Sind Erschöpfungszustände möglich?

Erschöpfungszustände sind ein multifaktorielles Problem, das in der medizinischen Wissenschaft schwierig zu untersuchen ist, da sie mit vielen organischen Erkrankungen, aber auch mit psychischen Problemen zusammenhängen können. Eine Entzündungsreaktion im Körper, wie sie meistens bei Problemen an der Darm-Leber-Achse auftritt, kann mit Erschöpfungszuständen verbunden sein. Wir konnten in unserer Studie zu Probiotika bei Leberzirrhose zeigen, dass die probiotische Therapie die Lebensqualität verbessert hat, unter anderem den Teilaspekt der Vitalität. Das deutet auf einen möglichen Zusammenhang hin, muss aber noch detaillierter untersucht werden.

Wie lässt sich die Achse positiv beeinflussen?

Das Darmmikrobiom ist sehr stark von der Ernährung abhängig. Mit einer vielfältigen und ausgewogenen Ernährung kann man die Vielfalt der Darmbakterien erhöhen und damit die Funktion des Mikrobioms als Ganzes verbessern. Verschiedene Medikamente beeinflussen die Darm-Leber-Achse, da muss aber noch einiges an Forschung investiert werden, um herauszufinden, welche Medikamente sich in welcher klinischen Situation positiv und welche negativ auswirken. Prä-, Pro- und Synbiotika, also lebende, gesundheitsfördernde Bakterien und Ballaststoffe, die das Wachstum dieser Bakterien fördern, sind eine gute Möglichkeit, um die Darm-Leber-Achse positiv zu beeinflussen. Aber auch da ist es wichtig, dass zu jedem Präparat und zu jeder Fragestellung qualitativ gute Studienergebnisse vorliegen. Die Stuhltransplantation, die in bestimmten klinischen Situationen schon zur Standardtherapie zählt, ist ein massiver Eingriff in dieses System und wird bei schwerwiegenden Erkrankungen sicher ihren Platz im therapeutischen Spektrum finden. Die Weiterentwicklung dieser Therapien ist ein spannendes klinisches Gebiet, das in den nächsten Jahren sicher immer mehr an Wichtigkeit gewinnen wird.