Darmmikrobiom und Autoimmunerkrankungen

Das gesamte Darmmikrobiom macht etwa 2 kg des Körpergewichtes eines Erwachsenen aus und hat wichtige Funktionen bei Verdauung, Immunmodulation und Metabolisierung von Xenobiotika. Die Zahl der Mikroben nimmt vom Magen über den Dünndarm (hpts. fakultativ anaerobe Bakterien wie Enterokokken) bis zum Dickdarm (hpts. obligate Anaerobier, z. B. Bacteroides und Bifidobakterien) zu. Hinsichtlich des Zusammenhanges des ­Mikrobioms mit verschiedenen Krankheiten wurde und wird intensiv geforscht. Das ­betrifft nicht nur Darmerkrankungen wie M. Crohn und C. ulcerosa, sondern auch Autoimmunerkrankungen. Unklar ist in den meisten Fällen, was zuerst da war: ein gestörtes Mikrobiom oder die Krankheit. Belastbar ist jedenfalls die These, dass eine ballaststoffarme Ernährung negative Auswirkungen auf die Diversität des Mikrobioms hat.

Nicht nur Genetik ausschlaggebend

Die Zunahme von diversen Autoimmun­erkrankungen dürfte nicht nur allein einer genetischen Disposition geschuldet sein, sondern auch von veränderten Umweltfaktoren abhängen, dazu zählt auch ein verändertes Mikrobiom. So hat man mittlerweile herausgefunden, dass etwa bei der Genese von rheumatoider Arthritis (RA) Umweltfaktoren wie Ernährung, Rauchen und Infektionen eine bedeutende Rolle spielen. Patient:innen mit RA haben ein reduziertes Mikrobiom, das mit den Autoantikörperspiegeln und der Krankheitsdauer korreliert. Was die Zusammensetzung betrifft, hat man eine erhöhte Abundanz (Populationsdichte) von Prevotella– und Collinsella-Arten, jedoch eine verminderte von Faecalibacterium gefunden. Faecalibacterium gilt als wichtiger Produzent von Buttersäure (Butyrat), welche u. a. als Energiequelle für das Darmepithel fungiert und sich in Tiermodellen als entzündungshemmend erwiesen hat. Collinsella hingegen könnte die Darmpermeabilität erhöhen und die Expression von IL-17A induzieren. Eine Rolle bei der Darmpermeabilität spielt auch Zonulin, ein Peptid, das die Kontrolle der epithelialen Tight Junctions beeinflussen soll. Zonulin wird mittlerweile als Markerprotein für den Nachweis des „leaky gut“ verwendet, dies ist jedoch umstritten. Nichtsdestotrotz gibt es Studien mit Zonulinantagonisten, erprobt wird auch ­Butyrat als Nahrungsergänzungsmittel bei u. a. RA.

Typ-1-Diabetes und Asthma als Beispiele

Diverse Untersuchungen befassten sich auch mit dem Darmmikrobiom von Typ-1-Diabetiker:innen. Gemeinsame Findings waren u. a. eine erhöhte Abundanz von Bacteroides-Arten und eine verminderte Dichte von Bakterien, die SCFAs produzieren („short chain fatty acids“, kurzkettige Fettsäuren). Auch scheint der Entwicklung von Diabetes-Typ-1 eine erhöhte Darmpermeabilität vorauszugehen. Bei Kindern mit diabetesbedingten Autoantikörpern fand man insbesondere eine verringerte Dichte von dem Butyrat-produzierenden Faecalibacterium prausnitzii. Wichtig ist aber, dass die Funktionsfähigkeit des Mikrobioms insgesamt eine größere Rolle spielt als einzelne Bakterienarten. Vermutet wird, dass eine Dysbiose der Darmflora im Kleinkindalter ein disponierender Faktor für die Entwicklung von Atemwegserkrankungen ist. So prägen Kaiserschnittgeburten, Muttermilchersatz, Luftgiftstoffe und Antibiotikagaben das entstehende Darmmikrobiom. Studien haben gezeigt, dass bei Asthmapatient:innen z. B. Proteobakterien (dazu zählen auch potenziell pathogene Gattungen) überrepräsentiert sind, ähnliches gilt für histaminproduzierende Bakterien. Bakterielle Stoffwechselprodukte können die Immunreaktionen in anderen Teilen des Körpers beeinflussen. Die SCFAs haben i. A. protektive Eigenschaften und Kinder, die mit 1 Jahr einen hohen fäkalen SCFA-Anteil aufweisen, entwickeln später deutlich seltener Asthma.

Eine Reihe von therapeutischen Strategien zielt auf Zusammensetzung und Funktionalität des Darmmikrobioms ab. Die beste Lösung ist jedoch eine Ernährungsumstellung hin zu mehr Ballaststoffen und ungesättigten Fettsäuren, am besten im Rahmen einer mediterranen Ernährungsweise. Rezente Studien dazu belegen eine positive Wirkung, insb. im Hinblick auf die Abundanz der Butyrat-produzierenden Bakterien.