Der Blick über die Grenze – Großbritannien – Part 1

Heute beschäftigen wir uns mit dem größten Inselstaat Europas, dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland. Mit über 67 Millionen Einwohnern rangiert das Land unter den bevölkerungsreichsten Staaten Europas nach Russland und Deutschland an dritter Stelle. Die Urbanisierungsrate beträgt über 80 %, womit es zu den am stärksten urbanisierten Ländern der Welt zählt. Großbritannien verfügt über mehr als 14.000 Apotheken, wovon sich allein 80 % in England befinden, sowie ärztliche Hausapotheken. Dadurch ist die Apothekendichte zwar etwas höher als in Österreich, doch im Vergleich zum direkten Nachbarn Irland sehr gering. Und das, obwohl die Anzahl an Apotheken innerhalb einer geografischen Region kaum gesetzlich reguliert ist. Es existieren kein Fremd- oder Mehrbesitzverbot und keinerlei Einschränkung bei der Vertikalisierung von Großhändlern und Apothekenketten.

Land der Apothekenketten
Unabhängige Apothekenketten sind in Großbritannien erlaubt und machen mit über 8.000 Outlets etwa 60 % des Apothekenmarktes aus. Bezüglich Größe und Anzahl von Filialen innerhalb einer Kette gibt es keine Beschränkung. „Boots“ ist mit Abstand die größte Kette, gefolgt von „Lloyds“ und kleineren Mitbewerbern wie „Superdrug“ oder „Rowlands“. Darüber hinaus betreiben viele große Supermarktketten wie „Tesco“ oder „Sainsbury’s“ Apotheken. Einige Filialen haben bis Mitternacht geöffnet.

Land des freien E-Commerce
Versandhandel ist im Vereinigten Königreich sowohl für rezeptfreie als auch für verschreibungspflichtige Medikamente gestattet. Die Zustellung muss an eine Privatadresse erfolgen, Lieferungen an Firmenadressen sind nicht legal. Wenn der Zusteller über entsprechend ausgestattete Fahrzeuge verfügt, ist auch der Versand von kühlungsbedürftigen Arzneimitteln zulässig. Die größte Online-Apotheke ist „Pharmacy2U“. Der Versandhandel setzt auch in UK die Apotheken gewaltig unter Druck, und viele versuchen, mit Zusatzleistungen vor Ort zu punkten. Britische Apotheken haben den Vorteil, dass es viele zusätzliche Services gibt, die innerhalb des Rahmenvertrags mit dem NHS (National Health Service), dem staatlichen Gesundheitsdienst, angeboten werden können, sofern die dafür festgelegten Anforderungen erfüllt sind. Die für Patienten kostenfreien Leistungen und deren Vergütung können je nach Honorarkategorie und Versorgungsbedarf regional variieren. Dazu zählen beispielsweise Arzneimittelbewertung, diverse Beratungen, Hepatitis-C-Testungen und Impfservice.

Impfen in Apotheken
In Großbritannien darf in Apotheken bekanntlich wie in der Schweiz bereits seit 2015 gegen Grippe geimpft werden. Das Vereinigte Königreich erteilte als erstes Land der Welt dem Corona-Impfstoff von BioNTech/Pfizer eine Notfallzulassung und startete schon im Dezember 2020 mit der entsprechenden Impfaktion. Die meisten Impfungen werden von Ärzten oder Pflegern entweder in der Praxis des Allgemeinmediziners, im Krankenhaus oder in Impfzentren verabreicht. Auch wenn dadurch die Krankenhausapotheker eine zentrale Rolle spielen, sind dennoch ein paar Hundert öffentliche Apotheken unter strengen Auflagen beim NHS als Impfstellen registriert. Die Apothekenteams nutzen hierbei die jahrelange Erfahrung aus dem Grippeimpfschutzprogramm und haben im Rahmen einer speziellen Ausbildung gelernt, worauf bei Corona-Impfungen zusätzlich zu achten ist. In den beteiligten Apotheken müssen die Voraussetzungen für die Kühllagerung erfüllt sein. Außerdem müssen die Filialen mindestens 1.000 Dosen pro Woche verabreichen können und sicherstellen, dass alle Dosen innerhalb einer angemessenen Haltbarkeitsdauer verimpft werden. Die Impfungen müssen an sieben Tagen der Woche von 8 bis 20 Uhr angeboten werden, gegebenenfalls auch an Feiertagen. Weiters sind die räumlichen Voraussetzungen für Beratung sowie Nachbeobachtung nach der Impfung erforderlich. Dafür wird eine Impfung mit knapp 14 Euro vergütet. Impfungen verabreichen zu dürfen ist nicht das einzige Privileg der britischen Apotheker. Seit 2006 haben Pharmazeuten in Großbritannien die Option, sich in einem sechsmonatigen universitären Lehrgang zu einem „pharmacist independent prescriber“ ausbilden zu lassen und damit mit wenigen Ausnahmen eigenständig rezeptpflichtige Arzneimittel zu verschreiben. Der Verantwortungsbereich und die Möglichkeiten, sich im Versorgungsnetz des Gesundheitswesens einzubringen, soll laut Plänen des NHS kontinuierlich ausgebaut werden, um die Patientenzufriedenheit weiter zu steigern und die Zukunftsfähigkeit des NHS nachhaltig zu sichern.

Fortsetzung folgt …


Quelle:

  • IQVIA | Internationale Insights – Daten und Fakten zur britischen Apotheken-Landschaft – Teil 1