Der Blick über die Grenze – Irland

Heute wendet sich unser Blick in Richtung Nordwesten Europas. Irland hat 84 % der Fläche Österreichs, ist aber viel dünner besiedelt und hat nur rund 5 Millionen Einwohner. Auf der grünen Insel gibt es deutlich weniger Krankenhausbetten und Ärzte pro 1.000 Einwohner, allerdings keinen Apotheken-Gebietsschutz und dadurch mehr Apotheken, und zwar 1.885 öffentliche und weitere 75 Hospitalapotheken sowie einige hausärztliche Apotheken. Damit verfügt Irland im Vergleich zu Österreich über mehr als doppelt so viele Apotheken pro 100.000 Einwohner. Unabhängige Apothekenketten sind auf dem irischen Markt erlaubt, die größten Ketten sind Boots, Lloyds und Allcare mit jeweils ca. 90 Filialen. Weiters gehören etwa 300 Apotheken mittleren und kleinen Apothekenketten an, die überwiegend im Besitz irischer Apotheker sind. E-Commerce ist mit einigen Einschränkungen für rezeptfreie Präparate gestattet. Die meisten Apothekenketten nutzen Internetplattformen, um mit dem Verkauf von OTC-Produkten eine Marketingmaßnahme für ihre Apotheke zu setzen. Eine sehr kleine Anzahl von Apotheken bietet Kunden bei monatlicher Mitgliedschaft Rabatte. Medikamente sind in Irland apothekenexklusiv, die Preise von nichtverschreibungspflichtigen Präparaten können allerdings von Apotheke zu Apotheke stark variieren. Es gibt zwar keine 24-Stunden-Apotheken, doch viele Filialen haben unter der Woche bis 21 oder 22 Uhr geöffnet und manche sogar an Sonn- und Feiertagen. In der Nacht sind Arzneimittel nur in Krankenhäusern erhältlich.

Impfen in Apotheken

Grippeimpfungen dürfen in irischen Apotheken seit 2011 durchgeführt werden. Während in der Saison 2011/12 etwa 9.000 Personen in Apotheken geimpft wurden, waren es 2016/17 bereits fast 80.000. Seit dem heurigen Jahr ist es möglich, sich in ausgewählten Filialen auch gegen Corona impfen zu lassen. In Irland ist die Bevölkerung bereits zu 65 % vollständig geimpft, in Österreich vergleichsweise zu 58 %.

Oft kritisiertes Gesundheitssystem

Die Kritik am irischen Gesundheitswesen erfolgt vor allem wegen der langen Wartezeiten auf Arzttermine. Nur privat Versicherte haben freie Arztwahl. Obwohl das irische Gesundheitssystem öffentlich finanziert wird, müssen die Arztkosten in der Regel selbst getragen werden, sofern es sich nicht um einen Notfall handelt. Je nach Einkommen werden gewisse Gesundheitskosten von der öffentlichen Hand getragen. Personen mit sehr geringem oder keinem Einkommen erhalten eine „medical card“ mit kostenfreiem Zugang zum Gesundheitssystem, alle anderen müssen für Medikamente, medizinische Behandlungen sowie Arztbesuche bezahlen. Ein Besuch beim Hausarzt kostet zwischen 50 und 70 Euro. Medizinische Betreuung für Schwangere sowie ambulante Behandlungen im Krankenhaus sind kostenlos, und es gibt Unterstützung sowie Vergünstigungen für Patienten mit chronischen Erkrankungen oder bei großem Arzneimittelbedarf.

Guter Ruf der Apotheken

Beratung wird in irischen Apotheken sehr großgeschrieben. In manchen Apotheken haben Patienten die Möglichkeit, in eigenen kleinen Räumen private Beratung zu erhalten. Im Vergleich zum Arztbesuch kann durch diesen kostenfreien Service bei geringfügigen Beschwerden viel Geld gespart werden. Die irischen Apotheker stehen in der Einschätzung der Bevölkerung ganz weit oben. Dies wird durch eine 2019 veröffentlichte Umfrage im Auftrag der Irish Pharmacy Union (IPU) belegt. Volles Vertrauen in die pharmazeutische Beratung haben 94 % der Befragten. Genauso viele würden befürworten, dass Pharmazeuten Medikamente für leichte Beschwerden verschreiben dürfen. Fast 90 % gaben an, dass immer ein Apotheker für sie da sei, wenn sie einen brauchen, während hinsichtlich der Ärzte nur etwa die Hälfte dieser Meinung war. 90 % wünschen sich von den Apotheken mehr Serviceleistungen. Die irische Apothekerschaft erhofft sich durch die positive Stimmung in der Bevölkerung Rückenwind für dringliche politische Anliegen, einerseits die Ausweitung ihrer Kompetenzen, andererseits die Anhebung ihrer Vergütungen. Apotheken mussten in den letzten Jahrzehnten aufgrund wirtschaftlicher Rezession und Beschneidung ihrer Kompensationen Einkommensverluste in Milliardenhöhe hinnehmen. Hinzu kamen finanzielle Einbußen aufgrund der Coronapandemie. Die IPU ist der Ansicht, dass das Potenzial der Apotheken nicht voll genutzt wird, denkt hierbei beispielsweise an die direkte Abgabe oraler Kontrazeptiva oder an die Erweiterung des Spektrums an in Apotheken erhältlichen Impfstoffen und sieht darin enorme Chancen für das irische Gesundheitssystem.


Quelle: IQVIA | Internationale Insights – Daten und Fakten zur irischen Apothekenlandschaft