Klimawandel wird medizinische Herausforderung

Überraschende Ergebnisse einer Apotheker Krone-Umfrage in Zusammenarbeit mit dem Newsportal RELATUS PHARM: 75,7 % der Leserinnen und Leser fürchten bereits gesundheitliche Folgen des Klimawandels. Nur 21,2 % halten das Thema für Panikmache, und 3,1 % haben dazu keine Meinung. Die Einschätzung hat aber noch wenig reale Konsequenzen: Nur für 38,2 % ist Klimaschutz in Ihrem Beruf/Ihrer Apotheke bereits Thema, für 61,8 % nicht. Knapp 36,3 % beziehen ihren Strom auch aus erneuerbaren Energiequellen.

Deutsche Apotheken unter Wasser

Wie dramatisch sich Klimaentwicklungen auswirken können, haben die Überflutungen in Deutschland gezeigt. Betroffen war auch die Gesundheitsversorgung vor Ort. Die deutsche Apothekerkammer meldete etwa, dass mindestens 65 Apotheken zerstört wurden. Die heimische Apothekerkammer sieht sich für derartige Ereignisse im Hinblick auf die Versorgung mit Medikamenten gerüstet, sagt der NÖ-Apothekerkammerpräsident Mag. pharm. Peter Gonda. Auf ein Jahrhundertereignis könne man aber nicht wirklich vorbereitet sein. Sich gegen alle Eventualitäten, die mit dieser oder höherer Häufigkeit vorkommen, 100%ig zu wappnen, würde jedes System unbezahlbar machen. Das Österreichische Apotheken-Konzessionssystem verhindere aber unnötige Ballungen der Betriebe und führe zu einer gleichmäßigen Verteilung über die Fläche, sagt er. „Da jeder Apothekenbetrieb in Österreich ein einzelnes betriebliches Individuum darstellt, unterhält auch jede Apotheke ein beträchtliches Lager, mit dem man in Krisenmomenten für Tage, meist sogar Wochen den Betrieb ohne Warenanlieferung aufrechterhalten kann.“ Der lokal verankerte individuelle Apotheker sei entsprechend vor Ort vernetzt und diene häufig als Drehscheibe diverseste Problemfelder betreffend; nicht nur bei der Arzneimittelversorgung. Es gebe aber keine dezidierten Notfallpläne, „da dem österreichischen Apothekensystem ob seiner dezentralen Organisation eine hohe Krisenresilienz quasi inhärent ist“.

Großhandel sieht sich gerüstet

Ähnlich optimistisch argumentiert der Großhandel. „Unsere Mitglieder sorgen mit ihren 23 Lagerstandorten dafür, dass jedes Arzneimittel binnen zwei Stunden am richtigen Ort, in der richtigen Qualität und in der richtigen Menge verfügbar ist. Bei einem topografisch schwierigen Land wie Österreich ist das mitunter eine echte Herausforderung“, sagt Dr. Andreas Windischbauer, Präsident des Großhandelsverbandes PHAGO. Nachsatz: „Dass man sich auf unsere Versorgungsstärke selbst bei Naturkatastrophen verlassen kann, haben wir in der Vergangenheit bereits bewiesen. Etwa beim Jahrhundert-Hochwasser 2013, als wir zu eingeschlossenen Ortschaften Arzneimittel per Zille geliefert haben. Oder beim Hochwasser 2002. Hier brachten wir die benötigten Medikamente per Helikopter zu den Apotheken in Bad Aussee und Bad Ischl.“ Was an Arzneimitteln im Land sei, bringe der Großhandel auch in von Naturkatastrophen betroffene Regionen, sagt der Herba-Chemosan-Vorstand und PHAGO-Präsident. Jeder PHAGO-Betrieb zähle zur kritischen Infrastruktur Österreichs und habe einen Notfallplan. „Wir haben sehr viel Geld in die Pläne investiert, um für die verschiedenen Ausfallsszenarien gerüstet zu sein. Wie unterschiedlich Krisen aussehen können, sehen wir gerade: egal ob Pandemie oder Hochwasser – als Arzneimittel-Vollgroßhandel sind wir gerüstet“, versichert Windischbauer.

Hitzewellen belasten Kreislauf

Ein anderes Thema sind die gesundheitlichen Folgen von Hitzewellen, vor denen Ärzte warnen. Denn Hitzewellen ereignen sich nicht nur etwa rund um das Mittelmeer, sondern auch österreichweit mit zunehmender Intensität und Dauer. Und sie stellen eine außergewöhnliche Belastung für das Gesundheitssystem, dicht bebaute Gebiete sowie die dort wohnenden Menschen dar. „Besonders für vulnerable ­Personengruppen, wie Kinder, ältere ­Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen, sind Hitzewellen eine große Gefahr. Der Hitzestress wirkt sich aber auf uns alle aus. Das Herz-Kreislauf-System ist stark belastet, die körperliche, aber auch die geistige Leistungsfähigkeit sinkt. Damit nehmen auch Gereiztheit, Aggressivität und Unkonzentriertheit zu“, erläutert Univ.-Doz. Dr. Hans-Peter Hutter, Facharzt für Hygiene und Mikrobiologie sowie Stellvertretender Leiter der Abteilung für Umwelthygiene und Umweltmedizin am Zentrum für Public Health der MedUni Wien. Und weiter: „Die Auswirkungen der Hitze werden nach wie vor unterschätzt.“ Dass etwa durch die Auswirkungen von Hitze auf den menschlichen Körper in weiterer Folge auch das Unfallrisiko erhöht ist, zeigt ein Blick auf die Verkehrsunfallstatistik: Liegt die gemessene Tageshöchsttemperatur bei 30 °C oder darüber, ereignen sich im Verhältnis zu Tagen mit 20 bis 25 °C um 73 % mehr Verkehrsunfälle mit Personenschaden – und diese mit 69 % mehr Verletzten und 57 % mehr Todesopfern. Besonders gefährlich wird die Hitze für „Einspurige“: Die Zahl der Fahrradunfälle ist mehr als dreimal so hoch, die der Motorradunfälle fast sechsmal, erklärte Armin Kaltenegger, Leiter des Bereichs Eigentumsschutz im KFV.

 

 

Mückstein startet Kompetenzzentrum

Gesundheitsminister Dr. Wolfgang Mückstein (Grüne) möchte nun im Rahmen des Schwerpunktes „Gesundheitsförderung 21+“ ein eigenes Kompetenzzentrum „Gesundheit und Klimaschutz“ installieren. „Die Klimakrise beeinflusst unsere Gesundheit und die Qualität unseres Lebens immer stärker. Deshalb ist Klimaschutz auch eine Maßnahme zur Gesundheit der Menschen“, hielt er in einer von der bundeseigenen Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) verbreiteten Medienmitteilung fest. Klimaschutz, Klimawandelanpassung und Gesundheitsförderung müssten Hand in Hand gehen. Mückstein will deshalb den Themen Umwelt und Klimawandel hohe Priorität einräumen: „Denn Maßnahmen, die auf die Verbesserung der Gesundheit abzielen und als Nebeneffekt auch zum Klimaschutz beitragen, sind in doppeltem Sinne gesundheitsförderlich.“ Mit dem neuen Kompetenzzentrum sollen mittel- und langfristig Strategien initiiert, Umsetzungs- und Forschungsaktivitäten angestoßen und die intersektorale Zusammenarbeit und Vernetzung gefördert werden. Mit der organisatorischen und fachlichen Leitung wurde die GÖG beauftragt. Synergien von Gesundheitsförderung und Klimaschutz sieht Mückstein in den Bereichen Bewegung, Mobilität, Ernährung, nachhaltige Gestaltung öffentlicher Räume, Förderung von Gesundheits- und Umweltkompetenz und Kommunikation zur Sensibilisierung für notwendige Maßnahmen. In Rahmen eines Projektcalls werden vom Gesundheits- und Sozialministerium neun Projekte in sechs Bundesländern mit insgesamt rund 300.000 Euro gefördert.