Die Folgen des Eisenmangels

Eisen ist das Zentralatom im Porphyringerüst von Hämoglobin und Myoglobin und spielt daher eine bedeutende Rolle beim Sauerstofftransport im Blut. Verwunderlich ist ein Eisenmangel eigentlich nicht, denn nur etwa 20 % des pro Tag mit der Nahrung aufgenommenen Eisens können tatsächlich aufgenommen werden. Schuld daran sind die oft mangelhafte Resorbierbarkeit sowie die komplizierten physiologischen Regulationsmechanismen. Damit Eisen beispielsweise überhaupt im Körper transportiert werden kann, muss es an sein Transportprotein Transferrin gebunden werden. Dieses bringt Eisen quasi als Trojanisches Pferd zu den roten Blutkörperchen. Komplex wird es auch, da Eisen in freier Form zellschädigend wäre. In Leber, Milz und Knochenmark liegt es daher in seiner Speicherform Ferritin vor. Nur ein sehr geringer Teil ist hingegen im Blut nachweisbar; aussagekräftig für einen Eisenmangel ist daher immer der Ferritinspiegel.

Müdigkeit durch Eisenmangel?

Als klassische Symptome eines Eisenmangels gelten körperlicher und geistiger Leistungsabfall und Müdigkeit. Gerade in Zeiten der Frühjahrsmüdigkeit bekommt daher dem Eisenmangel eine besondere Bedeutung. Viele Multivitaminpräparate enthalten nämlich eine relativ hohe Dosis an Eisen. Die Eisensubstitution dürfte dabei gegen die Abgeschlagenheit helfen. In einer Studie haben schweizerische Wissenschaftler nämlich nachgewiesen, dass Frauen, die Eisen eingenommen hatten, sich besser fühlten als die Frauen der Vergleichsgruppe (Vaucher P. et al.; CMAJ 2012). Andererseits kann die konstante Einnahme von hoch dosierten Eisenpräparaten – auch in Kombinationspräparaten – mit der Zeit zu erhöhten Eisenwerten im Blut führen. Man sollte daher dem Kunden beim Verkauf eines Eisenpräparates immer eine Laborkontrolle nach einigen Monaten anraten bzw. bei Multivitaminpräparaten mit hohen Eisenwerten immer auf Einnahmepausen oder auf die Möglichkeit der Ausleitung von Schadstoffen durch pflanzliche Produkte hinweisen.

Zu viel Eisen?

Ein Zuviel an Eisen im Körper zeigt sich nicht durch einen hohen Serumeisengehalt, sondern ebenfalls durch hohe Ferritinwerte. Das überschüssige Eisen wird primär in den Makrophagen des retikuloendothelialen Systems der Milz und der Leber gespeichert. Mit zunehmender Eisenüberladung nimmt auch der Eisengehalt von parenchymatösen Organen, insbesondere der Leberzellen, zu. Das Leberparenchym wird frühzeitig in Mitleidenschaft gezogen, gefolgt von den Herzmuskelzellen und endokrinen Zellen des Pankreas. Kurioserweise dient zur Therapie des Eisenüberschusses immer noch der Aderlass, bei dem wöchentlich bis zu 500 ml Blut aus der Vene entnommen werden, was zu einer Reduktion des Eisengehaltes von etwa 250 mg Eisen führt.

Eisenmangel – typische Frauenkrankheit

Eisenmangel ist selbst in den modernen Industrienationen nicht zu unterschätzen. Fast 10 % der Bevölkerung weisen einen Mangel an dem Mineralstoff auf, insbesondere Frauen sind betroffen: etwa 40 % im gebärfähigen Alter haben kaum Eisenreserven. Schuld daran ist v. a. der Blutverlust durch die Menstruation und die gendermäßig differenzierte Ernährung der Frauen mit einem geringeren Fleischkonsum. In Fleisch, Fisch und Geflügel liegt Eisen vorwiegend gebunden in den Proteinen Myo- und Hämoglobin vor. In der Darmzelle existiert ein spezieller Rezeptor für dieses gebundene Eisen, weshalb es sehr gut resorbiert werden kann. Auch in Milchprodukten ist übrigens Eisen enthalten, allerdings an das Protein Laktoferrin gebunden. Diese Verbindung wird jedoch über einen anderen Rezeptor aufgenommen.

Gastritis und Darmerkrankungen

Dass eine Gastritis die Resorption von Eisen aus dem Magen erschwert, ist leicht verständlich. Zu bedenken ist allerdings auch, dass die häufig verschriebenen PPI die Resorption von Eisen ebenfalls stören. Da Eisenpräparate in der Regel morgens auf nüchternen Magen zugeführt werden, sollte der PPI, um Wechselwirkungen zu vermeiden, erst abends vor dem Essen eingenommen werden. Ein ganz anderes Problem stellt die Eisensubstitution bei entzündlichen Darmerkrankungen dar. Bei Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn kann eine orale Eisensubstitution häufig gastrointestinale Nebenwirkungen verursachen, sodass die Entzündungsaktivität ansteigt. Maximal 10 % des Eisens werden nämlich im oberen Dünndarm resorbiert, der Großteil gelangt hingegen in das bereits irritierte Kolon.

Wertigkeit: zwei vor drei

Die Wertigkeit des Eisenions, tierische oder pflanzliche Herkunft sowie die Löslichkeit des Eisenkomplexes sind für die Bioverfügbarkeit verantwortlich. Um gut resorbiert werden zu können, muss Eisen in freier, dissoziierter Form vorliegen. Pflanzliches Eisen liegt als Fe3+-Ionen meist in einem festen Komplex mit Kohlenhydraten vor und ist daher nur schwer löslich. Dazu kommt noch, dass das spezielles Transportsystem für Eisen – divalent metal transporter-1 (DMT1) – nur Fe2+-Ionen in die Darmzelle transportieren kann (Lam-Yuk-Tseung S et al.; Biochemistry 2005). Problematisch wird es dabei, weil pflanzliches Eisen fast ausschließlich in 3-wertiger Form vorliegt. Daher ist eine Substitution mit 2-wertigem Eisen bei Eisenmangel eindeutig zu bevorzugen.

Vorsicht Wechselwirkung

Die Interaktion von Tetrazyklinen mit Eisen ist hinlänglich bekannt. Weit weniger berücksichtigt man aber die Wechselwirkung von Eisen mit Levothyroxin. Durch Komplexbildung wird hier die Wirkung des Schilddrüsenhormons abgeschwächt (Campbell, N et al., Ann Intern Med 1992). Da sowohl eisenhaltige Arzneimittel als auch Levothyroxin morgens nüchtern eingenommen werden, wird es schwierig, einen Einnahmeabstand von 2 Stunden einzuhalten. Hier empfiehlt sich, das Eisenpräparat eine halbe Stunde vor dem Mittag- beziehungsweise Abendessen oder bei schlechter Verträglichkeit zu diesen Mahlzeiten mit einem Glas Orangensaft einzunehmen. Aber auch die Aufnahme von Eisen selbst kann z. B. durch Nahrungsergänzungen reduziert werden. Gerade pflanzliche Polyphenole können bereits dissoziiertes Eisen im Gastrointestinaltrakt binden. Ein Einnahmeabstand ist hier unbedingt anzuraten.

Eisentherapie bei Dyspnoe

Im Tarageschehen relativ unbemerkt ist der Einsatz von Eisensubstitutionen bei Erkrankungen, die mit Dyspnoe einhergehen. Basis dieser Therapieoption ist eine mögliche Anämie bei chronischen Erkrankungen. Gerade bei chronischen Entzündungen oder Tumorerkrankungen kommt es oft zur Freisetzung von Zytokinen, welche den Eisenstoffwechsel beeinflussen. Die Leber bildet vermehrt Hepcidin, das in Darmzellen und Makrophagen die Abgabe von Eisen in das Blut hemmt. Die Folge ist ein funktioneller Eisenmangel, der relativ selten frühzeitig entdeckt wird. Aktuelle Studien belegen, dass durch die Korrektur eines Eisenmangels bei funktioneller Eisenmangelanämie die Dyspnoe verbessert und sogar erythropoesestimulierende Substanzen eingespart werden können (Toblli et al., J Am Coll Cardiol 2007).

Eisen und Alzheimer

Im Gehirn von Alzheimer-Patienten dürften sich Fe2+-Ionen anreichern und die Neuronen schließlich zum Absterben bringen. Grund dafür scheint ein Funktionsverlust des Amyloid-Precursor-Proteins (APP) zu sein, eines Vorläuferproteins, aus dem durch Spalten Beta-Amyloid entsteht. APP gilt als der Hauptverursacher der charakteristischen Amyloid-Plaques im Gehirn von Alzheimer-Patienten. Darüber hinaus fungiert APP offenbar auch als Transportprotein, das Eisen aus der Nervenzelle hinausbefördert. Kann APP seinen Aufgaben nicht mehr nachgehen, sammeln sich die für die Zellen schädlichen Fe2+-Ionen im Inneren der Nervenzellen daher bis zu einem toxischem Level an (Satoru O et al., Advances in Pharmacological Sciences Volume 2011).

Eisenmangel bei Sportlern

Selbst Hobby-Sportler betreiben ihr Training vor allem im Ausdauerbereich oft sehr intensiv. Das Risiko eines Eisenmangels darf daher nicht unterschätzt werden. Abhängig von der Sportart und vom Trainingsumfang kann der Eisenverlust bei Sportlern bei ca. 2 mg pro Tag liegen und ist damit etwa doppelt so hoch wie normal. Rasche Erschöpfung, reduzierte aerobe Kapazität, erhöhter Puls und erhöhte Laktatwerte können die Folge der eingeschränkten Sauerstoff-Transportfähigkeit des Blutes sein. Vor einer Eisensubstitution sollte jedoch ein komplettes Blutbild angeraten werden.

 

Facts zur Eisensubstitution
  • Für eine optimale Aufnahme empfiehlt es sich, zweiwertige Eisenpräparate ungefähr eine Stunde vor den Mahlzeiten und dreiwertige Eisenpräparate mit den Mahlzeiten zu sich zu nehmen
  • Die Behandlungsdauer bei völlig erschöpften Eisenreserven beträgt 3–6 Monate. Eine Kontrolle der Laborwerte ist daher frühestens nach 3 Monaten sinnvoll.
  • Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Verstopfung oder Magenkrämpfe sind leider häufig. Durch zusätzliche Vitamin-C-Gabe kann zwar mehr Eisen aufgenommen werden, aber die Nebenwirkungen können sich verstärken.
  • Mit Infusionen können gastrointestinale Nebenwirkungen umgangen und die Resorption verbessert werden.