Hoher Aufklärungsbedarf bei der Notfallkontrazeption

Aus Studien geht hervor, dass der Großteil der ÖsterreicherInnen verhütet, zumeist mit der „normalen Pille“ oder dem Kondom. „Der Verhütungswille, insbesondere bei Jugendlichen, ist groß“, bestätigte DSA Bettina Weidinger, Österreichisches Institut für Sexualpädagogik, anlässlich einer Fortbildungsveranstaltung der Landesgeschäftsstelle Wien der ÖAK. „ABER: an der Umsetzung mangelt’s. Kein Wunder, denn es treffen emotionale (Spontan-)Situationen auf rationale Entscheidungen.“ Als Sofortmaßnahme zur Verhinderung einer Schwangerschaft sind Notfallkontrazeptiva verfügbar. Als Gründe für die Einnahme der „Pille danach“ werden in einer aktuellen Umfrage* das geplatzte oder verrutschte Kondom (48 %), ein ungeplanter und ungeschützter Geschlechtsverkehr (26 %) oder Anwendungsfehler bei der Einnahme von oralen Kontrazeptiva (22 %) angegeben. „64 % der Anwenderinnen sind in einer festen Beziehung. Das durchschnittliche Alter bei der ersten Verwendung der „Pille danach“ liegt bei 22 Jahren“, berichtete Roswitha Wachtler, Projektleiterin der Umfrage.

Know-how ist verbesserungswürdig

Zur Notfallkontrazeption haben sich sowohl hormonelle Methoden (z. B. „Pille danach“) als auch mechanische Methoden (z. B. Kupferspirale) bewährt. Zur hormonellen Notfallkontrazeption stehen Östrogen-Gestagen-Kombinationen (YUZPE-Methode), reine Gestagenpillen (z. B. Levonorgestrel) und selektive Progesteronrezeptormodulatoren (z. B. Ulipristalacetat) zur Verfügung. „Die Levonorgestrel-Pille ist doppelt so gut wirksam wie die mittlerweile veraltete und nicht zu empfehlende YUZPE-Methode, und das Risiko für Nebenwirkungen ist um 20 % niedriger. Die „Pille danach“ mit dem Wirkstoff Levonorgestrel bewirkt eine Ovulationshemmung, wird rezeptfrei abgegeben und kann bis maximal 72 h nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr angewendet werden. Idealerweise sollte sie aber innerhalb eines Zeitfensters von 12 h nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr eingenommen werden“, empfiehlt OÄ Ass.-Prof. Dr. Daniela Dörfler, Universitätsklinik für Frauenheilkunde, MUW Wien. Doch nur etwa 50 % der Anwenderinnen halten sich daran*. „Deshalb sollte im Beratungsgespräch an der Tara konsequent nach dem Zeitpunkt des Verkehrs gefragt werden. Gehen Sie aber behutsam vor, da das Nachfragen ein großer Eingriff in die Privatsphäre ist. Machen Sie deutlich, dass das unbedingt erforderlich ist, damit das richtige Notfallkontrazeptivum mitgegeben werden kann“, so DSA Weidinger. Immerhin 31 % sind der Meinung, dass die Levonorgestrel-Pille rezeptpflichtig ist, was seit Dezember 2009 nicht mehr der Fall ist. Auch hier kann an der Tara wertvolle Aufklärungsarbeit geleistet werden, um ungewollte Schwangerschaften und damit verbundenes Leid zu verhindern. Liegt der Koitus länger als drei Tage zurück, kann vom Arzt die rezeptpflichtige Ulipristalacetat-Pille verschrieben werden. Sie kann ebenfalls zu einer Hemmung oder Verzögerung der Ovulation führen und dadurch eine ungewollte Schwangerschaft verhindern – und sie wirkt bis zu fünf Tage postkoital. „In Einzelfällen kann die Einlage einer Kupferspirale bis zu fünf Tage postkoital erfolgen und eine Verhinderung der Nidation gewährleisten, wenngleich es eine selten angewendete mechanische Methode ist“, schilderte Dörfler.

Notfallkontrazeptiva sind keine Abortiva

Auch über die Wirkung der „Pille danach“ kursieren unter den Anwenderinnen viele Fehlinformationen*: 73 % glauben, dass das Einnisten der befruchteten Eizelle in die Gebärmutter unterbunden wird, und 42 %, dass Notfallkontrazeptiva auch nach dem Eisprung wirken. 15 % sind der Auffassung, dass Notfallkontrazeptiva eine bestehende Schwangerschaft abbrechen. Alle diese Annahmen sind falsch. „Sowohl die Levonorgestrel- als auch die Ulipristalacetat-Pille – und das zeigen viele Studien – wirken sich NICHT auf eine bestehende Schwangerschaft aus. Sie verursachen auch keine ektopischen Schwangerschaften bzw. Fehlgeburten“, versicherte Dörfler. „Zudem treten bei beiden Wirkstoffen keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auf, und 90 % der leichteren unerwünschten Wirkungen klingen innerhalb weniger Tage ab.“

Wichtige Hinweise im Beratungsgespräch

Die Levonorgestrel- als auch Ulipristalacetat-„Pille danach“ kann zu jedem beliebigen Zeitpunkt des Menstruationszyklus eingenommen werden. Sollte einmal auf die Einnahme der herkömmlichen Pille vergessen worden sein und es deshalb zu ungeschütztem Geschlechtsverkehr kommen, kann die „Pille danach“ eine ungewollte Schwangerschaft verhindern. Bis zum Ende des Zyklus sollte jedoch ein Kondom verwendet werden und es wird empfohlen, die restlichen Anti-Baby-Pillen bis zum Ende des Zyklus’ einzunehmen. Zudem sollte auf Wechselwirkungen hingewiesen werden: so erfolgt eine Abnahme der Wirksamkeit durch CYP3A4-Induktoren (z. B. Johanniskraut) bzw. eine Wirkverstärkung durch CYP3A4-Inhibitoren (z. B. Ketoconazol).

 

Quelle: „Notfallkontrazeption“, Fortbildungsabend der Landesgeschäftsstelle Wien der Österreichischen Apothekerkammer, 13. Februar 2013, Wien.
*Studie von meinungsraum.at über Notfallverhütung in Österreich; Durchführung Okt. 2012; n = 310 Computer-assisted Web Interviews