Die Nationalratswahl rückt Gesundheit in den Hintergrund

Die Apotheker Krone hat sich die Wahlprogramme der Parteien angesehen. Dabei findet sich viel Allgemeines und einige durchaus interessante Punkte – wenn auch die aktuell diskutierten Themen wie Nachtdienstreform, Lieferengpässe, Spannen und Hausapothekendebatte nicht gestreift werden. Die ersten öffentlichen Debatten der Spitzenkandidaten haben allerdings durchaus gezeigt, dass es solche Themen auch kurzfristig auf die Agenda schaffen können.

ÖVP für Selbstbehalte

Ein klassisches Wahlprogramm hat die ÖVP nicht vorgelegt. Ähnlich wie 2017 will man Themen erst Schritt für Schritt veröffentlichen. Der ehemalige Kanzler Sebastian Kurz wirbt aber mit 100 Projekten: „In unserem Sozialstaat ist es besonders wichtig, eine nachhaltige Lösung in der Pflegefrage zu finden. Die Pflege wird aufgrund der steigenden Lebenserwartung zu einem immer größeren Thema. Deshalb soll die Pflegeversicherung als fünfte Säule der Sozialversicherung neben der Kranken-, Pensions-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung eingeführt werden. Dazu soll die AUVA zu einer Allgemeinen Unfall- und Pflegeversicherungsanstalt weiterentwickelt werden.“ Im Grundsatzprogramm der ÖVP heißt es: „Wir setzen uns dafür ein, dass der Zugang zu Gesundheitsleistungen gesichert ist. Dies muss in Österreich für jeden unabhängig von finanzieller Situation, sozialem Status und Wohnort gewährleistet sein.“ Die gesetzliche Krankenversicherung sei für die ÖVP ebenso unverzichtbar wie die freie Arztwahl. Man setze sich für ein System ein, das die Eigenverantwortung der Menschen für ihre Gesundheit aktiviert und unterstützt. „Wer sich für die eigene Gesundheit aktiv engagiert, soll belohnt werden. Dies fördert unter anderem die Einführung von Selbstbehalten bei gleichzeitiger Reduktion der Sozialversicherungsbeiträge.“

SPÖ will Wartezeiten senken

Ähnlich wie die ÖVP legt auch die SPÖ zum Wahlkampfstart kein Wahlprogramm vor. In den „Leitlinien zum Wahlprogramm“ vom 13. Juli finden sich dennoch einzelne Gesundheitspunkte der Partei. Zum einen will man „die Scherben der letzten Monate wegräumen“ – gemeint sind die Reformen von Schwarz-Blau. Die SPÖ garantiert den gleichberechtigten Zugang zu einem öffentlichen und solidarisch finanzierten Gesundheitssystem für alle Menschen. „Niemand darf in Österreich länger auf eine Behandlung warten müssen, weil er oder sie weniger Geld, keine Beziehungen hat oder am Land lebt. Wir stehen für ein Gesundheitssystem, in dem alle Menschen pflichtversichert und unabhängig von privat finanzierten Zusatzleistungen optimal versorgt werden.“ Alle Versicherten sollen die gleich guten medizinischen Leistungen erhalten und Selbstbehalte abgebaut werden. Alle Kinder müssten versichert sein, und die Mutter-Kind-Pass-Leistungen sollen ausgeweitet, modernisiert und serviceorientierter werden. Die „verfassungskonforme demokratische Verfassung“ der Sozialversicherungsträger ist der SPÖ ein zentrales Anliegen. „Die Versicherten müssen im entsprechenden Verhältnis in den Vertretungskörpern der Selbstverwaltung repräsentiert sein.“

FPÖ will bei Spitälern sparen

Die Freiheitlichen verbuchen vor allem die Fusion und Reform der Krankenkassen als Erfolg. Im Wahlprogramm selbst findet sich kein eigener Gesundheitspunkt. Lediglich im Punkt „Alter“ finden sich Hinweise bei der Finanzierung der Pflege: Beim Thema „Mehr Geld für die häusliche Pflege“ legt die FPÖ ein Konzept vor, wie Gesundheit und Pflege ohne neue Steuererhöhungen finanziert werden können. Österreich habe etwa doppelt so viele Akutbetten wie der Schnitt der EU-Mitgliedstaaten. „Viele Patienten sind im falschen Bett untergebracht. Allein dieser Missstand verursacht einen Mehraufwand von 4,75 Milliarden Euro im Jahr. Es ist daher die Aufgabe der Politik, Gesundheit und Pflege besser zu organisieren und nicht nach dem Geld der Bürger zu greifen.“ Im Parteiprogramm steht: „Wir bekennen uns zum politischen Anspruch, Mehrklassenmedizin im staatlichen Gesundheitswesen nicht zu fördern. Das öffentliche Gesundheitswesen hat Privilegien aufgrund der sozialen Herkunft oder religiösen Orientierung auszuschließen.“ Für Bürger aus dem Ausland sei der Zugang zu Leistungen des österreichischen Gesundheitswesens durch ein eigenständiges Sozialversicherungssystem sicherzustellen.

NEOS mit breiten Forderungen

Die gesetzlich verankerte Primärversorgung soll nach Ansicht der NEOS flächendeckend umgesetzt werden. Es müsse künftig möglich sein, dass auch nichtärztliche Berufsgruppen die Leitung einer Primärversorgungspraxis übernehmen können. Weitere Punkte im Kapitel „Gesundheit“ im Wahlprogramm: Gemeinschafts- und Gruppenpraxen ermöglichen; Tagesklinischen Bereich ausbauen; Community Nurse und selbstbestimmte Pflege stärken; Einschreibmodelle für „Strukturierte Versorgung“ von chronisch Kranken; Einschreibmodelle für „Hausarztzentrierte Versorgung“ (Verpflichtung, zuerst zum Hausarzt zu gehen – außer in Notfällen. Dafür niedrigere Beiträge); Wahlfreiheiten bei Versicherungen stärken; Wahl der Versichertenvertreter bei „Sozialwahlen“ und nicht über Kammern; Bedarfsplanung objektivieren; Gesundheitsverwaltung effizienter und effektiver machen (Zusammenführung von Kassen und Spitalsfinanzierung); Ausbildungsreform für Ärzte umsetzen; Gesundheitsförderung und Prävention ausbauen; Kinder- und Jugendgesundheit fördern; Psychosoziale Versorgung fördern; Leistungskataloge vereinheitlichen; Verpflichtende Basisversicherung mit freiwilliger Erweiterung; Finanzierung aus einer Hand.

JETZT für Cannabis in der Medizin

Auch die Liste JETZT legt kein eigenes Wahlprogramm vor, präsentiert aber einen in Stichworten gehaltenen Forderungskatalog. Beim Thema „Gesundheit“ finden sich folgende Punkte: Stopp der Abwanderung von Kassenärzten ins Wahlarztsystem durch bessere Kassenverträge; Einführung der Impfpflicht; Lohn statt Pflegesklaverei (Einführung eines effizienten und fairen Pflegesystems); Freigabe von Cannabis in der Medizin; Abschaffung der Höchstbeitragsgrenzen in der Krankenversicherung; nur noch vier Sozialversicherungsanstalten: Pensionsversicherung für Selbständige und für Unselbständige, Krankenversicherung und Unfallversicherung für alle; Selbstverwaltung der Sozialversicherung durch Beitragszahler („Gegen die türkisblaue Entmachtung der Arbeitnehmer in der Sozialversicherung“).

GRÜNE für drei Kassen

Einkommen, Bildung, Arbeits- und Wohnverhältnisse, soziale Integration und Umweltfaktoren wie die Klimakrise seien in Österreich wesentliche Einflussfaktoren für die Gesundheit der Menschen, schreibt die Ökopartei. Zugleich würden immer mehr Leistungen der Krankenversicherung eingeschränkt und sind je nach Versicherung unterschiedlich. Das führe zu immer mehr Privatzahlern, langen Wartezeiten oder zu Nicht- oder Mangelbehandlung. Ein wichtiger Schwerpunkt ist den GRÜNEN die Gesundheit der Kinder. „Wir wollen das gesunde Aufwachsen fördern, präventive Maßnahmen verbessern und vor allem ein ausreichendes Angebot an kostenlosen Therapien für Kinder und Jugendliche schaffen.“ Wichtig sei zudem die langfristige Finanzierungssicherheit. „Es bleibt eine Kernaufgabe des Staates, eine Gesundheitsversorgung zu ermöglichen, die einkommensunabhängigen und nichtdiskriminierenden Zugang gewährt.“ Großer Veränderungsbedarf bestehe in der Umschichtung finanzieller Mittel von Spitalsstrukturen in den niedergelassenen Bereich. Die GRÜNEN treten für eine einheitliche Krankenversicherung, Pensionsversicherung und Unfallversicherung für alle Menschen ein.

 

Gesundheitsberufe fordern massive Erhöhung der Gesundheitsbudgets

Österreichs Gesundheitsberufe fordern eine deutliche Erhöhung der Gesundheitsausgaben auf 12 Prozent des Bruttoinlandsproduktes – derzeit liegen sie bei 10,3 Prozent mit leicht sinkender Tendenz. Ärztekammer, Apothekerkammer und Pharmaindustrie verlangen von den politischen Parteien und der künftigen Bundesregierung, dass die Gesundheitsversorgung gestärkt und ausgebaut wird, damit Österreich nicht im Vergleich zu anderen Ländern ins Hintertreffen gerät.

Unbesetzte Kassenstellen, überlastete Spitäler, personelle Lücken bei einer gleichzeitig steigenden Lebenserwartung der Bevölkerung – das sind einige der gesundheitspolitischen Herausforderungen, mit denen sich die zukünftige Regierung nach Ansicht der Ärztekammer befassen muss. „Österreich hat eine ausgezeichnete medizinische Versorgung – und das soll auch so bleiben“, sagte Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer. „Wir dürfen nicht zulassen, dass wir die internationale Spitzenposition verlieren, weil wir mit anderen Ländern nicht schritthalten können“, betont auch Ulrike Mursch-Edlmayr, Präsidentin der Österreichischen Apothekerkammer.