„Die Sparpotenziale liegen vor allem in den Prozessen“

Sie sind seit Anfang Juli Generaldirektor der ÖGK, die in kurzer Zeit alle neun Gebietskrankenkassen zusammenführen soll. Bis zu 400 Millionen Euro soll die Reform der Krankenkassen kosten, sagt ein Gutachten. Die Ex-Regierung hat umgekehrt eine „Patientenmilliarde“ versprochen. Werden Sie das schaffen?

Wir sollten die Zahlenspiele irgendwann beenden und müssen jetzt einfach alles für den Start am 1. 1. 2020 vorbereiten. Natürlich wird die Fusion etwas kosten. Die Höhe der Fusionskosten hängt aber auch davon ab, wie man sie darstellt. Die Frage ist etwa, ob die Arbeit von internen Beschäftigten auch eingerechnet wird oder nicht. Wir haben aktuell 400 Leute, die in 62 Projekten die Fusion vorbereiten. Ich bin überzeugt, dass in den Prozessen, die wir neu aufsetzen, das meiste Potenzial liegt. Die Frage dabei ist, mit wie vielen Dingen wir uns bisher neunmal beschäftigen und künftig nur noch einmal. Nehmen wir etwa IT-Standardprodukte im Bereich von Schreiben der Krankenkasse – etwa über Vorschreibungen oder laufende Informationen an Dienstgeber. Solche sogenannten Formulare gibt es Tausende innerhalb der Kassen, die nur teilweise einheitlich sind. Gibt es eine Änderung – etwa per Gesetz – müssen diese angepasst werden. Manche Kassen haben aber überhaupt eigene Vorlagen entwickelt. Künftig ist das einfach nur einmal zu ändern. Es gibt viele Leute innerhalb der Kassen, die sich wünschen, dass das endlich vereinfacht wird. Das ist aber schwer zu beziffern, was es bringt. In jedem Fall schafft es Freiräume, wo sich die Beschäftigten dann um andere Dinge kümmern können.

Welche sind das etwa?

Am Ende des Tages müssen wir das Service für unsere Versicherten verbessern und die Zusammenarbeit mit den Vertragspartnern. Die Medizin entwickelt sich derzeit in allen Bereichen sehr rasant. Manchmal sind wir aber noch Passagier im Gesundheitswesen und werden von Neuentwicklungen getrieben, die uns von Stakeholdern angeboten werden, wo wir aber nicht wirklich einschätzen können, was so eine Neuentwicklung wirklich bringt und kostet. Wenn wir aber die Versorgung für die Zukunft planen wollen, müssen wir proaktiv schauen, was sich tut, welche Produkte und Entwicklungen kommen und wo etwa unsere Vertragspartner selbst Kosten sparen. Wenn wir freie Ressourcen im personellen Bereich schaffen, können wir uns viel stärker ansehen, was sich künftig im technologischen Bereich tut und entscheiden, was wir für unsere Versicherten brauchen oder nicht mehr brauchen und was wir dafür zahlen wollen. All das kommt wiederum den Versicherten zugute.

Wirtschaftsprofessor Werner Hoffmann hat für das Sozialministerium das angesprochene Gutachten gemacht und einerseits gefordert, bei den Vertragspartnern die Einkaufsmacht auszuspielen, und andererseits auch bis zu 1.500 Beschäftigte einzusparen. Ist das der von Ihnen angedeutete Plan?

Wenn jemand glaubt, die gesamte Reform auf 29 Seiten kommentieren zu können, halte ich das für mutig. Herr Hoffmann soll mir bitte sagen, wer diese Leute sind, ich kenne sie nicht und habe sie auch noch nicht gefunden. Wir haben wie gesagt die Chance, auch attraktive Modelle mit allen Partnern zu entwickeln und uns Innovationen anzusehen. Wir sind einer der größten Sozialversicherungsträger im deutschsprachigen Raum – das war vorher nicht so. Natürlich schafft die Größe mehr Möglichkeiten auch bei unangenehmen Entscheidungen, aber auch kürzere Entscheidungswege. Es gibt etwa in ganz Österreich viele Pilotprojekte. Manche davon schleppen wir mit, obwohl wir wissen, dass sie nicht funktionieren; andere, erfolgreiche Projekte bringen wir nicht in den Regelbetrieb, weil man herumstreitet, wer es wie finanziert. Dass man mich nicht missversteht: Es geht jetzt nicht darum, Projekte in den Ländern abzudrehen, sondern mutig zu entscheiden, was funktioniert und man weiterverfolgen sowie österreichweit ausrollen will und was eben nicht. Generell gilt aber wie gesagt: Wir wollen immer die optimalste Lösung für unsere Versicherten.

Dann kommen wir gleich zu einem aktuellen Thema: Lieferengpässe. Die Apotheken wünschen sich als Ausweg die Möglichkeit, bei Rezepten im Fall der Nichtverfügbarkeit auch ohne Rücksprache mit dem Arzt wirkstoffgleiche Produkte abgeben zu können.

Für uns und unsere Versicherten ist zentral, dass die Lieferbarkeit aller Medikamente sichergestellt ist. Hier muss man deshalb Lösungen finden und nicht diskutieren, wie man mit Engpässen umgehen kann. Lieferengpässe haben unter anderem den Grund darin, dass in Österreich eingekaufte Medikamente exportiert werden. Es geht nicht, dass Medikamente, die für den österreichischen Markt bestimmt sind, ins Ausland gebracht werden, wo mehr dafür bezahlt wird. Das ist aus Sicht der Versorgung unzulässig. Man muss in die Detailanalyse gehen und sehen, woran die Probleme liegen und wie man sie beheben kann. Im Hinblick auf Exporte sind allerdings die Apotheker auch aufgefordert, etwas gegen einzelne schwarze Schafe zu unternehmen.

Das zitierte Gutachten betont, dass der Erfolg der Reform und der Fusion immer am Management liegt und weniger daran, ob die Fusion überhaupt sinnvoll ist. Nehmen Sie diese Herausforderung an?

Natürlich ist am Ende immer das Management schuld, wenn es nicht gelingt. Das nehme ich aber auf mich. Ich bin zu 100 Prozent überzeugt, dass die Fusion funktioniert und bin auch angetreten, um das zu realisieren. Und dann gilt: der Sieg hat viele Väter.