Einfluss von Bewegung auf die koronare Herzkrankheit

Die koronare Herzkrankheit (KHK) verursacht mehr Todesfälle, Folgeerkrankungen und größere wirtschaftliche Kosten als jede andere Krankheit. Eine fett- und energiereiche Er­nährung, Rauchen und vor allem Bewegungsmangel sind mit dem vermehrten Auftreten von ­koronarer Herzkrankheit assoziiert.
Bei der familiären Hypercholesterinämie lassen sich bereits im Kindesalter eine eingeschränkte Endothelfunktion und subintimale Fetteinlagerungen in Makrophagen und glatten Muskelzellen der Koronararterien („fatty streaks“) beobachten. Im Laufe von mehreren Jahren kommt es zur Kalzifizierung dieser Depots und zur Entstehung fibröser Plaques. Dadurch entstehende Stenosen der Koronargefäße können bis zu einer circa 40%igen Lumeneinengung durch die Zunahme des Gefäßdurchmessers teilweise ausgeglichen werden. Bei weiterer Lumeneinengung kommt es zu flusslimitierenden Stenosen, die zu Myokardischämien führen. Wenngleich die koronare Herzkrankheit gewöhnlich einen progredienten Verlauf nimmt, so sind doch alle Stadien der Atherogenese prinzipiell reversibel. Durch konsequentes Umsetzen präventiver Maßnahmen, die intensives körperliches Training als eine wesentliche Maßnahme beinhalten, kann die endotheliale Dysfunktion normalisiert, bei einzelnen Patienten eine Regression bestehender Läsionen erreicht und eine Verringerung der belastungsinduzierten Myokardischämie erzielt werden.

Modifizierbare Risikofaktoren durch Bewegung

Die modifizierbaren Risikofaktoren der koronaren Herzerkrankung beinhalten arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Hyperlipidämie, Nikotin, Adipositas und Bewegungsmangel.1

Arterielle Hypertonie: Das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse steigt kontinuierlich mit der Höhe des arteriellen Blutdruckes. Bereits Blutdruckwerte zwischen 130 und 139 mmHg systolisch, die in Europa noch als hochnormal angesehen werden, in den USA jedoch mittlerweile als pathologisch gelten, führen zu einer erhöhten Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse. Eine konsequente und adäquate Therapie der arteriellen Hypertonie senkt das kardiovaskuläre Risiko signifikant.

Lebensstiländerungen vornehmlich mit Gewichtsnormalisierung, regelmäßigem körperlichen Ausdauertraining mit dynamischen Belastungen sowie Limitierung des Alkoholkonsums und eine Reduktion der Kochsalzzufuhr sind neben einer strengen medikamentösen Therapie angeraten.
Regelmäßige körperliche Aktivität kann das Risiko für eine arterielle Hypertonie deutlich verringern und auch zu einer signifikanten Senkung des erhöhten Blutdruckes beitragen. So konnte in einer Metaanalyse von 72 Studien eine Senkung des Ruheblutdruckes bei Patienten mit manifestem Hochdruck nachgewiesen werden.2
Während früher von Krafttraining bei Bluthochdruck abgeraten wurde, zeigen zwei rezente Metaanalysen eine Abnahme des systolischen Blutdruckes sowohl durch moderates, dynamisches Ausdauertraining2 (zum Beispiel Laufen, Radfahren, Schwimmen, Skilanglaufen) als auch durch Krafttraining3.

Diabetes mellitus: Körperliche Aktivität und – besser – körperliches Training führen zu einer Verringerung der Inzidenz von Diabetes mellitus sowie zur Senkung der Mortalität der betroffenen Patienten. Dabei führt bereits schnelles Gehen zu ­einer Senkung der kardiovaskulären und Gesamtmortalität. Folgerichtig ist körperliche Aktivität sowohl in der Primär- als auch in der Sekundärprävention ein essenzieller Bestandteil der Therapie, so ­dass eine Therapie ohne Bewegung und Aktivitätsempfehlung einen Behandlungsfehler darstellt.

Hyperlipidämie: Erhöhte Triglyzeride, vor allem aber erhöhte LDL-Cholesterin-Spiegel bei gleichzeitig verminderten HDL-Cholesterin-Spiegeln gehen mit einem hochsignifikanten Anstieg des Herzinfarktrisikos einher. Die konsequente lipidsenkende Therapie auch in der Primärprävention führt zu einer signifikanten Verbesserung der Prognose durch Senkung der Letalität und Verringerung der kardiovaskulären Ereignisse bei Risikopatienten. Körperliches Training kann hier durch eine moderate Zunahme des HDL unterstützend wirken.

Nikotin: Rauchen ist ein unabhängiger Risikofaktor für die Entstehung der koronaren Herzkrankheit und für koronare Ereignisse sowohl bei jüngeren als auch bei älteren Patienten. Der Verzicht auf Rauchen kann zu einer Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse um bis zu 50 % beitragen. Tatsächlich ist die ärztliche Empfehlung, das Rauchen aufzugeben, sowie die wiederholte motivierende Beratung eine der kosteneffektivsten Maßnahmen in der Kardiologie. Körperliches Training kann hier einen unterstützenden Beitrag leisten. Raucher, die neben der Rauchentwöhnung körperlich trainieren, haben eine höhere Erfolgsquote. Des Weiteren ist bekannt, dass das kardiovaskuläre und Gesamtmortalitätsrisiko von körperlich fitten Rauchern nur halb so groß ist wie jenes von untrainierten Rauchern.

Adipositas: Taillenumfang, Körpergewicht und BMI korrelieren signifikant mit der Gesamtmortalität. Durch Diät allein ist eine nachhaltige Gewichtsreduktion nicht zu erreichen. Tatsächlich führen langfristig alle Diätformen bestenfalls zu einer Stagnation, fast immer jedoch zu einer Zunahme des Körpergewichts. Nur durch die Kombination mit ausreichender und gezielter körperlicher Bewegung kommt es zu einer nachhaltigen Gewichtsreduktion.

Bewegungsmangel: Die WHO und alle kardiologischen Fachgesellschaften empfehlen Ausdauertraining von 30–60 Minuten pro Tag, an 3–7 Tagen/Woche, mindestens aber 150 Minuten/Woche im submaximalen Bereich. Lediglich ein Drittel der Bevölkerung gibt an, dies auch zu tun! Des Weiteren legt ein Drittel der Weltbevölkerung nicht einmal eine Gehstrecke von mindestens 10 Minuten Dauer an 5 Tagen/Woche zurück. Die Konsequenzen sind fatal. So ist körperliche Inaktivität eine der Hauptursachen für eine verkürzte Lebenserwartung, und es sind weltweit sogar mehr Todesfälle auf körper­liche Inaktivität zurückzuführen als auf Rauchen. Wer täglich weniger als 15–30 Minuten schnell geht, hat ein um 20–30 % erhöhtes Risiko, an Krebs, koronarer Herzkrankheit oder Diabetes mellitus Typ 2 zu erkranken beziehungsweise einen Schlaganfall zu erleiden; die Lebenserwartung ist dann um 3–5 Jahre verkürzt. Umgekehrt konnte in einer großen Studie gezeigt werden, dass 15 Minuten Gehen täglich das kardiovaskuläre Risiko um 14 % senkt und die Lebenserwartung um 3 Jahre verlängert.4 Für alle weiteren 15 Minuten nahm das kardiovaskuläre Mortalitätsrisiko um weitere 4 % und das Mortalitätsrisiko für Krebs um 1 % ab.

 

 

Alles sehr ernüchternde Fakten für einen eigentlich einfach zu vermeidenden Risikofaktor, dem durch regelmäßige Bewegung und besser gar durch regelmäßiges körperliches Training begegnet werden kann, die ein hohes Maß an Freude und Lebensqualität mit sich bringen.

1 Niebauer J, Circulation 2016; 133(24):2529–37

2 Cornelissen VA, Fagard RH, Hypertension 2005; 46:667–675

3 Cornelissen VA, Smart, Am Heart Assoc 2013; 2:e004473

4 Lee IM et al., Lancet 2012; 380(9838):219–29