EuGH-Urteil: Gericht sieht keine Spielräume

Pinsdorf ist eine kleine beschauliche Gemeinde südlich der Westautobahn A1 im Bezirk Gmunden. Und genau dieser Ort nahe des Traunsees schlägt derzeit hohe Wellen. Denn hier ist seit 2014 die „Land Apotheke“ von Mag. pharm. Susanne Sokoll-Seebacher. Und nach ihr ist auch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes benannt, das 2014 zu einer Lockerung der Bedarfsprüfung für Apotheken und nun auch in einer Klarstellung zu einer Aufhebung geführt hat.

Sokoll-Seebacher fühlt sich allerdings an der ganzen Causa zu Unrecht als „Schuldige“ für das Kratzen am Gebietsschutz, betont sie im Interview mit der Apotheker Krone. „Nachdem seit dem letzten EUGH-Urteil vermehrt Stimmen laut geworden sind, dass der Apothekerstand durch mein aktives Handeln in Gefahr geraten sei, erlauben Sie mir, eine sachliche Darstellung abzugeben“, schreibt sie zudem in einem Brief an die Apotheker. Sie habe 2010 um eine Konzession für eine Apotheke angesucht, und ein erstes Gutachten der Apothekerkammer sei positiv gewesen. Die BH Gmunden habe allerdings abgelehnt, weil im Nachbarort Altmünster die dortige Lilien-Apotheke betroffen wäre, da die Einwohner aus fünf Häusern näher nach Pinsdorf gehabt hätten als zur Lilien-Apotheke. Zwar hat sich das in der Zwischenzeit geklärt, da ein damals bestehender Bahnübergang geschlossen wurde, die Causa wirkt aber bis heute nach. „Der damals zuständige Unabhängige Verwaltungssenat für Oberösterreich hat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung einen Vorabentscheidungsantrag an den Europäischen Gerichtshof gestellt. Dies wurde ohne mein Wissen und Zutun gemacht“, betont Sokoll-Seebacher. Im Februar 2014 wurde vom EUGH das erste Urteil gefällt, daraufhin wurde die Konzession für Pinsdorf erteilt. Die Eigentümerin der Lilien-Apotheke erhob in der Folge Revision beim Verwaltungsgerichtshof, der 2015 die Konzession aufhob, worauf das Landesverwaltungsgericht Linz erneut den EuGH um eine Klarstellung bat, die nun eben erfolgt ist – mit weitreichender Wirkung.

Das Gesundheitsministerium hat deshalb nun prompt mit einer Verordnung reagiert, damit die Behörden wissen, was im Fall von Konzessionsanträgen zu tun ist. Das ­Schreiben liegt der Apotheker Krone vor und bestätigt die Haltung des EuGH: Das „in der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung festgelegte Kriterium einer starren Grenze der Zahl der weiterhin zu versorgenden Personen“ dürfe künftig bei der Prüfung des Bedarfs an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke in keiner konkreten Situation, die einer Prüfung unterzogen wird, Anwendung finden, schreibt das Ministerium. Vielmehr sei von den Behörden in jedem Einzelfall zu prüfen, „ob Umstände vorliegen, die im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung eine Unterschreitung der Grenze von 5500 zu versorgenden Personen gebietet“.

Nicht ganz so klar sieht man das allerdings beim Landesverwaltungsgericht in Linz (LVwG Oö). Die Neuerrichtung öffentlicher Apotheken bedürfe weiter einer Konzession. „Eine solche ist von der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde unter den Voraussetzungen des Apothekengesetzes zu erteilen“, sagt LVwG-Pressesprecher, Richter Dr. Markus Brandstetter im Gespräch mit der Apotheker Krone. Zu beachten ist, dass das Kriterium einer starren Grenze der Zahl der weiterhin zu versorgenden Personen bei der Prüfung des Bedarfs „allgemein in keiner konkreten Situation, die einer Prüfung unterzogen wird, Anwendung finden darf.“ Was das bedeutet, stellt das Gericht in der Urteilsausfertigung zum EuGH-Entscheid so dar: „Als nicht tragfähig erweist sich die von der Österreichischen Apothekerkammer in einer unmittelbaren Reaktion auf den Beschluss des EuGH in einer Presseaussendung vertretene reduktionistische Rechtsauffassung, dass ‚die Bedarfsprüfung für Apotheken ….. weiterhin aufrecht‘ bleibe, die Behörden ‚aber nun mehr Flexibilität darin‘ hätten, ‚in bestimmten Fällen Ausnahmen zuzulassen, wenn dies der Versorgung der Bevölkerung dienlich ist‘; denn diese Meinung steht sowohl im eindeutigen Widerspruch zum Gesetzestext des § 10 ApG, der den Behörden keinerlei Ermessen einräumt, als auch in Opposition zum insoweit völlig klaren Tenor des EuGH-Beschlusses.“ Die Apothekerkammer versucht deshalb möglichst rasch eine entsprechende Gesetzesänderung zu erwirken, die Klarheit bringt.

 

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