Fällt die Grippe heuer aus?

In der südlichen Hemisphäre gab es heuer so wenige Fälle der saisonalen Influenza wie nie zuvor. Sowohl die Weltgesundheitsorganisation WHO wie auch die US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) melden derzeit, dass sich in Ländern wie Argentinien, Chile, Australien, Neuseeland oder Südafrika während der dortigen Grippesaison, die derzeit zu Ende gehen sollte, sehr viel weniger Menschen mit Influenzaviren infiziert haben als in normalen Jahren. „Trotz fortgesetzter oder sogar verstärkter Influenza-Tests in einigen Ländern der südlichen Hemisphäre wurden nur sehr wenige Influenza-Erkennungen gemeldet“, vermeldet die WHO.

Corona-Maßnahmen wirken

Ursache für die Entwicklungen sind nach Ansicht von Wissenschaftern die weltweit gesetzten Maßnahmen gegen SARS-CoV-2. Da weniger Großveranstaltungen stattfanden und allgemein soziale Kontakte eingeschränkt wurden, verbreiteten sich alle Viren weniger – und damit auch Grippeviren. „Die verschiedenen Hygiene- und Distanzierungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten zur Verringerung der Übertragung von SARS-CoV-2-Viren haben wahrscheinlich eine Rolle bei der Verringerung der Übertragung von Influenzaviren gespielt“, berichtet die WHO.

Kaum Infektionen im Gesundheitsbereich

Ähnlich Schlüsse lassen auch die jüngsten Zahlen zu, die das österreichische Gesundheitsministerium zuletzt zur Entwicklung der aktuellen Infektionszahlen präsentiert hat. Kaum werden die Regelungen strenger, bremsen sich die Infektionszahlen ein. Zudem gibt es in all jenen Bereichen, in denen Regeln für Abstand, MNS und Hygiene gelten, kaum Infektionszahlen – das gilt für den Gesundheitsbereich, die Arbeitswelt, öffentliche Verkehrsmittel und auch für den Bildungsbereich. Jene Infektionen, die in Schulen bekannt wurden, wurden von außen in diese hineingebracht. Ansteckungen innerhalb der Schulen gebe es nahezu keine, sagte Daniela Schmid, Sprecherin der Corona-Kommission und Leiterin der Abteilung Infektionsepidemiologie der AGES. Das gelte auch für den Gesundheitsbereich. Der Großteil der Infektionen passierte dort, wo sich die Menschen ­wenig an Schutzmaßnahmen halten – im privaten Umfeld und bei Feiern.

Impfung dennoch wichtig

Wir vermuten, dass die Maßnahmen wie das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes und die Händehygiene positive Effekte auf alle respiratorischen Erkrankungen hatten und auch bei uns haben werden. Das ist absolut plausibel“, bestätigt Univ.-Prof. Dr. Hans-Peter Hutter, Oberarzt am AKH Wien und Stellvertretender Leiter der Abteilung für Umwelthygiene und Umweltmedizin am Zentrum für Public Health der MedUni Wien, im Interview mit der Apotheker Krone. Er warnt aber davor, jetzt etwa auf eine Grippeimpfung zu verzichten. Die Impfung schwäche auch den Verlauf einer COVID-19-Erkrankung ab, und sollte eine Grippe mit einer Corona-Infektion zusammentreffen, sei der Krankheitsverlauf mit Sicherheit viel schwerer. Zudem schwäche eine Grippe zwangsläufig das Immunsystem und mache es so auch anfälliger für Coronaviren. Ähnlich argumentiert Ärztekammer-Vizepräsident MR Dr. Johannes Steinhart: „Aufgrund der aktuellen Lage mit der Corona-Pandemie und COVID-19, das zum Teil ähnliche Symptome zeigt, hat sie an Bedeutung dazugewonnen, weil man rascher Diagnoseklarheit hat.“ Wenn ein Patient Symptome habe und grippegeimpft ist, liege die Wahrscheinlichkeit für einen COVID-19-Verdacht näher.