Gesunde Scheide – gesunde Schwangerschaft

Die Vaginalflora der fortpflanzungsfähigen Frau ist ein Ökosystem, das je nach ethnischer Herkunft von unterschiedlichen Laktobazillusarten mit pH-Werten um 4, besonders bei Frauen afrikanischer oder hispanischer Ethnie aber auch um 5 dominiert wird. Es gibt aber auch Frauen, die in der gesunden Scheide keine dieser Laktobazillen haben. Zusätzlich sind in der gesunden Vagina mindestens 50 verschiedene andere, meist anaerobe Bakterien, die teilweise aus der Darmflora stammen, in geringeren Keimzahlen zu finden. Laktobazillen, aber auch Enterokokken u. a. bilden Milchsäure und andere Stoffe zur Infektionsprophylaxe. In monogamen Partnerschaften ist die Genitalflora beider Partner sehr ähnlich.

Bakterielle Vaginose

Die wichtigste Störung (Dysbiose) dieser Flora ist die bakterielle Vaginose (BV), die bei kaukasischen Frauen mit einer Häufigkeit von etwa 20 % auftritt und für die Frau am unangenehmen Geruch des Fluors erkennbar ist. Der pH-Wert ist auf 4,5 bis 5,5 erhöht. Hier sind besonders H2O2-bildende Laktobazillen vermindert und die vaginaltypischen Bakterien Gardnerella vaginalis und Atopobium vaginae vermehrt. Sie bilden am Vaginalepithel einen polymikrobiellen adhärenten Biofilm. Dieser ist derzeit mit der leitliniengerechten Therapie (Metronidazol oral oder vaginal, Clindamycin Gel, auch Nifuratel oder Dequaliniumchlorid vaginal) nicht zu beseitigen, obwohl fast immer klinisch, mikroskopisch und durch den pH-Wert eine Heilung vorgetäuscht wird. Es kommt deshalb oft zu Rezidiven (ca. 30 % nach 3, ca. 60 % nach 6 Monaten).

Rezidivprophylaxe mit Laktobazillen

Wenn zur Rezidivprophylaxe über mehrere Wochen Laktobazillen vaginal oder oral täglich oder 2-mal/Woche und nach jedem Geschlechtsverkehr zugefügt werden, wird die Rezidivquote in placebokontrollierten doppelblinden Studien signifikant um etwa 50 % reduziert.
Zur Unterstützung können auch ansäuernde Vaginalia gegeben werden.

Folgen der Dysbiose

Die BV und alle anderen Störungen der Vaginalflora, die eine Reduzierung der Laktobazillen zur Folge haben, und die gestörte Mundflora bei Parodontitis führen zur Erhöhung der Frequenz von besonders frühen Frühgeburten (< 32. Schwangerschaftswoche), außerdem zu infektiösen Komplikationen im Wochenbett und perinatal zur Infektmorbidität des Neugeborenen.

Gleiches gilt für urogenitale Infektionen mit Chlamydia trachomatis (ca. 10 % [!] der unter 20-Jährigen, ca. 3 % der über 30-Jährigen) oder Neisseria gonorrhoeae (< 0,5 % der Frauen in Deutschland).

pH-Wert-Kontrolle empfohlen

Eine von Beginn der Schwangerschaft andauernde Laktobazillusfl ora bietet den besten Schutz vor Frühgeburten und außerhalb der Schwangerschaft vor aszendierenden Infektionen. Frauen können mit in der Apotheke erhältlichen pH-Messstreifen (an einem Plastikhandschuh oder – ökologisch günstiger – an einem Pappstäbchen) selbst 2-mal/Woche ihren pH-Wert kontrollieren. Sollte er über 4,5 liegen, soll der Arzt um eine mikroskopische Kontrolle des Vaginalinhaltes gebeten werden. Dieses seit 1994 von Erich Saling/Berlin eingeführte Frühgeburtenvermeidungsprogramm hat in prospektiven Studien mit tausenden von Frauen in Thüringen und in Wien signifikante Erfolge erzielt.

Empfehlungen bei vaginalem Juckreiz

Schwangere sind vaginal in ca. 30 % von (meist) Candida albicans kolonisiert. Eine Therapie ist nur bei einer Infektion mit klinischer Symptomatik nötig. Viele Frauen therapieren sich mit Antimykotika bei vaginalem Juckreiz, der aber in über 50 % der Fälle nicht pilzbedingt ist!

Die vaginale Gabe von Clotrimazol im 1. Trimenon führt zur Reduktion von Frühgeburten, was man erst seit wenigen Jahren weiß. Die asymptomatische vaginale Candidakolonisation soll aber in den letzten 4–6 Wochen der Schwangerschaft mit Clotrimazol 500 mg als Ein-Dosis-Therapie behandelt werden, um die peripartale Transmission bei der vaginalen Geburt zu vermeiden, weil diese Kinder in den ersten Lebenswochen sonst häufiger Mundsoor oder Windeldermatitis bekommen.

 

Quelle: Interpharm 2013, 15. 3. 2013, Hamburg