Intestinale Mikrobiota als Sparringpartner des Immunsystems

Die Bedeutung der Darmmikrobiota für das Immunsystem lässt sich am anschaulichsten bei keimfrei aufgewachsenen Labortieren ermitteln: Sie weisen keine Darmbakterien auf, und das hat Folgen für die Tiere: Sie haben verkleinerte periphere lymphatische Organe, geringe Immunglobulinspiegel und verringerte Immunantworten und eine erhöhte Infektanfälligkeit. Die Mikrobiota gilt daher als wesentlicher Stimulus für die Entwicklung des Immunsystems.1

Die Barrierefunktion der Darmmikrobiota ist ein wesentlicher Teil der Immunabwehr des Menschen. Man spricht bei der Abwehr von Infektionskeimen, wie zum Beispiel Durchfallerregern, auch von „Kolonisationsresistenz“. Die Anwesenheit von erwünschten Darmbakterien, die sämtliche verfügbaren Nischen im Gastrointestinaltrakt besiedeln, sorgt für einen unspezifischen Schutz gegen die Kolonisation von unerwünschten pathogenen Mikroorganismen.2

Eine weitere wichtige Funktion der Darmmikrobiota beruht auf dem lebenslangen Training des darmassoziierten Immunsystems. Bereits im frühen Kindesalter führt die mikrobielle Besiedelung des Gastrointestinaltrakts zur raschen Reifung des Immunsystems. Dies betrifft sowohl die Infektabwehr als auch die Entwicklung einer immunologischen Toleranz gegenüber der eigenen Darmflora.2

Die Darmmikrobiota trägt weiters zur Integrität des Darmepithels und – damit verbunden – auch zur Regulation der mikrobiellen Translationsrate bei. Letztere bezeichnet die Frequenz des Übertritts von intestinalen Mikroorganismen vom Darmlumen ins lymphatische System. Eine niedrige Translationsrate dient dabei dem Training des darmassoziierten Immunsystems („gut-associated lymphoid tissue“, GALT). Aus Tierstudien ist bekannt, dass eine stabile Darmmikrobiota diese Rate reduzieren kann. Sie beugt damit indirekt einer systemischen Infektion mit potenziell pathogenen Vertretern der eigenen Darmflora vor.2

Mitglieder der physiologischen Darmmikrobiota sind in der Lage, mit dem Darm­epithel und mit dem dahinter liegenden darmassoziierten Darm-Immunsystem zu kommunizieren. Dieser Austausch geschieht über Signalmoleküle und wird auch als Crosstalk bezeichnet.2

Positive Einflüsse

Die gezielte Veränderung der Darmbakterienzusammensetzung hat viel Potenzial, die Gesundheit zu verbessern und zu erhalten. Die Einnahme von Präbiotika fördert das Wachstum von Laktobazillen und Bifidobakterien. Die Gabe von Probiotika unterstützt die physiologische Darmmikrobiota bei der Abwehr von Pathogenen. Sie unterstützt auch GALT und die allgemeine Infektabwehr.

Die Mechanismen dazu können wissenschaftlich bereits erklärt werden. Probiotische Mikroorganismen konkurrieren mit Pathogenen um Mikronährstoffe und Adhäsionsstellen. Durch Verschiebung des pH-Werts schaffen sie ungünstige Voraussetzungen für das Wachstum von pathogenen Mikroorganismen. Für einige Probiotika sind zudem die Produktion von antimikrobiellen Substanzen, eine Verstärkung der mukosalen Schleimproduktion und eine verstärkte Expression von Tight-Junction-Proteinen nachgewiesen. Diese fungieren gleichsam als Verschlussleisten und unterstützen damit die Darmbarriere. Dysfunktionale Tight Junctions hingegen begünstigen das Auftreten des Leaky-Gut-Syndroms. Interessant sind auch Studienergebnisse, wonach die Antikörperantwort auf Impfungen durch Probiotka verbessert werden kann.1

Einfluss der Darmmikrobiota auf Immunfunktionen1, 2

  • Aufrechterhaltung der Darmbarrierefunktion
  • Induktion von Defensinen
  • Stimulation der Zytokin- und Antikörperbildung
  • Training des Immunsystems
  • indirekte Vorbeugung systemischer Infektionen

 


Literatur:

  1. Bischoff C, Meuer S, Darm und Immunsystem. Ars medici 4/2014
  2. Schulze J, Sonneborn U, Ölschläger T et al., Probiotka. Mikroökologie, Mikrobiologie, Qualität, Sicherheit und gesundheitliche Effekte. Thieme Verlag 2008