Kassenidee sorgt für Wirbel

Pharmig-Generalsekretär Jan Oliver Huber ist sauer. Anlass sind die Äußerungen von WGKK-Obfrau Ingrid Reischl im Interview in der vergangenen Ausgabe der Apotheker Krone. Huber: „Die Aussagen haben mit der Realität nichts zu tun. Man kann nicht einfach die Industrie als Raubritter bezeichnen. Das geht zu weit. Hier wird der Eindruck erweckt, dass die Pharmabranche der Sündenbock für die Probleme der Krankenkassen ist. So werden wir keinen guten gemeinsamen Weg finden.“

Reischl hatte hohe Arzneimittelpreise etwa für neue Hepatitis-C-Produkte kritisiert und den Mehraufwand der WGKK dafür heuer auf bis zu 70 Millionen Euro zurückgeführt. Die WGKK-Obfrau im Interview: „Der aktuell ausgehandelte Rahmenpharma-Vertrag ist nur ein erster Schritt. Was wir dringend brauchen sind darüber hinausgehende gesetzliche Lösungen. Die finanziellen Mittel, die wir nun erhalten, reichen nicht aus, um die steigenden Kosten zu decken. In den Jahren 2015 bis 2018 droht nach den aktuellen Berechnungen eine Finanzierungslücke von rund 820 Millionen Euro.“

Huber dazu: „Das ist längst nicht mehr wahr. Die Preise sind, wie wir es im Vorjahr gesagt haben, bereits stark gesunken. Auch aufgrund eines zweiten Produktes, das auf den Markt gekommen ist.“ Heute habe man in diesem Bereich Medikamente, die beinahe 100 Prozent Heilbarkeit bringen – zu einem vergleichsweise „moderaten“ Preis. „Natürlich ist das hoch, aber es spart im System auch sehr viel Geld und den Betroffenen viel Leid.“

Nicht nachvollziehen kann der Pharmig-General das hohe Defizit. So zeige sich etwa in der Endabrechnung der Kassen für 2015, dass das erwartete Defizit geringer war als gedacht. Huber: „Das haben wir immer gesagt.“ Kurz vor Redaktionsschluss gab die Vorstandsvorsitzende im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger Ulrike Rabmer-Koller bekannt, dass „sich die Maßnahmen zur Kostendämpfung besonders in der zweiten Jahreshälfte positiv auswirkten und das Defizit in der gesamten Krankenversicherung von ursprünglich prognostizierten 129 Millionen Euro Defizit auf letztlich 22 Millionen drückten – bei einem Gesamtbudget von 17,1 Mrd. Euro.“

„Wir können nur in einer sachlich geführten Diskussion Strategien entwickeln, um unser solidarisches Gesundheitswesen für die Zukunft abzusichern“, sagt Huber dazu. Jede Polemik sei kontraproduktiv, egal ob sie einzelne Personen betrifft oder eine ganze Branche. „Denn auch wir, die pharmazeutische Industrie, leisten mit unseren Solidarbeiträgen substanzielle Unterstützung für die Leistungsfähigkeit der Krankenkassen gegenüber ihren Patienten.“

Die Apotheken wiederum vermelden für 2015 ein Plus von 5,6 Prozent bei den Kassenumsätzen. Ursprünglich waren die Kassen von einem Plus über 6,5 Prozent ausgegangen. Huber: „Für Jänner 2016 können wir sogar ein leichtes Umsatzminus erwarten.“ Eine entsprechend nüchterne Bilanz zieht der Apothekerverband. „Das Geschäftsjahr 2015 brachte für die Apotheken in Österreich keine positive Wende. Die innovativen, aber hochpreisigen Arzneimittel bescherten den Apotheken zwar einen Anstieg des Kassenumsatzes, der mit Arzneimitteln auf Kassenrezepten im Schnitt 70 Prozent des Gesamtumsatzes einer Apotheke ausmacht. Dieser Kassenumsatz stieg um 5,6 Prozent auf 2,62 Mrd. Euro“, teilt der Verband mit. „Das Umsatzplus schlug sich in den Apotheken ertragsmäßig kaum nieder, das heißt: Die Apotheken profitierten nicht von den höheren Ausgaben für Kassenmedikamente“, so der Verband. „Die Apotheken in Österreich verdienen aufgrund des Sparzwangs im Gesundheitswesen im Durchschnitt zu wenig. Die angespannte Ertragssituation führt dazu, dass auch immer weniger pharmazeutisches Personal nachgefragt wird“, sagt dazu auch Christan Müller-Uri, Präsident des Österreichischen Apothekerverbandes.

Auf wenig Begeisterung stößt auch die Idee Reischls, dass Ärzte nur noch Wirkstoffe verschreiben und die Apotheken das günstigste Produkt abgeben sollen. Reischl: „Realistischerweise ist eine wirkstoffidente Substitution durch die kostengünstigste Alternative in 80 Prozent aller Fälle machbar.“

Natürlich hätten die Apotheken die Expertise dafür, sagt Apothekerkammerpräsident Mag. Pharm. Max Wellan, entscheidend sei aber die Ausgestaltung. Es dürfe nicht zu Mehrbelastungen führen. Huber lehnt die Pläne ab: „Wichtig ist doch, dass der Arzt genau weiß, welche Medikamente sein Patient nimmt.“ Das gehe so verloren. Auch der neue Generikaverbandspräsident Dr. Wolfgang Andiel ist skeptisch: „Das ist für die Therapietreue und Adhärenz nicht gut“, sagt er im Interview mit der Apotheker Krone.