Lebererkrankungen: Verbindung zum Darmmikrobiom unter der Lupe

Darm und Leber stehen in anatomischem und funktionellem Zusammenhang. Eine funktionierende Darmbarriere reguliert den Übertritt bakterieller Produkte und Zytokine, die über die Pfortader in die Leber gelangen. Störungen entlang dieser Achse – ausgelöst etwa durch eine Dysbalance des Darmmikrobioms oder eine erhöhte intestinale Permeabilität – führen dazu, dass vermehrt bakterielle Bestandteile in die Zirkulation kommen, die in der Leber zu Entzündungsreaktionen führen können. Daher beschäftigen sich viele wissenschaftliche Publikationen mit der Verbindung von Dysbiose und hepatologischen Erkrankungen. Zusammenhänge gibt es zur nichtalkoholischen ­Fettlebererkrankung (NAFLD), zur nichtalkoholischen Steatohepatitis (NASH), zur primär sklerosierenden Cholangitis (PSC), zur primär biliären Cholangitis (PBC) und zur Leberzirrhose.1
Menschen mit NAFLD haben Untersuchungen zufolge eine höhere Prävalenz für mikrobielle Dysbiosen. Die Gattungen Bacteroides und Ruminococcus traten demnach vermehrt auf. Ein erhöhtes Vorkommen von Escherichia coli wurde ebenfalls ermittelt.1
„Auch bei Leberzirrhose ist das Darmmikrobiom massiv in seiner Zusammensetzung gestört“, sagt Assoz. Prof. Priv.-Doz. Dr. Vanessa Stadlbauer-Köllner von der Medizinischen Universität Graz. „Die erste Arbeit dazu aus China zeigt eine Verminderung der Diversität bei gleichzeitigem Anstieg der Gesamtbakterienzahl und ein Überwiegen von pathogenen Keimen.“ Auffällig sei vor allem das Vorkommen typischer Mundkeime wie Veillonella und Streptococcus in vermehrter Anzahl im Darm. „Es kommt also gewissermaßen zu einer ‚Oralisierung‘ des Darmmikrobioms.“ Parallel dazu nimmt die Anzahl an Bakterien ab, denen positive ­Wirkungen auf den Menschen zugeschrieben werden. Stadlbauer-Köllner nennt hier als Beispiel den Butyrat-Produzenten Faecalibacterium prausnitzii. Inwieweit auch Arzneimittel einen Einfluss hatten, wurde in der Arbeit nicht im Detail untersucht. „Allerdings konnten wir zeigen, dass die Dysbiose bei Leberzirrhose durch die Ursache und den Schweregrad der Lebererkrankung, durch Medikamenteneinnahme – insbesondere Protonenpumpenhemmer – und Inflammation erklärbar ist“, sagt Stadlbauer-Köllner.2
Für die Modulation des Mikrobioms können Prä- und Probiotika eingesetzt werden. Präbiotika wie Frukto- und Galakto­oligosaccharide fördern das Wachstum von F. prausnitzii und haben damit indirekt eine antiinflammatorische Wirkung im Darm. Der Einsatz von Probiotika zur Verbesserung der Leberfunktion ist ein vielversprechendes Therapieziel. Positive Studienresultate gibt es zur Kombination von Pro- und Präbiotika. Eine Metaanalyse hat gezeigt, dass Synbiotika (bei Anwendung über einen Zeitraum von mindestens acht Wochen) die Leberwerte (AST, ALT, GGT) verbessern können.3, 4

 

Literatur:

1 Tripathi A, Debelius J, Brenner DA et al., The Gut-Liver Axis and the Intersection With the Microbiome. Nat Rev Gastroenterol Hepatol. 2018 Jul; 15(7):397–411. DOI: 10.1038/s41575-018 0011-z

2 Stadlbauer V, Komarova I, Klymiuk I, Durdevic M, Reisinger A, Blesl A, Rainer F, Horvath A (2020): Disease severity and proton pump inhibitor use impact strongest on faecal microbiome composition in liver cirrhosis.Liver Int. 2020;40(4):866‐877. DOI:10.1111/liv.14382, https://doi-1org-10013b50p4770.han.medunigraz.at/10.1111/liv.14382

3 Stadlbauer V, Mikrobiom bei Leberzirrhose: Pathophysiologie und therapeutische Interventionen. Der Gastroenterologe 2019

4 Khalesi S, Johnson DW, Campbell K et al., Effect of probiotics and synbiotics consumption on serum concentrations of liver function test enzymes: A systematic reviewand meta-analysis. Eur J Nutr 2018; 57:2037–2053