Lieferengpässe: Neue Verordnung zeigt erste Wirkung

Die Coronakrise hat ein bereits bestehendes Problem im Gesundheitswesen weiter verschärft: jenes der Lieferengpässe bei Medikamenten. Die Ausfälle von Produktionen in China und Indien sowie teilweise Lieferstopps zeigten erneut die Probleme auf, die bereits im Vorjahr heftig diskutiert wurden und zu Jahresbeginn auch zu einer entsprechenden Verordnung führten. Wie berichtet hat das Gesundheitsministerium im Februar eine Verordnung veröffentlicht, die dazu beitragen soll, Lieferengpässe für Arzneimittel zu verhindern oder zumindest einzudämmen. Damit kann unter anderem für betroffene Medikamente eine Exportbeschränkung verhängt werden. So soll sogenannten „Parallelexporten“ im Fall des Falles ein Riegel vorgeschoben werden.

Abhängigkeit von China und Indien

Die Verordnung ist mit 1. April 2020 in Kraft getreten. Sie sieht vor, dass der Zulassungsinhaber eine voraussichtliche Nichtlieferfähigkeit eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels ab zwei Wochen in das öffentlich einsehbare Melderegister des BASG (Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen) einmeldet. Diese Produkte unterliegen dann, solange sie in diesem Register aufscheinen, einem temporären Exportverbot. Ausgearbeitet wurden die Verordnungen in einer Taskforce, in der alle Stakeholder des Gesundheitswesens eingebunden waren. Arzneimittelengpässe sind aber ein komplexes Problem. Hier spielen – wie jetzt nicht zuletzt durch die Coronakrise sichtbar wird – auch die Pharmapreise und die Verlagerung der Produktion der Wirkstoffe, vor allem in asiatische Staaten und an immer weniger Standorte, eine Rolle.

Exportverbote für 10 %

Die neue Verordnung sei ein wichtiges Werkzeug für die logistische Planung der Großhändler, berichtet nun deren Verband PHAGO. Aktuell waren demnach nach Ostern 323 Medikamente als „eingeschränkt“ oder gar „nicht lieferfähig“ gelistet. Für 10 % dieser Produkte, konkret 32, wurde bereits ein Exportverbot verhängt, berichtet der Präsident des Verbandes der Arzneimittel-Vollgroßhändler PHAGO, Dr. Andreas Windischbauer: „Mit unserem Arzneimittel-Radar können wir Großhändler zudem genau feststellen, wo Medikamente knapp werden, und alles daransetzen, um gegenzusteuern.“

 

 

EU drängt Pharmaindustrie

Weil das allein aber wohl nicht reichen wird, drängt nun auch die EU aus Furcht vor Engpässen bei wichtigen Medikamenten die Industrie, sich bei der Produktion ins Zeug zu legen und die Produktion hochzufahren. Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides schrieb demnach an mehrere europäische Pharmaverbände, dass es vor allem Engpässe in Kliniken bei Anästhetika und Beruhigungsmitteln wie Fentanyl, Propofol, Ketamin, Lorazepam und Morphin geben könnte. Insgesamt gehe es um 47 in der Intensivmedizin benötigte Wirkstoffe. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) kündigte indes erneut Schritte auf EU-Ebene an, um überhaupt die Industrieproduktion aus Asien wieder zurückzuholen. Europa sei bis zu 80 % von der Wirkstoffproduktion in Asien abhängig. Natürlich sei Corona auch ein Anlass, deutlicher über diese Abhängigkeiten nachzudenken, sagte er. Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog zeigte sich erfreut über die Debatte: „Das ist ein wichtiger Schritt für die Arzneimittelversorgung in Österreich. Die Verordnung ist aus der intensiven Zusammenarbeit der pharmazeutischen Industrie mit dem BASG, den Apothekern und dem Großhandel entstanden. Mit den Daten aus dem Melderegister und dem temporären Exportverbot setzen wir gemeinsam eine wichtige Maßnahme, um Lieferverzögerungen von Arzneimitteln hintanzuhalten.“