„Mehr Praxisbezug in der Ausbildung“

Apotheker Krone: Die Studienreform ist abgeschlossen, was erwartet die Studierenden ab Herbst?

Brigitte Kopp: Wir werden im Herbst mit der Zweiteilung des Studiums in Bachelor und Master beginnen. Dafür haben sich natürlich alle Lehrenden viel überlegt, es kann ja nicht sein, dass man einfach das frühere Diplomstudium zweiteilt. Das Ziel ist weiterhin, dass man erst mit dem Master jene Fähigkeiten erwirbt, die man früher mit dem Di­plom hatte. Die Lehrziele im Bachelorstudium sind aber so gewählt, dass man nach diesem auch in Masterstudien wechseln kann.

Judith M. Rollinger: Insoferne ist das Bachelorstudium eine gute Plattform für andere naturwissenschaftliche Fächer und die Basis für den Pharmazeuten. Man kann dann links und rechts schauen. Es gibt aber keinen Pharmazeuten light.

Kopp: Die wesentlichen Fähigkeiten für den Beruf eines Apothekers und die pharmaziespezifischen Inhalte werden aber erst im Masterstudium vermittelt.

Rollinger: Wir haben versucht, österreichweit Module zu entwickeln, wo alle Wissensgebiete der Pharmazie so befüllt werden, dass Studierende aus allen Bereichen auch viel mitnehmen können.

Kopp: Und wir haben versucht, einen stärkeren Bezug zur Praxis herzustellen, etwa durch die Erweiterung von „Pharmceutical Care“ und anderem.

Inwiefern?

Rollinger: Wenn man etwa über Phytotherapie und Husten redet, muss man auch das Krankheitsbild verstehen, und wie Pharmazeutika wirklich wirken. Hier arbeiten die Lehrenden der einzelnen Bereiche jetzt auch enger zusammen.
Kopp: Das Fachgebiet ist ja zudem in einem enormen Fluss. Es kommen immer rascher immer mehr neue Erkenntnisse, und so muss man natürlich auch im Studium Platz für mehr neues Wissen schaffen. Es wurde deshalb versucht, Redundanzen auszuschalten. Es soll Platz für Neues geben, und gleichzeitig darf das Studium nicht überfrachtet werden.

Die Zahl der Studierenden steigt – gibt es auch genügend Stellen für Absolventen?

Kopp: Es stimmt, dass viele Jahre jene, die die Eingangsprüfung beim Medizinstudium nicht geschafft haben, für ein Jahr einen Platzhalter gesucht haben und mit Pharmazie begonnen haben, in der Hoffnung, dass dann bei einem Wechsel bestimmte Lehrinhalte angerechnet werden. Und tatsächlich fällt auf, dass es viele Studierende gibt, die im ersten Studienjahr keine Prüfungen ablegen, und dass nach dem ersten Jahr die Zahl der Studierenden wieder zurückgeht. Wir können aber hier auch etwas steuern, über die seit nun zwei Jahren laufenden Aufnahmeverfahren, vor allem aber durch und Beschränkungen und nicht zuletzt die Studieneingangs- und Orientierungsphase. Dieses erste Jahr ermöglicht den Studierenden, herauszufinden, ob sie sich für das richtige Studium entschieden haben.

Rollinger: Es zeigt sich, dass die meisten derer, die die Eingangsphase positiv abschließen, dann auch das Studium fertigmachen.

Kopp: Es gibt in Österreich etwa 3.500 bis 4.000 Pharmaziestudierende und rund 250 schließen das Studium pro Jahr ab. Etwa 80 bis 90 Prozent der Absolventen davon gehen wiederum in die öffentliche Apotheke oder in die Krankenhaus­apotheke. Es gibt in Österreich ja nicht so viel pharmazeutische Industrie oder Zulassungsstellen in Behörden.

Was sind die künftigen Schwerpunkte, die im Studium gelehrt werden?

Rollinger: In Zukunft ist das Wissen über Wechselwirkungen sicher enorm wichtig. Ich habe meine Aspirantenzeit in Innsbruck in der Anstaltsapotheke gemacht. Dort gab es einen ständigen Austausch mit den Ärzten über Wechselwirkungen. Die meisten Ärzte sind hier eigentlich sehr offen und auch dankbar für die Expertise von Pharmazeuten. Hier sind wir einfach die Experten. Das reicht von der Art der Arzneimittel, ihren pharmakologischen Eigenschaften über galenische Interaktionen bis hin zu pharmazeutisch-chemischen Zusammenhängen.

Kopp: Es hat sich in den vergangenen Jahren bereits ein Wechsel gezeigt. Noch vor geraumer Zeit klagte die Apotherkammer wegen zu geringer Absolventenzahlen – heute gibt es wegen der höheren Anfängerzahlen im Studium auch mehr Absolventen, leider aber weniger Aspirantenplätze. So hat etwa die Apothekerkammer, als wir einen drastischen Zuwachs an Studierenden hatten, gebeten, dass wir strenger prüfen. Das hatte aber wenig Auswirkungen. Derzeit gibt es weniger Aspirantenstellen – hier spürt man einfach den Spardruck und die zum Teil angespannte wirtschaftliche Situation. Für jene, die jetzt fertig werden, wird es sicherlich schwieriger, Jobs zu finden.

Rollinger: Es ist schwer zu berechnen, für wie viele Leute pro Jahrgang es Jobs gibt, weil es sehr viele Teilzeitstellen in Apotheken gibt. Auch die Fluktuation ist sehr hoch. Der Beruf des Pharmazeuten ist ja ein sehr familienfreundlicher Beruf, und wir haben zunehmend auch Männer, die Teilzeitstellen suchen.

Wie wichtig wird der Praxisbezug sein?

Rollinger: Natürlich ist der Praxisbezug wichtig. Aber wir wollen an der Universität dennoch Pharmazeuten und keine Apotheker ausbilden. Wir wollen ein offenes Berufsbild haben. Die Praxis lernt man dann eben in der Ausübung des entsprechenden Berufs.

Kopp: Ein Universitätsstudium ist eine Berufsvorbildung und kein Ausbildung. Das wirtschaftliche Wissen zur Führung einer Apotheke sollten die Studierenden im Aspirantenjahr in den Apotheken lernen. Hier engagiert sich ja auch die Apothekerkammer stark.

Im Arzneimittelbereich und in der Pharmaindustrie ist zu beobachten, dass zunehmend personalisierte Medizin und Arzneimittel eingesetzt werden. Wir schlägt sich diese Entwicklung im Studium nieder?

Rollinger: Die Individualisierung und personalisierte Medizin wird zunehmend wichtig. Das ist auch ein eher holistischer Zugang: Man betrachtet den Menschen als gesamtes System, wie es – vereinfacht gesehen – auch in traditionellen Medizinsystemen der Fall war und ist. Das verlangt natürlich viel Zeit …

Kopp: … und Geld.

Rollinger: Ja, das macht die Sache teuer.

Kopp: Und man braucht dafür auch eine ganz andere Ausbildung im Medizinstudium.

Rollinger: Aus pharmakognostischer Sicht bedeutet das auch, dass es gegen eine Krankheit nicht mehr einfach eine Verbindung gibt. Arzneistoffe können an vielen Zielpunkten im Körper miteinander interagieren. Da ist momentan auch ein Paradigmenwechsel in Gang. Wir müssen versuchen, beide Konzepte, nämlich die evidenzbasierte Medizin und das molekulare Verständnis für Interaktionen auf mehreren Ebenen zu verknüpfen. Vor allem in Hinblick auf die Sicherheit für den Patienten und das Wissen über die tatsächliche Wirksamkeit müssen wir besser verstehen, was im Köper abläuft. Nicht zuletzt wenn auch verschiedene Produkte kombiniert werden, wie das etwa in der modernen Krebstherapie der Fall ist oder auch beim Einsatz pflanzlicher Arzneimittel.

Kopp: Früher hat man in unserem Fach geschaut, was wirkt, welche Substanzen in der Pflanze enthalten sind und wie sie dort gebildet werden. Heute ist das Fach viel interdisziplinärer. Man fragt, was diese Substanzen im Körper machen, wie sie metabolisiert werden, wie der Wirkmechanismus abläuft, welche Wechselwirkungen auftreten können und so weiter.