Migräneattacken unter Kontrolle bringen

Es ist, als würde der Kopf zerspringen. Die Schmerzen sind pulsierend-pochend und nehmen mit körperlicher Aktivität an Intensität zu. Im Schnitt ist jeder zehnte Österreicher regelmäßig von einer Migräne betroffen. Die Attacken sind fast immer begleitet von Appetitlosigkeit. In rund 80 % der Fälle kommt es zu Übelkeit, in 40–50 % der Fälle zu Erbrechen. Kennzeichen sind auch Lichtscheu, Lärmempfindlichkeit und Überempfindlichkeit gegenüber Gerüchen. Wenn die Kopfschmerzen einseitig sind, können sie innerhalb einer Attacke oder von Attacke zu Attacke die Seite wechseln. Die Intensität selbst ist wechselnd. Die Internationale Kopfschmerzgesellschaft gibt eine Dauer von 4–72 Stunden an. Bei Kindern sind die Attacken kürzer und können auch ohne Kopfschmerzen „nur“ mit heftiger Übelkeit, Erbrechen und Schwindel einhergehen.1

Genetische, psychosoziale, physiologische und biochemische Prädispositionen dürften die Ursache für Migräne sein. Diese Faktoren wirken sich in Verbindung mit einer dysfunktionalen Stressverarbeitung zu einer Migräne aus. Ob es sich um Migräne oder „normale“ Kopfschmerzen handelt, kann durch die folgenden Fragen leicht ergründet werden:

  • Kommt es zu Übelkeit?
  • Kommt es zu Lichtscheue und Lärmempfindlichkeit?
  • Kommt es zu einer Verstärkung der Kopfschmerzen durch Aktivitäten des täglichen Alltags?

Ist die Antwort auf alle drei Fragen ein Ja, dann liegt eine Migräne vor. Sie kündigt sich oft an, noch bevor die ersten Kopfschmerzen auftreten. Etwa 10–15 % erleben im Vorfeld einer Attacke eine Migräneaura, die sich durch Sehstörungen, Flimmern beim Sehen oder Schlieren vor den Augen äußert sowie in einem Kribbeln an Armen und Beinen. Zur Pathophysiologie gibt es mehrere Hypothesen: Die vaskuläre Hypothese besagt, dass die Gefäße im Kopf während der Attacke geweitet sind, was als Reflex (trigeminovaskulärer Reflex) angesehen wird. In den Wänden dieser Blutgefäße befinden sich Schmerz- und Dehnungsrezeptoren des Nervus trigeminus, die dann aktiviert werden. Die Übererregbarkeitshypothese wiederum beruht auf der Beobachtung, dass Personen, die regelmäßig an Migräne leiden, eine erhöhte Erregbarkeit der Hirnrinde des Hinterhauptslappens aufweisen. Die Hypothese der neurogenen Entzündung basiert auf der während eines Migräneanfalls ermittelten Freisetzung von Entzündungsmediatoren wie Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP), Substanz P und Neurokinin A.2

Schmerzstillende Medikamente sind sehr wichtig in der Behandlung der Migräne. Analgetika und nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) haben sich bei akuten Attacken als wirksam erwiesen. Sehr gut belegt ist der Effekt von Azetylsalizylsäure und Ibuprofen. Auch Paracetamol sowie Kombinationspräparate von ASS, Paracetamol und Koffein sorgen für eine Erleichterung der Zustände. Migräneattacken bei Kindern werden mit Ibuprofen 10 mg/kg Körpergewicht, Azetylsalizylsäure (500 mg) oder Paracetamol 15 mg/kg Körpergewicht behandelt.1

Die Indikation zu einer medikamentösen Prophylaxe der Migräne ergibt sich bei besonderem Leidensdruck und Einschränkung der Lebensqualität. Zusätzliche Kriterien (nicht evidenzbasiert) sind laut Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie:1

  • drei und mehr Migräneattacken pro Monat, die die Lebensqualität beeinträchtigen
  • Migräneattacken, die in der Regel länger als 72 Stunden anhalten
  • Attacken, die auf eine Therapie entsprechend den oben gegebenen Empfehlungen zur Akuttherapie nicht ansprechen
  • Patienten, bei denen Kontraindikationen für die Einnahme von Triptanen bestehen und/oder wenn die Nebenwirkungen der Akuttherapie nicht toleriert werden
  • bei Zunahme der Attackenfrequenz und Einnahme von Schmerz- oder Migränemitteln an mehr als zehn Tagen im Monat
  • bei komplizierten Migräneattacken mit beeinträchtigenden und/oder langanhaltenden Auren

Schokolade, ganz gleich um welche Art es sich handelt, ist übrigens kein Migränetrigger. Die Lust darauf liegt bereits an einem Symptom der Migräne. Da viele Menschen dieser Begierde nachgeben und viel Schokolade essen, nahm man früher an, dass die braune Versuchung der Auslöser der Migräne sei. Das hat sich als Missverständnis herausgestellt. Vielmehr deutet der Heißhunger darauf hin, dass eine Attacke unmittelbar bevorsteht.

Als Auslöser gelten jedenfalls ein zu kurzer Schlaf, zu langer Schlaf, stressige Arbeit oder starke körperliche Anstrengung. Auch Konflikte und konfliktreiche Gespräche können die Kopfschmerzen bewirken. Ergänzend zu einer medikamentösen Therapie ist ein Muskelentspannungstraining ratsam. Einen Nutzen in der Prophylaxe der episodischen Migräne bringt die Akupunktur. Ein ausbalancierter Lebensstil wirkt sich günstig aus.1 Zu berücksichtigen ist eine gewisse Wetterfühligkeit der Patienten. Flankierende Hilfe können Melissentee oder Entspannungsbäder mit Rosmarin-, Baldrian- oder Johanniskrautextrakt verschaffen. Auch eine Kopfmassage oder Akupressur kann hilfreich sein. Eine ausreichende Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen ist ebenfalls eine wichtige Grundvoraussetzung, damit der Organismus auf witterungsbedingte Veränderungen so optimal wie möglich reagieren kann.

Die klassische „Migränepersönlichkeit“ existiert nicht. Eine kognitive Verhaltenstherapie ist dennoch ratsam. Die dabei erlernten Strategien sollen die Selbstwirksamkeit und Kontrollüberzeugung verbessern.1

Literatur:
1 Deutsche Gesellschaft für Neurologie: Therapie der Migräne, Stand 21. 8. 2015
2 Zorn J, Medizin Navigator