Miktionsbeschwerden: Taratipps nach ärztlicher Abklärung

Die Vorsteherdrüse (Prostata) gehört zu den inneren Geschlechtsorganen des Mannes und umschließt den Beginn der Harnröhre vollständig. Deshalb macht sich eine Vergrößerung oft mit Problemen beim Wasserlassen bemerkbar. Ab dem 40. Lebensjahr wächst die Prostata unter anderem aufgrund des Einflusses der männlichen Sexualhormone auf die Zellteilung kontinuierlich. Von etwa 20 ml steigt das Volumen bei Männern ab 60 auf etwa ­30 ml und ab dem 75. Lebensjahr auf etwa 40 ml an. Die Vergrößerung korreliert allerdings nicht automatisch mit dem Auftreten von Symptomen, die in der Leitlinie als LUTS („lower urinary tract symptoms“) bezeichnet werden. Obstruktive Beschwerden äußern sich mit Veränderungen bei der Entleerung der Blase. Häufig ist der Beginn der Miktion verzögert oder die Miktionszeit verlängert sich, der Harnstrahl ist abgeschwächt, es kommt zu Harnstottern, Nachträufeln und Restharnbildung. Häufiger nächtlicher Harndrang (Pollakisurie, Nykturie), Schmerzen, ein imperativer Harndrang und in der Folge eine Dranginkontinenz und ein Restharngefühl gehören zu den irritativen oder dynamischen Beschwerden, welche die Speicherphase des Harns betreffen.

Wichtig abzuklären…

Kommt nun ein Kunde mit dem Wunsch nach einem Kürbis- oder Sägepalmen-Präparat oder klagt über häufigen nächtlichen Harndrang, sollten im Beratungsgespräch einige Eckpunkte abgeklärt werden. Dabei sollten jedenfalls Veränderungen im Miktionsverhalten, nächtliche Beschwerden und bereits absolvierte urologische Vorsorgeuntersuchungen erfragt werden. Treten die Beschwerden erstmalig auf, muss der Patient an den Urologen verwiesen werden. Dieser wird neben einer Tast- und Ultraschalluntersuchung auch eine Urindiagnostik, die Bestimmung des prostataspezifischen Antigens (PSA) im Blut und eine Befragung des Patienten nach Symptomen vornehmen, um zu einer Diagnose zu gelangen. Der PSA-Wert korreliert mit dem Alter und dem Prostatavolumen.

Ärztliche Therapie

Das benigne Prostatasyndrom (BPS) wird in drei Stadien eingeteilt. Im Stadium I wird neben der medikamentösen Therapie manchmal auch das kontrollierte Zuwarten praktiziert, ab Stadium III ist eine Operation jedoch meist unumgänglich. Zur Therapie stehen dem Arzt fünf Wirkstoffgruppen zur Auswahl: α1-Adrenozep­-tor-Antagonisten, 5α-Reduktase-Hemmer, Phosphodiesterase-5-Hemmer, Muskarin-Antagonisten sowie β3-Adrenozeptor-Agonisten, dessen Vertreter Mirabegron aber selten für diese Indikation eingesetzt wird.

α1-Blocker haben einen schnellen Wirkeintritt von wenigen Tagen und können diesen Effekt auch bei einer Langzeittherapie beibehalten. Doxazosin und Terazosin blocken sehr unspezifisch, weshalb sie ebenso bei Hypertonie eingesetzt werden. Tamsulosin und Alfuzosin binden selektiv und kompetitiv an postsynaptische α1A-Rezeptoren, wodurch die glatte Muskulatur an Blase und Urethra relaxiert wird und es so zu weniger Obstruktionen kommt. Dadurch verbessern sich Entleerungsstörungen und die Harnflussrate. Jedoch haben α1-Blocker keinen Einfluss auf das Wachstum der Prostata und das Fortschreiten der Erkrankung. Die Einnahme sollte nach dem Frühstück möglichst immer zur selben Zeit erfolgen. Retardierte Präparate sind üblicherweise etwas besser verträglich, auch eine einschleichende Dosierung wird angeraten, um Schwindel oder Kopfschmerzen zu vermeiden. Die 5α-Reduktase-Hemmer Finasterid und Dutasterid hemmen die Bildung von Dihydrotestosteron und können das Prostatavolumen nach 6–12 Monaten Therapie um 20–25 % verringern. Davon profitieren vor allem Patienten mit großen Prostatavolumina von über 40 ml.

Es ist neben dem deutlich langsameren Effekt auf das Miktionsverhalten zu beachten, dass durch die Langzeittherapie auch der PSA-Wert um etwa 50 % reduziert wird. Als häufigste Nebenwirkungen können erektile Dysfunktion, eine verringerte Libido oder Gynäkomastie auftreten. Der PDE5-Hemmer Tadalafil spielt eine untergeordnete Rolle und wird eher bei jüngeren Männern mit niedrigem BMI und ausgeprägter Symptomatik eingesetzt. Die irritativen Symptome, die sich mit häufigem Wasserlassen und verstärktem Harndrang äußern, können mit Muskarinrezeptor-Antagonisten, wie z. B. Trospiumchlorid, Solifenacin, Oxybutynin oder Tolterodin, behandelt werden. Bei diesen sollte besonders auf anticholinerge Nebenwirkungen, wie z. B. Mundtrockenheit, Schwindel oder Obstipation, geachtet werden.

Selbstmedikation mit Phytopharmaka

Besteht bereits eine gesicherte Diagnose einer BPS im Stadium I oder II und geht der Patient regelmäßig alle 6 Monate zur Kontrolluntersuchung, hat auch die Selbstmedikation mit Phytopharmaka ihre Berechtigung, um die Symptome zu lindern, auch wenn sie laut der Leitlinie, die derzeit überarbeitet wird, eher nachrangig eingesetzt werden sollen. Es ist jedenfalls wichtig, zu betonen, dass dadurch ausschließlich die Beschwerden verbessert werden, jedoch der chronisch progrediente Verlauf der Erkrankung nicht beeinflusst werden kann. Der Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel der europäischen Arzneimittelagentur (HMPC) hat bereits einige pflanzliche Drogen und ihre Zubereitungen für die Indikation BPS bewertet. Die Präparate, die in Österreich verfügbar sind, haben alle den Status „traditional use“. Das bedeutet, dass sie volksmedizinisch traditionell verwendet werden, die Studienlage aber (noch) nicht für eine evidenzbasierte Empfehlung ausreicht.

Die Sägepalmen- oder Sabalfrüchte enthalten Fettsäuren und β-Sitosterol, wodurch eine proliferationshemmende, antiandrogene und entzündungshemmende Wirkung zu erwarten ist. Beim alkoholischen Extrakt werden täglich 320 mg zur Einnahme empfohlen. Auch die Brennnesselwurzel enthält β-Sitosterol und Lektine. Im Stadium I lautet die Empfehlung 400 mg Extrakt täglich, im Stadium II sollen davon täglich 600 mg eingenommen werden. Weiters steht eine Kombination aus Sägepalme und Brennnessel als Arzneimittel zur Verfügung, die in einer klinischen Studie im Vergleich mit Finasterid nicht unterlegen war. Eine weitere Option sind laut HMPC Kürbissamen sowie Zubereitungen daraus. Diese enthalten Steroide, die bei beginnender Inkontinenz positive Effekte zeigen, und werden überwiegend aus dem steirischen Ölkürbis gewonnen. Deshalb kann die Anwendung bei Miktionsbeschwerden im BPS-Stadium I und II versucht werden.

Zusatzempfehlungen
  • ausreichende Flüssigkeitsmenge, mindestens 1,5–2 l über den Tag verteilt
  • Infektprophylaxe: Durchspülen der Blase mit Blasen- und Nierentees oder Harnansäuerung (z.B. mit L-Methionin)
  • regelmäßige Blasen- und Darmentleerung anstreben
  • Reduktion und Vermeidung von übermäßigem Kaffee- und Alkoholkonsum oder scharfen Speisen
  • Überprüfung und Vermeidung von diuretischen Medikamenten am Abend
Arztbesuch empfehlen bei erstmalig auftretenden Beschwerden wie:
  • häufiger Harndrang
  • Miktionsbeschwerden
  • Harnverlust
  • verzögerter Beginn der Harnentleerung
  • unvollständige Blasenentleerung
Zusätzlich regelmäßige Kontrolle alle 6 Monate bei einer der folgenden Diagnosen:
benigne Prostatahyperplasie, Prostatitis, Zystitis, Prostatakarzinom