Moderne Ernährungsweisen fördern Allergien

Die Häufigkeit von Lebensmittelallergien und -intoleranzen hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Viele stellen sich die Frage: Sind wir mittlerweile zu sensibel? Ist unsere moderne Lebensweise daran schuld? Die immer sterilere Umgebung? Die stark verarbeiteten Nahrungsmittel? Die allererste Wahrheit dazu: Die Zahl der Lebensmittelallergien steigt jährlich um rund 10 % an. Das klingt schlimm, ist aber der modernen Technik geschuldet, weil Testverfahren zur Diagnosestellung deutlich verbessert wurden. Außerdem lassen sich mehr Menschen als je zuvor auf Lebensmittelallergien und -unverträglichkeiten testen.1

Mikrobiom wird einseitiger

Ein wesentlicher Faktor und echter Auslöser ist die Darmflora. Milliarden unterschiedlicher Bakterien beeinflussen das Gleichgewicht des Immunsystems und haben daher auch Einfluss darauf, wie unser Darm auf verschiedene Stoffe reagiert. Das Mikrobiom vieler Menschen ist allerdings einseitiger geworden. Einseitige Diäten, Fertiggerichte, Fast Food, zu wenige Ballaststoffe, zu viel Weißmehl und Fleischprodukte – die moderne Ernährungsweise führt zur Verarmung des Mikrobioms, weil den „guten“ Darmbakterien die Nahrung fehlt und deren Vermehrung damit eingeschränkt wird. Forscher haben mittlerweile festgestellt, dass ein Ungleichgewicht der Mikrobiota eine überschießende Typ-2-Immunantwort auslöst. Diese wird üblicherweise zur Abwehr von Parasiten eingesetzt, kann aber auch zu einer allergischen Reaktion führen.2

Ein anderer Grund liegt weit im Leben zurück: Die immer kürzeren Stillzeiten bei Säuglingen begünstigen das Entstehen von späteren (Lebensmittel-)Allergien. Auch zu frühes Einführen von Beikost und das Füttern der falschen Lebensmittel in den ersten Lebensmonaten gelten als Auslöser.1 Andere Theorien sind noch nicht abgesichert. Beispielsweise jene, wonach ein hoher Konsum bestimmter Lebensmittel und damit eine persistente Exposition zu einer IgE-vermittelten Allergie führen kann. Anhaltspunkte dafür geben die hohe Prävalenz von Erdnussallergien in den USA oder Fischallergien in Skandinavien.3 Dies spräche wieder einmal dafür, wie wichtig Ausgewogenheit und Abwechslung am Speiseplan sind.

Überschätzt wird hingegen der Einfluss von Lebensmittelzusatzstoffen. Als Auslöser von Allergien treten sie kaum in Erscheinung. Eine britische Doppelblindstudie hat gezeigt, dass Kinder in einem von 100 Fällen adverse Reaktionen auf Zusatzstoffe im Essen hatten. Davor hatten 20 % der Eltern in einer Befragung angegeben, dass bei ihrem Kind vermutlich eine Allergie auf food additives besteht …4

Nicht alles, was im Bauch zu einem Zwicken führt, ist allerdings eine Allergie oder Intoleranz. Manchmal wirkt es sich einfach aus, wenn man viel sitzt und den Magen-Darm-Bereich zu wenig entspannt. Oft schlagen Stress und Sorgen auf den Magen. Außerdem wird man in Zukunft noch besser erforschen, dass die Verträglichkeit von Lebensmitteln eine sehr individuelle Sache ist und nicht immer ein Stoff entscheidet, sondern das Lebensmittel als „Gesamtpaket“.

Die Industrie setzt jedoch sehr stark auf den „Ohne“-Trend, was offenbar zu einem Missverständnis führt: Das geht soweit, dass Menschen, die Gluten vertragen, sich glutenfreies Brot kaufen. Denn wenn auf einer Packung „ohne Stoff XY“ draufsteht, dann vermittelt dies einen gesundheitlichen Mehrwert. Hier wäre auch der Gesetzgeber gefordert, solche Nahrungsmittel als streng diätetische Kost einzustufen, die nur für eine bestimmte Indikation geeignet ist. Das wäre ein wichtiger Schritt in Richtung Aufklärung.

 

Literatur:

1 Österreichische Gesellschaft für Ernährung 2014

2 Helmholtz-Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt

3 Shetty P, Cambridge University Press 2010

4 British Allergy Foundation 2012