Natursubstanzen und Bewegungsschmerzen

Die meisten Phytotherapeutika fallen in den Bereich der Nahrungsergänzungen, trotzdem ist die wissenschaftliche Studienlage für manche Wirkstoffe sehr gut. Einige Substanzen sind sogar als zugelassene Arzneimittel registriert. Wie bei chemisch definierten Arzneistoffen liegen wissenschaftliche Daten hinsichtlich der Wirkmechanismen in der humanen Entzündungspathogenese vor. Mit gutem Background kann man daher Natursubstanzen sehr gut gezielt empfehlen.

Teufelskralle

Die Teufelskralle zählt zu den bei Kunden wohl beliebteste Pflanzen, die unterstützend bei rheumatischen Beschwerden wirken sollen. In der Monographie der European Scientific Cooperative on Phytotherapy (ESCOP) werden Arzneimittel aus Teufelskrallenextrakt zur symptomatischen Behandlung schmerzhafter Osteoarthrosen und zur Linderung von Rückenschmerzen empfohlen. Das derzeit einzige in Österreich im Handel befindliche Arzneimittel wird zudem bei Nacken- und Muskelschmerzen sowie rheumatischen Beschwerden eingesetzt. Wissenschaftlich nachgewiesen ist eindeutig die Suppression von Entzündungsmediatoren durch Teufelskrallenextrakte. Dabei handelt es sich sowohl um eine Suppression der Prostaglandin- und Leukotrien-Synthese durch Hemmung der COX als auch um eine Reduktion der Freisetzung von IL und TNFα (Fiebich B et al.; Phytotherapie Research 2012).

Weidenrinde

Dass Extrakte aus der Weidenrinde seit Langem bei entzündlichen Schmerzen eingesetzt werden, ist auch in der reinen Schulmedizin anerkannt. Die Weidenrinde wird gerne als „natürliches Aspirin“ bezeichnet, obwohl Acetylsalicylsäure darin gar nicht vorkommt. Salicin ist ein Phenol, das erst im Verdauungstrakt zu Salicylsäure umgewandelt wird und dann analgetisch, antipyretisch sowie antiphlogistisch wirken kann. Daneben wurde neuerdings auch eine antioxidative und knorpelprotektive Wirkung belegt. Die therapeutische Wirksamkeit wurde dabei in placebokontrollierten randomisierten Doppelblindstudien sowohl bei Patienten mit Rückenschmerzen als auch mit Osteoarthritis belegt (u.a. Lardos A et al., Z. Phytother 2004). Wie bei vielen Naturstoffen scheint das Zusammenspiel der verschiedenen Inhaltsstoffe diverse Transkriptionsfaktoren, proinflammatorische Zytokine, Adhäsionsmoleküle und reaktive Sauerstoffspezies zu hemmen und somit synergistisch entzündungshemmend wirken. Eine Inhibition der Expression von TNFα, IL-1β und IL-6 aus Monozyten wurde signifikant bestätigt. (Khayyal MT et al., Arzneimittelforschung 55, 2005).

Weihrauch

Auch für Extrakte aus indischen Weihrauchbäumen existieren fundierte wissenschaftliche Studien. Pentazyklische Triterpensäuren als Inhaltsstoffe zeigen deutlich antiinflammatorische Aktivitäten. Invitro inhibieren Boswel­liasäuren COX-1 sowie 5- und 12-Lipoxygenase, CYP450-Enyzme, Elastase und die Bildung von TNFα und anderen Zytokinen (Ammon HP; Planta Med 2006). Interessant ist vor allem die Suppression der mikrosomalen Prostaglandin-E2-Synthase-1 als pharmakologisch relevante Targets, die auch in vivo gehemmt werden (Siemoneit U et al., Br J Pharmacol 2011).

Hagebutte

Als aktiver Inhaltsstoff der roten Früchte wurde Galaktolipid isoliert. Die Substanz hemmt invitro die Migration polymorphkerniger Leukozyten und senkt in vivo die Serumkonzentrationen von C-reaktivem Protein (J Nat Prod 66, 2003). Zudem wird Galaktolipid ein antioxidativer Effekt zugeschrieben. Interessant ist, dass die antiinflammatorischen Effekte von standardisiertem Hagebuttenpulver jedoch nicht auf einer Hemmung der COX zu beruhen scheinen; die Thrombozytenaggregation wird nämlich nicht beeinflusst (Inflammopharmacology 7, 1999).

Bambus und Cayennepfeffer

Weniger gut ist die wissenschaftliche Datenlage für Bambus und Cayennepfeffer, die beide trotzdem bereits seit Langem empirisch bestätigte Nutzen bringen. Für Bambus ist nur der hohe Gehalt an Kieselsäure gesichert, der einen positiven, unterstützenden Effekt bei Rückenschmerzen, Bandscheibenschäden oder Arthritis durchaus nachvollziehbar scheinen lässt. Capsaicin aus dem Cayennepfeffer wiederum wirkt auf die Nerven im schmerzenden Bereich so ein, dass eine Ausschüttung von Signalen nicht mehr stattfindet. Das Schmerzempfinden nimmt somit vorübergehend ab.

Omega-3-Fettsäuren & Co.

Dass die Menge der Arachidonsäure im Körper für die Auslösung der Entzündungs- und Schmerzgeschehens verantwortlich ist, ist mittlerweile gesichert. Eicosapentaensäure gilt wegen ihrer strukturellen Ähnlichkeit mit Arachidonsäure als kompetitiver Inhibitor für die Entzündungsreaktion. Besonders gerne werden EPA aus Omega-3-Fettsäuren von Fischölen und der Grünlippmuschel eingesetzt. Auch Antioxidantien gelten als Entzündungsinhibitoren, da die von Makrophagen im entzündeten Areal fortlaufend gebildeten Radikale nicht nur das umliegende Gewebe schädigen, sondern auch erneute Entzündungsreaktionen hervorrufen. Als Radikalenfänger gelten v.a. die Vitamin C und E – ein dezenter Hinweis, denn etwa die Hälfte der Patienten mit rheumatischen Erkrankungen gilt als mit Vitamin E unterversorgt (Pattison DJ et al., Ann Rheum Dis 2004).

Goldrute und Zitterpappel

Die Inhaltsstoffe von Solidago virgaurea (Goldrutenkraut) – nämlich Flavonoide, Saponine sowie die Phenolglycoside Leiocarposid und Virgaureosid A – sind für ihre antiphlogistische und spasmolytische, aber allen voran für ihre diuretische Wirkung bekannt. Die Goldrute wirkt also entwässernd, dichtet damit die feinen Blutgefäße nach außen hin ab und kann folglich Schwellungen verringern. Die analgetische, antiphlogistische und antipyretische Wirkung der Zitterpappelrinde wiederum basiert auf der Hemmung der Prostaglandinsynthese, der Myeloperoxidase sowie auf der Hemmung der Freisetzung von Histamin, Leukotrienen und Prostaglandin E2. Im Tierversuch konnte im Bierhefe-Entzündungsschmerztest eine Anhebung der Schmerzschwelle um 45% festgestellt werden (Phytokodex).

Chondroprotektiva – rechtzeitige Vorsorge

Die zweite Säule der Naturstoffe bei Bewegungsschmerzen stellen die Chondroprotektiva dar. Ihre Hauptaufgabe ist es, die Beweglichkeit der Gelenke gut zu erhalten. Nicht selten werden sie daher als „Schmiermittel“ für die Gelenke bezeichnet. Auch hier ist die Grenze zwischen Arzneimittel und Nahrungsergänzung fließend. Hyaluronsäure rangiert als Injektion verständlicherweise in der Warengruppe 1, ist aber auch als Nahrungsergänzung verfügbar. Ebenso sind Chondroitin und Glucosamin sowohl als Arzneimittel registriert als auch als Nahrungsergänzung deklariert. Die wissenschaftliche Datenlage ist daher ebenfalls recht gut und mittlerweile auch schon auf den Langzeiteffekt ausgedehnt (Reginster JY et al., Lancet 2001). Invitro konnte außerdem eine Hemmung der Superoxid-Radikal-Bildung und lysosomaler Enzyme, jedoch keine COX-Hemmung nachgewiesen werden. D-Glucosaminsulfat dürfte daher auch antiphlogistisch wirken, ohne aber die Prostaglandinsynthese zu beeinflussen. Auch für Chondroitin sind zusätzlich indirekte Effekte auf den Entzündungsprozess nachweisbar: Hemmung der IL-1b und der TNFα-Sekretion der Makrophagen.

Hyaluronsäure

Im Gelenkknorpel bildet die Hyaluronsäure das Rückgrat der wasserspeichernden Proteoglykane, die zusammen mit den Kollagenfasern eine extrazelluläre Matrix für die Knorpelzellen bilden. Der Synovialflüssgikeit verleiht das Polymer die typische Viskosität und die schmierenden Eigenschaften. Außerdem verhindert Hyaluronsäure in der Synovia durch ihre große netzartige Struktur die freie Passage von Entzündungsmolekülen und -zellen durch den Gelenkinnenraum. Entzündungssch
merzen werden daher nicht so leicht weitergeleitet.

Katzenkralle

Die Katzenkralle wird von Völkern des Amazonasraumes seit mehr als 2000 Jahren als Heilpflanze genutzt. In Europa war sie hingegen bis in die 70er Jahre des letzten Jh. völlig unbekannt. Heute wird in der Phytotherapie die Wirkung von Uncaria tomentosa bei rheumatischen Erkrankungen sowie viralen und bakteriellen Infektionen genutzt. Eine Standardisierung der verschiedenen Pflanzenarten ist bisher jedoch noch nicht gelungen. Da die enthaltenen Alkaloide allerdings sehr unterschiedliche Wirkungen haben, sollte man bei Katzenkralle immer auf seriöse Produkte aus der Apotheke achten. Über den positive Effekt des Pflanzenextrakts wurde u.a. im Journal of Rheumatology (Mur E et al., 2002) berichtet.

Naturstoff/Postulierte Hemmung von Targets/Funktionen

Teufelskralle/COX-1/2, 5-LO, ROS, NFκB, TNFα, IL-1β, IL-6, iNOS, MMPs

Weidenrinde/COX-1/2, ROS, TNFα;, IL-1β, IL-6, ICAM, Hyaluronidase

Katzenkralle/COX-1/2, ROS, NFκB, TNFα, iNOS

Pappelrinde/COX-1/2, 5-LO, ROS, Elastase, Hyaluronidase

Weihrauch/COX-1/2, 5-LO, mPGES-1, NFκB, TNFα, iNOS, MMPs, Elastase, Cathepsin G

Hagebutte/COX-1/2, 5-LO, ROS, TNFα, IL-2, IL-6, IL-12, INFγ

Glucosamin/*ROS

Chondroitin/*IL-1b, TNFα in Makrophagen

Hyaluronsäure/*Chemotaxis von Entzündungszellen sowie Arachidonsäureabbaus

Abkürzungen: COX: Cyclooxygenase; 5-LO: 5-Lipoxygenase; ROS: Reaktive Sauerstoffspezies; mPGES-1: mikrosomale Prostaglandin-E2-Synthase-1; NFκB: nukleärer Faktor κB; IL: Interleukin; INFγ: Interferon; ICAM: Interzelluläres Adhäsionsmolekül; iNOS: induzierbare Stickstoffmonoxid-Synthase; TNF: Tumornekrosefaktor; MMP: Matrix-Metalloproteinase; * = indirekter Wirkmechanismus