Neue Diskussion über Arzneimittelpreise

Die Pharmawirtschaft wünscht sich neue Lösungen bei der Honorierung von Medikamenten, und die Diskussion darüber nimmt langsam Fahrt auf. Wie berichtet, fordert der Apothekerverband eine pauschale Honorierung. Es solle eine Vergütung unabhängig vom Preis des Medikamentes geben und die Beratungsleistung für ein Medikament müsse honoriert sein, forderte zuletzt Mag. pharm. Jürgen Rehak, Präsident des Österreichischen Apothekerverbandes.

Nun meldet sich auch die Industrie zu Wort. Innovative Arzneimittel würden, sobald sie nach ihrer Marktzulassung den Patienten zur Verfügung stehen, häufig wegen ihrer hohen Preise kritisiert, sagt Mag. Alexander Herzog, Generalsekretär des Branchenverbandes Pharmig. Tatsächlich ist es für die Hersteller selbst herausfordernd, einen Preis festzusetzen, der den enormen Leistungsspektren solcher Produkte Rechnung trägt. Denn zur jahrelangen Entwicklungsdauer – im Durchschnitt mehr als zwölf Jahre – kommen Investitionen von Hunderten Millionen Euro – in manchen Fällen sogar über zwei Milliarden Euro. Die pharmazeutische Industrie arbeite daher an Preismodellen, die eine gangbare Lösung sowohl für Unternehmen als auch für Gesundheitssysteme sein können.

Ein viel versprechender Ansatz ist das sogenannte „Pay for Performance“-Modell. Dabei soll der Preis je nach Ergebnis der Behandlung festgelegt werden. Zuletzt hatte international auch der Chef des Schweizer Pharmakonzern Novartis, Vasant Narasimhan, ein Umdenken in der Honorierung neuer Medikamente gefordert. Er mahnte neue Vergütungsmodelle für neue und teure Behandlungen wie etwa Gen- und Zelltherapien an. Der Vorschlag: Bezahlt wird eine Therapie nur, wenn sie wirkt. Dann aber wird viel dafür bezahlt. Damit sich das wiederum ausgeht, schlägt Narasimhan eine Kostenerstattung über einen längeren Zeitraum statt einer einmaligen Zahlung vor. Doch das wirft auch nach Ansicht von Herzog eine Reihe von Fragen auf, denn das Behandlungsergebnis sei von mehreren Faktoren abhängig. „Dazu nur ein Beispiel: Damit ein Arzneimittel wirkt, muss es der Patient auch einnehmen. Richtet sich der Preis der Behandlung nach dem Erfolg, so muss dementsprechend gewährleistet sein, dass der Patient das Medikament regelmäßig und nach Vorgabe einnimmt. Allein dies zu überwachen, ist schon herausfordernd“, sagt er.

Die Branche sei jedenfalls schon in ihrem eigenen Interesse daran interessiert, für die Zukunft Lösungen zu finden. „Es ist mitnichten ihr Geschäftsmodell, Gesundheitssysteme über Gebühr zu belasten. Ganz im Gegenteil: Gerade in Österreich setzt die pharmazeutische Industrie wichtige und bedeutende Impulse zur Stärkung des Gesundheitswesens“, hält Herzog fest. In fünf Jahren, zwischen 2012 und 2017, hat die Industrie 189 Arzneimittelinnovationen auf den Markt gebracht. Allein 2017 wurden 35 Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen zugelassen. Herzog: „Die Entwicklung neuer Arzneimittel läuft auf Hochtouren, und es ist erfreulich, dass immer mehr Behandlungsmöglichkeiten für Patienten geschaffen werden. Nicht nur die Patienten selbst, auch die Angehörigen, Ärzte und Pflegekräfte, der Arbeitsmarkt und damit die Volkswirtschaft insgesamt profitieren davon, wenn Produkte die Lebensqualität von kranken Menschen erhöhen und sie wieder mobil und arbeitsfähig machen. Das sind Aspekte, die in die Bewertung dieser medikamentösen Therapien einfließen müssen und die gleichzeitig schwierig zu quantifizieren sind.“

Die Debatte in Österreich kommt nicht von ungefähr: Der seit 2008 bestehende und mehrfach verlängerte Rahmen-Pharmavertrag, der pauschale Rabattzahlungen der Branche geregelt hat, ist Ende des Jahres ersatzlos ausgelaufen. Sowohl Kassen wie auch die Pharmawirtschaft waren nicht mehr wirklich zufrieden damit. An einem neuen Konzept wird dem Vernehmen nach gearbeitet. „Derzeit entfällt ein Drittel der Ausgaben auf 0,56 Prozent der Medikamente. Der Grund dafür ist, dass gerade die hochpreisigen Produkte gestiegen sind. Hierfür wollen wir ein Nachfolgewerk finden. Unser Wunsch ist, dass wir eine Verbandslösung finden und keine Einzellösungen“, sagt Hauptverbandsvorsitzender Dr. Alexander Biach im Interview mit der Apotheker Krone Ausgabe 5 (Fragen zwischendurch, Seite 54). Damit man über die Wünsche der Apotheken reden könne, bräuchten beide Seiten für eine seriöse Kalkulation einmal Umsatzzahlen von Medikamenten, die unter der Rezeptgebühr liegen, betont Biach wortgleich mit Rehak.

Erste Zahlen dazu hat nun das Marktforschungsunternehmen IQVIA veröffentlicht. Eine für das zweite Halbjahr 2018 durchgeführte Studie zeigt, dass 25,6 % aller erstattungsfähigen Arzneimittel in Österreich von Patienten privat bezahlt werden. 46,6 % aller Arzneimittel auf Kassenrezept waren im Betrachtungszeitraum von der Rezeptgebühr befreit. Daten hierzu wurden zum ersten Mal für den Monat Juli 2018 erhoben. Der nun längere Betrachtungszeitraum über ein halbes Jahr bestätigt den Trend des damaligen „Schnappschusses“. Für Arzneimittel deren Preis unterhalb der Rezeptgebühr liegt, stehen den Gebietskrankenkassen nur unvollständige Abrechnungsdaten zur Verfügung, teilt IQVIA mit. Man habe auf Basis der um Informationen zur „Rezeptgebührenbefreiung einzelner Kaufakte“ erweiterten Verkaufsdaten („Sell-out-Daten“) der mehr als 500 Partnerapotheken (das sind 36 % aller öffentlichen Apotheken) den aktuellen Status quo für das zweite Halbjahr 2018 analysiert.

Demnach liegt der Krankenkassenpreis von 37,3 % aller erstattungsfähigen Arzneimittel unter der Rezeptgebühr und wurde, falls der Patient nicht rezeptgebührenbefreit war, somit privat bezahlt. Zieht man davon den rezeptgebührenbefreiten Anteil von 11,7 % ab, liegt der Anteil privat bezahlter Arzneimittel bei 25,6 %. Dies war im zweiten Halbjahr 2018 jener Anteil an erstattungsfähigen Arzneimittelpackungen, der von den Apothekern überhaupt nicht mit den Gebietskrankenkassen verrechnet wurde und somit auch nicht in die Beurteilung einer Rezeptgebührenbefreiung des Patienten einfließt. Bei pantoprazolhaltigen Arzneimitteln beträgt der von den sozialversicherten Patienten privat bezahlte Anteil überhaupt sogar 63 %.

Von der Rezeptgebühr befreit sind eine Ausgleichszulage beziehende Pensionisten, Zivildiener, Mindestsicherungsbezieher oder Personen, die mehr als 2 % ihres Nettoeinkommens für Arzneimittel ausgeben und mindestens 37-mal Rezeptgebühren im Jahr bezahlt haben. Der Anteil aller Arzneimittelpackungen, die auf Kassenrezept abgeben wurden und von der Rezeptgebühr befreit waren, stieg im Betrachtungszeitraum des zweiten Halbjahres 2018 von 36,1 % im Juli 2018 auf 46,6 % an, da mit fortschreitendem Jahr immer mehr Patienten unter die Rezeptgebührenbefreiung fallen. Im Jahresmittel dürfte der Wert jener Arzneimittelpackungen, die von der Rezeptgebühr befreit waren, daher bei rund 34 % liegen. Ein Update der Studie will IQVIA im Sommer 2019 veröffentlichen, dann liegen Daten für ein vollständiges Jahr vor.