„Notfallverhütung“ oder „der Kampf gegen Vorurteile und die Zeit“

In der Apotheke sehen wir uns mit beiden Personengruppen konfrontiert. Deshalb ist bei diesem sensiblen, und für die Betroffenen bisweilen sogar lebensentscheidenden Thema, die pharmazeutische Kompetenz, aber auch Feinfühligkeit und Verständnis gefordert. Weder handelt es sich bei den seit einigen Jahren rezeptfrei erhältlichen Levonorgestrel-Präparaten nämlich um eine „gefährliche Hormonbombe“ noch um einen Persilschein für den sorg- und gedankenlosen Umgang mit dem Thema Verhütung.

Keine Abtreibungspille

Da das Gestagen-Präparat ausschließlich auf den Eisprung wirkt (bisher konnte kein Einfluss auf die Nidation festgestellt werden), handelt es sich hier um keinen Schwangerschaftsabbruch. Hat die Befruchtung bereit stattgefunden, ist die „Pille danach“ unwirksam. Deshalb ist auch die rasche Einnahme nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr wesentliches Kriterium für die Wirksamkeit des Präparates. Die Fachinformation erlaubt ein Anwendungsfenster von 72 Stunden, größte Sicherheit ist aber bei einer Einnahme innerhalb von 12 Stunden gegeben. Die zeitliche Relevanz ist ein wesentlicher Faktor für den Bedarf der einfachen, unbürokratischen Verfügbarkeit der Notfallverhütung.
Ein wenig anders verhält sich der Wirkmechanismus des rezeptpflichtigen Notfallpräparates mit dem Wirkstoff Ulipristalacetat. Der Progesteron-Rezeptor-Modulator kann bis zu 120 Stunden nach dem ungeschützten Verkehr angewendet werden, da er noch bei einer höheren Konzentration des LH-Spiegels wirksam ist und somit auch in einem späteren Zyklusstadium hemmende Wirkung auf den Eisprung aufweist.

Der Zeitpunkt entscheidet

Doch nicht nur die zeitnahe Einnahme ist für die Wirksamkeit entscheidend. Auch mögliche Wechselwirkungen (etwa mit Johanniskraut und den Wirkstoffen Griseofulvin, Rifampicin und Rifabutin) sind zu beachten. Wird innerhalb von drei Stunden nach der Einnahme erbrochen, so ist eine erneute Gabe erforderlich. Durchfall bedingt keine Wirkminderung.
Manchmal wird auf die Notfallverhütung verzichtet, da man sich in einem vermeintlich sicheren Bereich des Zyklus wähnt. Allerdings findet nur bei einigen Frauen der Eisprung tatsächlich zwischen dem 10. und 14. Tag statt. In der Praxis zeigt sich eine Verteilung zwischen Tag 5 und Tag 21. Deshalb ist bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr sicherheitshalber zu jedem Zeitpunkt des Zyklus auf die Notfallverhütung zurückzugreifen.
Nachdem durch das Gestagen-Präparat der Eisprung verzögert wird, ist mit einem Einsetzen der Monatsblutung ein paar Tage nach dem üblichen Zeitpunkt zu rechnen. Diese kann allerdings auch vorzeitig beginnen. Ebenso ist das Auftreten von Zwischenblutungen nicht ungewöhnlich.

 

Das MUSS bei der Abgabe gefragt werden:
  • Wie lange ist es her, dass Sie ungeschützten Verkehr hatten?
  • Nehmen Sie normalerweise ein hormonelles Verhütungsmittel? (Wenn ja, Aufklärung über die weitere Handhabe!)
  • Haben Sie schon einmal die „Pille danach“ verwendet? (Wenn ja, dringender Hinweis auf alternative Verhütungsmethoden, Gespräch mit dem Gynäkologen!)
  • Hinweis auf mögliche Nebenwirkungen und die Wiederholung der Einnahme bei Erbrechen innerhalb von drei Stunden!

 

„Eigentlich nehm’ ich eh die Pille, aber …“

Wurde die Einnahme der regulären hormonellen Verhütung vergessen, so ist diese trotz der Einnahme der „Pille danach“ nach dem gewohnten Schema fortzusetzen. Allerdings muss bis zum Beginn des nächsten Zyklus auf eine zusätzliche mechanische Verhütungsmethode zurückgegriffen werden. Generell ist die Notfallverhütung nur für den vergangenen Geschlechtsverkehr wirksam und nicht auf folgende Kontakte anrechenbar. Von einer wiederholten Einnahme innerhalb eines Zyklus wird abgeraten.

Keine Frage des Alters

Bisweilen wird die „Pille danach“ von sehr jungen Mädchen verlangt. Der Erlass des Ministeriums sieht hier eine eindeutige Regelung vor und hat die Rezeptfreiheit für „Frauen jeden Alters“ definiert. Allerdings kommt gerade bei dieser Personengruppe der Beratung durch den Apotheker bzw. der Apothekerin eine bedeutende Rolle zu. Nicht nur wegen der häufig auftretenden Nebenwirkungen wie Übelkeit, Kopfschmerzen oder Brustspannung sollte auf passende Verhütungsmethoden und ein Gespräch mit dem Gynäkologen hingewiesen werden. Bisweilen ist nämlich die Aufklärung und Information junger (aber auch älterer) Mädchen erstaunlich gering.
Auch wenn es sich bei der „Pille danach“ um ein recht sicheres und verträgliches Notfallmedikament handelt, so ist sie keinesfalls für eine regelmäßige Anwendung gedacht. Sowohl in Wirkung wie auch Nebenwirkung ist sie der regulären hormonellen Verhütung unterlegen.

 

Fakten* zur „Pille danach“:

  • 64 % aller Verwenderinnen sind in einer festen Beziehung oder verheiratet.
  • Nur jede 2. Einnahme erfolgt innerhalb von 12 Stunden nach dem ungeschützten Verkehr.
  • Das Durchschnittsalter der Anwenderin liegt bei 24 Jahren.
  • Das Durchschnittsalter bei der Erstverwendung beträgt 21,6 Jahre (allerdings sind auch 20 % jünger als 16).
  • Fast 50 % aller Notfälle resultieren aus einer Panne mit dem Kondom.

* Studie von Meinungsraum 10/2012 unter 310 Frauen zwischen 14 und 49 Jahren