Primärversorgung neu nimmt langsam Fahrt auf

Die Umsetzung der neuen Primärversorgungseinheiten kommt langsam in Fahrt. Nachdem bereits 2014 im Bundeszielsteuerungsvertrag die Errichtung der neuen PVE beschlossen wurde, sind mittlerweile zwölf Einrichtungen in Betrieb – davon elf Primärversorgungszentren (PVZ) und ein Primärversorgungsnetzwerk (PVN). In sieben dieser Einheiten ist auch bereits eine Apotheke mit an Bord. Weitere 20 PVE sind in näherer Zukunft geplant. Auffällig ist, dass sich Bundesländer wie Wien, Ober- und Niederösterreich sowie die Steiermark bereits in Umsetzung der Pläne befinden, während andere wie Vorarlberg kräftig hinterherhinken. Insgesamt fehlt vor allem noch der bundesweite Gesamtvertrag zwischen der Österreichischen Ärztekammer und dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger – er wird seit Anfang des Jahres verhandelt. In wesentlichen Eckpunkten ist man sich allerdings einig. „Es wird angestrebt, diesen Vertrag bis Ende 2018 abzuschließen – die Abschlusswilligkeit beider Vertragsparteien vorausgesetzt. Die möglichen Auswirkungen der geplanten Ärztegesetz-Novelle mit der Anstellungsmöglichkeit von Ärzten bei Ärzten spielen für die neue Primärversorgung dabei natürlich eine Rolle“, heißt es beim Hauptverband. „Die Modelle divergieren von Bundesland zu Bundesland. Es gibt regionale Unterschiede und andere Bedürfnisse, insofern ist es gut, dass jedes Bundesland eigene Möglichkeiten zur Gestaltung hat. Wir sind aber im Fertigwerden, es sind nur noch Details zu klären“, sagt der Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer, MR Dr. Johannes Steinhart.

Der Begriff PVE und auch die genaue Zuordnung ist vielen allerdings nach wie vor unklar. Während die GKK in der Steiermark beispielsweise ihre „Gesundheitszentren“ zu PVE zählt, tut dies der Hauptverband nicht. Oft wird auch in der Diskussion der Begriff PHC verwendet, der allerdings für die Primärversorgung als solche (Primary Health Care) und nicht für Primary Health Center steht. Manche PVE haben Apotheken als Partner, so auch das einzige PVN Neuzeug-Sierning, in dem auch die Apotheke ­von Apothekerkammer-Präsidentin, Mag. pharm. Dr. Ulrike Mursch-Edlmayr, vernetzt ist.

Die Apotheker Krone hat sich einen Überblick über die derzeitige Situation verschafft: Der Startschuss für die neuen PVE fiel 2015 mit der Eröffnung des PVZ MedizinMariahilf in Wien, zwei Jahre später folgte das PVZ Donaustadt. „Erste Auswertungen zur Versorgungswirksamkeit des PHC MedizinMariahilf zeigen ein sehr positives Bild und bestätigen den eingeschlagenen Weg“, sagt Mag. Ingrid Reischl, Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse. Weitere PVE werden mit dem regionalen Strukturplan für Wien, der bis Ende des Jahres fertiggestellt werden soll, geplant, es sollen vier sein.

 

 

In Niederösterreich hat vor etwas über einem Monat das erste PVZ in Böheimkirchen eröffnet, zwei weitere in Schwechat und St. Pölten sollen Anfang 2019 folgen und sind in der Grafik bereits verzeichnet. Derzeit wird das für PVZ bestehende Basispapier zwischen niederösterreichischer GKK und Ärztekammer für Netzwerke erweitert, eine Interessentensuche wird folgen. Das Interesse sei groß, weiß man im Hauptverband. „Eine Primärversorgungseinheit ist die erste Adresse, wenn es um Gesundheitsfragen geht. Wir haben uns genau überlegt, was wir haben wollen – und die Pilotphase ist im Plan. Die Kostenbremse der Bundesregierung hat uns fürs Erste freilich ein wenig zurückgeworfen“, erklärt der Obmann der NÖGKK, Gerhard Hutter.
Vier erfolgreiche Pilotprojekte sind in Oberösterreich in Betrieb: die PVZ Haslach, Marchtrenk und Enns sowie das österreichweit bisher einzige PVN in Neuzeug-Sierning. Weitere PVE wie in Linz sind in der Gründungsphase. In Oberösterreich will man die PVE-Strategie auch über 2021 weiterverfolgen: Bis 2025 soll es 25 geben. OÖGKK-Obmann Albert Maringer sagt dazu: „Die bisherigen Erfahrungen und Projekte zeigen ganz deutlich: Diese Projekte laufen nicht von selbst. Sie sind vergleichbar mit Start-ups, die sehr viel Begleitung, Unterstützung und Anschub durch die jeweilige GKK brauchen, um gut aufzugehen.“ Was noch wichtig ist: „Wir brauchen engagierte Ärztinnen und Ärzte, die so ein Projekt mit uns hochziehen wollen.“

In der Steiermark gibt es die Gesundheitszentren Mariazell, Eisenerz, Joglland, Weiz und Anfang Dezember eröffnet das PVZ Medius in Graz. Fünf weitere Projekte befinden sich in Planung. „Primärversorgungszentren sind keine Konkurrenz, aber eine wichtige Ergänzung zum klassischen Hausarzt. Dieses zusätzliche Angebot leistet einen wesentlichen Beitrag, um ärztliche Versorgung auch in strukturschwächeren Regionen abzusichern. Das Modell entspricht auch dem Wunsch vieler – vor allem jüngerer – Ärzte nach einer teamorientierten und zeitlich besser planbaren Arbeit“, erklärt der steirische GKK-Obmann Josef Harb.

Noch gibt es in Salzburg kein PVE, im Tennengau, der Wallersee-Region und im Gasteinertal sollen PVN entstehen. Auch in Kärnten bestehen noch keine PVE, Pläne gibt es für Villach, Velden und Klagenfurt. Diese Projekte sollen vorerst noch nicht als PVN, sondern als Gruppenpraxen eingeführt werden, das sei niederschwelliger, erzählt der Obmann der Kärntner GKK, Georg Steiner.

Keine PVE findet man außerdem im Burgenland, ein PVN ist derzeit konkret geplant, insgesamt sollen es drei werden. Dem Direktor der burgenländischen GKK, Mag. Christian Moder, kommt es vor allem auf die richtige Verwendung der Begriffe an: „Zentren machen Sinn in Ballungsräumen mit großem Einzugsgebiet und einer relativ hohen Anzahl an zu versorgenden Menschen. Sinnfrei und geradezu kontraproduktiv wirken Zentren im ländlichen Raum, führen sie doch dazu, dass durch die Schaffung eines Zentrums Ärzte und andere Gesundheitsdienstleister aus den Gemeinden abgezogen und in diesem Zentrum zusammengeführt werden. Damit wird die wohnortnahe Basisversorgung unterminiert. Sowohl die mediale Berichterstattung als auch die inhaltliche Diskussion ist zu stark auf Zentren fokussiert, wiewohl ein Großteil der Bevölkerung im ländlichen Raum lebt und auch dort zu versorgen ist.“

In Tirol gibt es noch keine PVE, zwei PVN – eines in Osttirol und eines in Innsbruck-Umgebung – sind laut Hauptverband in Planung. „Es werden laufend Gespräche mit potenziellen Interessenten in mehreren Regionen Tirols geführt; Land Tirol, Sozialversicherung und Ärztekammer ziehen dabei an einem Strang. Es sind jedoch noch viele offene Fragen zu klären, wie beispielsweise die Beibehaltung der Hausapotheke nach Gründung eines Primärversorgungsnetzwerkes“, sagt Dr. Arno Melitopulos, Direktor der TGKK.
Vorarlberg wartet auf den Abschluss des bundesweiten Gesamtvertrages. PVE gibt es keine.

 

Neue Einheiten für Primärversorgung

Mit der Schaffung neuer so genannter Primärversorgungseinheiten (PVE) will man folgende Vorteile nutzen:

  • Teamwork zwischen Ärzten, Therapeuten, Pflegern und anderen Gesundheitsberufen
  • bessere Work-Life-Balance der Teammitglieder
  • Entlastung der Ambulanzen
  • rasche Abklärung, Beratung, Therapie, Nachsorge und Prävention – aus einer Hand
  • längere Öffnungszeiten zum Nutzen der Patienten
  • In Österreich sollen laut Bundeszielsteuerungsvertrag Gesundheit 75 PVE entstehen, tatsächlich sind derzeit in den Bundesländern 76 Einheiten geplant. Eine PVE kann entweder ein Primärversorgungszentrum (PVZ) oder ein Primärversorgungsnetzwerk (PVN) sein. Für welche Einheit man sich entscheidet, hängt von den regionalen Gegebenheiten ab. Für weniger besiedelte Regionen mit mehreren kleinen Gemeinden werden sich Netzwerke von einzelnen Ordinationen besser eignen, während Zentren, in denen die Betreuung unter einem Dach erfolgt, in Ballungsräumen sinnvoll sind.