Schlaf als Ressource verstehen

„Der Schlaf ist doch die köstlichste Erfindung“, heißt es in Heinrich Heines Tragödie William Ratcliff. Das kann man durchaus unterstreichen, denn wer schätzt es nicht, sich abends der wohlverdienten Bettruhe hinzugeben und morgens mit dem Gefühl aufzuwachen, so richtig ausgeschlafen und munter zu sein. Leider ist dies aber bei immer weniger Menschen der Fall, wie zahlreiche Publikationen zeigen. Ein Viertel bis ein Drittel der Bevölkerung war schon vor der Pandemie von regelmäßigen Schlafproblemen betroffen, und Corona hat sich aus vielerlei Gründen als zusätzlicher Schlafräuber erwiesen. Der bekannte Schlafforscher Dr. Christian Benedict von der schwedischen Universität Uppsala meinte im Vorjahr sogar, es stehe uns ein wahrer „Schlaflosigkeitstsunami“ bevor.* Finanzielle und gesundheitliche Sorgen würden Menschen im Bett grübeln lassen und die Schlafqualität verschlechtern. Auch Lockdowns hätten Spuren im Schlafverhalten hinterlassen. Da diese Krise und auch ihre Nachwirkungen (Stichwort: „Pleitewelle“) wohl noch länger nicht vorüber sind, ist in den kommenden Monaten mit noch deutlich mehr hilfesuchenden Betroffenen zu rechnen.
Das Thema muss also auf mehreren Ebenen angegangen werden. Erstens: Über Schlafhygiene und Schlafarchitektur wird immer wieder berichtet und aufgeklärt, aber offenbar noch nicht genug. Immer noch haben viele Menschen ihre Devices im Schlafraum und glauben, der Fernsehschlaf sei der beste. Besonders auf Jugendliche, für die Laptop, iPad und Smartphone im Bett ganz normal sind, müssen wir achtgeben – sie befinden sich dadurch in einem permanenten Jet-Lag. Zweitens: Die Erkenntnisse der Schlafmedizin sollten in den kommenden Jahren noch mehr vor den Vorhang geholt werden. Und Wearables, also Geräte, die angeblich unsere Schlafqualität messen und die Schlafphasen aufzeichnen, sind kein Ersatz für ein Schlaflabor. Diesem Editorial ging eine Recherche zu solchen Geräten voraus. Fazit: Was auch immer hier gemessen wird, es ist aktuell nicht einmal ein Anhaltspunkt, wie es um unsere Schlafqualität wirklich steht. Drittens: Schlaflosigkeit braucht viel Beratung und Zuhören, was den Menschen gerade Sorgen macht. Und schließlich viertens: Schlaf muss trendig werden, und wer ausgiebig schläft, hat sich nicht verdient, als Schlafmütze hingestellt zu werden! Aktuell hat man eher den Eindruck, wer bietet weniger. Dabei erholen sich nicht nur Immunsystem und Muskeln im Schlaf, sondern auch das Gehirn bekommt einen Reset. Nicht ­viele sind ein Napoleon, der mit 4 Stunden Schlaf auskam. Angeblich. Und viele seiner Entscheidungen zeugen auch nicht von großer Genialität …