Senioren an der Tara

Die Alterspyramide zeigt es deutlich: Der Anteil älterer Personen nimmt in unserer Gesellschaft zu. Die hohe Lebenserwartung geht jedoch häufig mit zahlreichen chronischen Erkrankungen einher, was wiederum mit einer großen Anzahl an verordneten Medikamenten einhergeht. Diese Polypharmazie birgt ein hohes Interaktionspotenzial unterschiedlicher Schweregrade. So besteht bei der Einnahme von zehn Arzneimitteln bereits ein 90%iges Risiko für eine Interaktion.1 Eine wichtige Aufgabe der Apotheker besteht daher unter anderem darin, die einzelnen Verordnungen hinsichtlich möglicher Interaktionen zu überprüfen, insbesondere bei Rezepten verschiedener Ärzte. Trotz genauer ärztlicher Befragung werden von den Patienten auch dem Arzt gegenüber nicht immer alle Arzneimittel angegeben. Eine wesentliche Verbesserung hinsichtlich der Arzneimittelsicherheit bietet das System ELGA, das Arzt und Apotheker einen Einblick in die Medikation gewährt. Auch der EDV-unterstützte Interaktionscheck ist aus dem Apothekenalltag nicht mehr wegzudenken. Die Beachtung potenzieller Interaktionen und Nebenwirkungen ist selbstverständlich auch beim Kauf rezeptfreier Medikamente von hoher Relevanz.

Vorsicht: Wechselwirkung!

Polypharmazie ist bei multimorbiden Patienten unumgänglich. Chronische Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Hypertonie, rheumatische Erkrankungen et cetera erfordern stets eine Dauertherapie. Dennoch ist Bedacht darauf zu nehmen, die Anzahl der erforderlichen Arzneimittel so gering wie möglich zu halten. Dies ist an der Tara vor allem beim Wunsch nach rezeptfreier Zusatzmedikation zu beachten.

Besonders hohes Wechselwirkungspotenzial weisen blutverdünnende Arzneimittel auf. Werden Cumarine, DOAK oder Thrombozytenaggregationshemmer eingenommen, so ist vor allem bei gleichzeitiger Verordnung von NSAR, Glucocorticoiden, SSRI und SNRI Rücksprache mit dem Arzt zu halten. Problematische rezeptfreie Arznei- beziehungsweise Nahrungsergänzungsmittel sind in Tabelle 1 aufgelistet.

 

 

Compliance und Verträglichkeit

Aufgrund sich im Alter verändernder pharmakodynamischer und pharmakokinetischer Vorgänge ist auch die Verträglichkeit vieler Arzneimittel anders als bei jüngeren Patienten. Zur Verbesserung der Compliance ist es sehr hilfreich, regelmäßig den aktuellen Einnahmeplan mit den Patienten zu besprechen und bei Bedarf – nach Rücksprache mit dem Arzt – zu optimieren. Auch die jeweiligen Essgewohnheiten sollten dabei immer berücksichtigt werden (Wann beziehungsweise was wird gefrühstückt? et cetera). Bei Schluckstörungen können andere Darreichungsformen die Einnahme erleichtern. Insbesondere bei dementen Personen ist die Compliance stark herabgesetzt. Vergessliche Personen können häufig nicht genau angeben, welche Arzneimittel beziehungsweise wann sie diese einnehmen. Vonseiten der Apotheke kann angeboten werden, die Arzneimittel zum Beispiel in einem Wochendispenser einzuteilen. Auch sollte das Gespräch mit Angehörigen gesucht werden, um eine entsprechende Betreuung diesbezüglich sicherzustellen.

Risiko: Sturz

Nicht zu unterschätzen ist das erhöhte Sturzrisiko älterer Menschen. Zunehmende Schwäche der Muskulatur, Gleichgewichtsstörungen, verminderte Koordinationsfähigkeit, aber auch Beeinträchtigung durch Medikamente können zu Schwindel, Gangunsicherheit und schließlich zu Stürzen führen. Erkrankungen wie Morbus Parkinson und Sehstörungen gehen per se mit einer beträchtlichen Sturzgefahr einher. Die höhere Fragilität der Knochen älterer Personen birgt außerdem ein massives Frakturrisiko.

Die Einnahme folgender Arzneimittel kann das Sturzrisiko erhöhen:

  • Hypnotika wie Benzodiazepine, Diphenhydramin
  • Morphine
  • Antidepressiva und Neuroleptika
  • Antihypertonika (Problem bei zu starker Blutdrucksenkung)
  • Anticholinergika (Problem Akkomodationsstörung)
  • Antidiabetika (Problem Hypoglykämie)

Um Stürze bei nächtlichem Aufstehen zu vermeiden, ist von der abendlichen Einnahme eines Diuretikums abzuraten. Schwindel wird häufig auch durch eine zu geringe Flüssigkeitszufuhr verursacht. Senioren fehlt mitunter das Durstgefühl beziehungsweise „vergessen“ sie schlichtweg zu trinken. Eine schwache Muskulatur ist ein weiterer Risikofaktor für Stürze. Die nachlassende Muskelleistung ist sowohl Ursache als auch Folge zunehmender Immobilität. Es ist daher wichtig, Senioren zur Bewegung zu animieren. Auch Mangelernährung ist im Alter weitverbreitet. Schluckstörungen und Schwierigkeiten beim Zerkauen der Nahrung sind dafür ebenso verantwortlich wie nachlassender Appetit oder Geschmacksstörungen (durch Medikamente). Ermutigen Sie daher Ihre Patienten, vor allem proteinreiche Lebensmittel in ausreichender Menge zu essen. Zu vermeiden sind außerdem Stolperfallen und rutschige Böden im Wohnbereich. Dazu zählen etwa Teppiche, Türschwellen und Kabel. Geeignete Gehhilfen sind ebenfalls empfehlenswert.

Elektrolyte aus dem Gleichgewicht

Elektrolytentgleisungen des Natrium- und Kaliumhaushaltes gehen mit zahlreichen Symptomen einher. Muskelschwäche und vermehrte Müdigkeit beispielsweise treten sowohl bei einer Hypo- als auch einer Hyperkaliämie auf. Dieselben Symptome können jedoch ebenso wie Schwindel, Übelkeit und Kopfschmerzen auf eine Hyponatriämie hinweisen. Bei Verdacht auf eine Elektrolytentgleisung ist daher unbedingt die Medikation zu erfragen beziehungsweise umgehend an den Arzt zu verweisen.

 

 

1 https://www.aerztezeitung.at/archiv/oeaez-2019/oeaez-4-25022019/polypharmazie-im-alter.html