Statement der AGES
 zur Sicherheit von ASS

Apotheker Krone: Mehrere Studien weisen auf einen Zusammenhang von regelmäßiger ASS-Einnahme und dem erhöhten Risiko einer neovaskulären altersbedingten Makuladegeneration hin. Wie schätzt die AGES/BASG das Risiko ein?

Die angeführten Arbeiten wurden prospektiv durchgeführt, umfassen insgesamt ein weit reichendes Patienten­kollektiv und einen langjährigen Beob­achtungszeitraum.
Dennoch sind bei der Beurteilung der Ergebnisse auch die Limitierungen zu beachten: Es handelt sich durchgehend um Beobachtungsstudien, die bereits aufgrund ihrer Natur spezifische Fehlerquellen beinhalten. Dazu gehört die relativ hohe Drop-out-Rate sowie die Tatsache, dass die Angaben über die eingenommenen Dosierungen durch Patientenbefragung in zum Teil sehr langen Abständen erhoben wurden und damit einem Recall Bias unterliegen können. Eine weitere Schwierigkeit bei der Beurteilung von Daten aus Beobachtungsstudien ist das Fehlen über Informationen zu möglicherweise relevanten Begleiterkrankungen.
Der beobachtete Effekt ist nicht sehr groß, und trotz multivariater Analyse sind alternative Erklärungen nicht auszuschließen. Die Anzahl der AMD-Fälle ist gering, was zu einer hohen statistischen „Unsicherheit“ führt. Das Vertrauensintervall ist breit und das untere Limit nahe null (= „kein Effekt“). Insgesamt wären für die Beurteilung dieses Risikos neben diesen hypothesengenerierenden Publikationen weiterführende (soweit möglich randomisierte) Studien wünschenswert.
Das allfällige Risiko muss auch im Lichte des Nutzens der Anwendung von ASS gesehen werden: Eine der zum Thema Kardioprotektion publizierten Metanalysen aus dem Jahr 2002  kommt zu dem Schluss, dass das Risiko, ein vaskuläres Ereignis zu erleiden, durch Einnahme von ASS über den Zeitraum von zwei Jahren von zirka 13 auf zehn Prozent gesenkt wird. Demgemäß reicht es aus, 50 Risikopatienten über zwei Jahre zu behandeln, um ein kardiovaskuläres Ereignis zu verhindern. Im Vergleich dazu findet die Publikation von Klein et al. ein Zehnjahresrisiko für das Auftreten einer AMD in der ASS-Gruppe 1,76 versus 1,03 Prozent in der Kontrollgruppe. Das heißt, man müsste 137 Menschen über einen Zeitraum von zehn Jahren mit ASS behandeln, um eine zusätzliche AMD zu „verursachen“ (vorausgesetzt, der Zusammenhang ist wirklich kausal).

Apotheker Krone: Sind diesbezüglich bei der AGES/BASG Meldungen eingetroffen?

Dem BASG liegen keine Meldungen über das Auftreten von AMD im Zusammenhang mit der Einnahme von Acetylsalicylsäure vor.

Apotheker Krone: Ist eine Adaption der Fachkurzinformationen für Präparate mit Acetylsalicylsäure erforderlich?

Änderungen der Fach- und Gebrauchsinformation erfolgen nach der aktuellen Gesetzgebung auf gesamteuropäischer Ebene nach Diskussion und Entscheidungsfindung in den zuständigen Gremien der Europäischen Arzneimittelagentur (European Medicines Agency, EMA) – eine akute Änderung ist für diesen Fall derzeit nicht abzusehen.
Die Anwendung von Acetylsalicylsäure sollte – wie bei jedem Arzneimittel – unter Abwägung des individuellen Nutzen-Risiko-Verhältnisses erfolgen. Für die Anwendung als Analgetikum gilt (insbesondere im OTC-Bereich): Anwendung der geringsten möglichen Dosis über den geringsten möglichen Zeitraum unter Berücksichtigung von zur Schmerztherapie oder Fiebersenkung eventuell sogar besser geeigneten Alternativen.


Apotheker Krone: Welche Beratungsratschläge haben Sie für Apotheker, die an der Tara mit diesem Thema konfrontiert werden?

Als nationale Arzneimittelagentur bewertet das BASG/ AGES Medizinmarktaufsicht das Nutzen-Risiko-Profil der hierzulande verfügbaren Arzneimittel und lässt Arzneimittel nur zu, wenn dieses Verhältnis angemessen ist und der Nutzen mögliche Risiken überwiegt.
Therapieempfehlungen, die über die Empfehlungen der gültigen Fachinformation hinausgehen, können jedoch nicht abgegeben werden, da Behandlungen und Behandlungsschemata vom Arzt individuell für den Patienten festgelegt und ausschließlich der Verantwortung des Arztes bzw. Apothekers unterliegen.