Interview zu VKI-Kritik an pflanzlichen Produkten

Apotheker Krone: Der VKI stellt aktuell pflanzliche Präparate bei Wechselbeschwerden auf den Prüfstand und kritisiert sie als „wenig geeignet“. Das verunsichert Patientinnen und Apotheker. Was sagt die Expertin?

Brigitte Kopp: Mit diesem Urteil verdammt das österreichische Testmagazin „Der Konsument“ wieder einmal alle pflanzlichen Arzneimittel. Den Beiträgen „Rezeptfreie Medikamente – welche helfen wirklich?“ aus Heft 3/2016 und jetzt „Pflanzliche Mittel bei Wechselbeschwerden – kein Kraut gewachsen“ in Heft 5/2016 sind eine oberflächliche, ungenaue und unzureichende Recherche gemeinsam. Allgemeiner Tenor ist, dass pflanzliche Arzneimittel „ … allesamt ungeeignet sind“. Unverständnis kommt auf, wenn dann noch der Mut aufgebracht wird, mit dieser Aussage an die breite Öffentlichkeit zu gehen.

Die Aussagen sind falsch?

Bei einer Vollzulassung werden Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit, belegt durch klinische Studien des Arzneimittels geprüft, und diese Daten müssen für das behördliche Zulassungsverfahren vorgelegt werden. Dies betrifft „Remifemin“ und „Remifemin plus“. Alle relevanten Informationen über diese Präparate sind im Arzneispezialitätenregister auf der Website des Bundesamtes in Österreich veröffentlicht. Durch verpflichtende Pharmakovigilanzsysteme, also die laufende und systematische Überwachung der Sicherheit eines Fertigarzneimittels und regelmäßige Inspektionen der pharmazeutischen Hersteller durch die Behörden, ist die Arzneimittelüberwachung auch nach der Zulassung und Registrierung gewährleistet.

Was können aber Apotheker verunsicherten Patientinnen sagen?

Das, was sie bisher auch getan haben. Es gibt nichts zu ändern: Die Arzneimittelbehörden würden diese Arzneimittel nicht zulassen, wenn die Antragsunterlagen die strengen Anforderungen an pharmazeutische Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit nicht erfüllt hätten. Für die genannten Produkte existieren ausreichend placebokontrollierte Studien, welche die Wirksamkeit und auch die Sicherheit dieser Präparate belegen mit mehr als 12.000 Patientinnen in 20 klinischen Studien. Für die behauptete leberbeeinträchtigende Wirkung, die in Einzelfällen für Cimicifuga racemosa postuliert wurde, fand sich in einer Metaanalyse keine Evidenz.

Wie sieht es mit anderen Produkten aus?

Auch der Einsatz von Kombinationen mit Johanniskraut ist bei bestimmten Personen mit depressiver Stimmungslage sinnvoll, die Verabreichung in einer Arzneiform weist eine positive Compliance auf. Bei Interesse findet man für Traubensilberkerzenwurzelstock eine beeindruckende Zusammenstellung in der ESCOP-Monografie „Cimicifugae rhizoma“ mit insgesamt 194 Literaturzitaten. Diese allgemeine Bewertung beinhaltet neben den Angaben über die Pflanzeninhaltsstoffe die Forschungsergebnisse bezüglich Pharmakodynamik und klinische Studien.

Sie haben die Zulassungen als traditionelle Produkte genannt. Was ist darunter genau zu verstehen?

Bei den vom VKI genannten „Agnukliman Alpinamed Tropfen“, „Agnukliman Duo Alpinamed Dragees“, „Dr. Böhm Traubensilberkerze 6,5 mg Filmtabletten“ und „Sanvita Meno Tabletten“ mit dem Wirkstoff Traubensilberkerzenwurzelstockextrakt handelt es sich um registrierte Arzneimittel nach „traditional use“. Für diese traditionellen Arzneimittel muss der Nachweis der Qualität, der Unbedenklichkeit und der Plausibilität der Wirksamkeit im beanspruchten Anwendungsgebiet durch eine dokumentierte, langjährige medizinische Verwendung belegt werden. Genau gesagt, für mindestens 30 Jahre, davon mindestens 15 Jahre in einem Land der EU – aber nicht durch klinische Studien, wie fälschlich im Artikel gefordert wird.

Die Konsumentenschützer legen falsche Maßstäbe an?

Wenn man sich der Mühe unterzieht, die einschlägige Literatur hinsichtlich der wissenschaftlichen Daten über die beurteilten pflanzlichen Arzneimittel durchzusehen, ergibt sich ein vollkommen anderes Urteil: Die pauschale Unterstellung, dass alle pflanzlichen Arzneimittel als schlecht zu beurteilen sind, sowie die im Artikel geäußerte Kritik werden durch die positiven Bewertungen von wissenschaftlicher sowie von behördlicher Seite widerlegt.

Ihr Fazit?

Die pflanzlichen Arzneimittel haben ihre Wirksamkeit nicht nur in Studien bewiesen, sondern haben sich auch in der Praxis bewährt: Als selbst Leidtragende konnte ich feststellen, dass zwar Lebensstilveränderungen positiv beitragen, aber die Wechselbeschwerden nicht vollständig aufheben, und ich war – wie so viele andere Frauen in dieser Situation – dankbar, dass es mit pflanzlichen Arzneimitteln wirksame Therapiemöglichkeiten mit geringem Nebenwirkungspotenzial gibt.

Was bleibt den Frauen mit Wechselbeschwerden nach diesem Artikel in der Ausgabe der Zeitschrift „Konsument“ zu raten?

Sowohl Hormonersatztherapie als auch pflanzliche Arzneimittel werden verdammt, die Patientinnen völlig zu Unrecht verunsichert und verängstigt. Dass pflanzliche Arzneimittel laut einer GfK-Umfrage aus dem Vorjahr von 42 Prozent aller 45- bis 55-Jährigen gegen Wechselbeschwerden erfolgreich eingesetzt werden, ist auf deren Wirksamkeit und damit auf die Zufriedenheit der Patientinnen zurückzuführen und entspricht auch den positiven Erfahrungen in der Apotheke. Empfehlungen von Arzt und Apotheker in der beratenden Tätigkeit unterstützen die mündigen Patientinnen bei ihren Entscheidungen.