Versandhandel: Ministerium bremst Drogerien aus

In etwas mehr als 100 Tagen – ab 25. Juni – ist es so weit: Dann wird es EU-weit und auch in Österreich Apotheken erlaubt, rezeptfreie Medikamente über das Internet zu verkaufen. Doch die jetzt vorgelegten Regelungen haben es im Detail in sich. Grundlage ist die europäische Fälschungsrichtlinie, die bereits im österreichischen Arzneimittelgesetz umgesetzt wurde. In einer lange erwarteten Verordnung, die nun in Begutachtung ging, sollen die Auflagen für Apotheken definiert werden, gab das Gesundheitsministerium nun bekannt. Es erwartet in der Vorausschätzung für Kontrollkosten, dass bis zu zehn Prozent der Apotheken in den Onlinehandel einsteigen. Woher die Zahl kommt, ist unklar – in Deutschland liegt der Marktanteil im Versandhandel bei rund zehn Prozent. Beobachter schätzten, dass sich maximal zehn Versandapotheken am Ende am Markt etablieren werden. Versuchen könnten es allerdings tatsächlich mehr. Die genaue Zahl dürfte allerdings erst im Juni feststehen.

Konsumenten war es bisher bereits erlaubt, rezeptfreie Medikamente aus dem EU-Ausland im Internet zu bestellen. Meist kamen sie von Versandapotheken aus Tschechien, Kritiker betonten immer wieder gesundheitliche Risiken von Fälschungen oder Verunreinigungen. Österreichischen Apotheken war der Versand jedoch nicht gestattet. Durch die Vorgabe der EU muss dies nun aber erlaubt werden. Künftig dürfen ausschließlich Apotheken – und nicht auch etwa Drogeriemärkte oder Supermärkte – rezeptfreie Medikamente via Internet verkaufen. Zudem müssen die Apotheken ihre Tätigkeit beim Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) melden und werden von diesem auch kontrolliert; auf der Website der BASG wird dann eine entsprechende Liste veröffentlicht. Um die Bevölkerung EU-weit bei der Suche nach sicheren Bezugsquellen zu unterstützen, wurde innerhalb der Union zudem wie berichtet ein verpflichtendes gemeinsames Logo geschaffen.

Österreich will die EU-Regelungen möglichst streng umsetzen: „Hohe Qualitätsvorgaben und der Versand ausschließlich über Apotheken schützen die Konsumenten vor Arzneimittelfälschungen und erhöhen die Arzneimittelsicherheit“, sagte Gesundheitsministerin Dr. Sabine Oberhauser (SPÖ). „Es wurden drei Ziele definiert“, sagt der auf Arzneimittelrecht spezialisierte Rechtsanwalt Mag. Jakob Hütthaler-Brandauer: „Die Etablierung der pharmazeutischen Qualitätssicherung, ein Dokumentationssystem für den gesamten Versandablauf und ein regelmäßiges Kontrollsystem.“

Kaufen dürfen Konsumenten nur für den privaten Gebrauch und auch ohne Mindestbestellmenge. Die Anbieter müssen zudem Arzneimittel zurücknehmen und dann fachgerecht entsorgen. Besteller müssen sich mit ihren Daten bei der Apotheke registrieren. „Das ist bei Internetbestellungen in anderen Bereichen üblich, dürfte aber bei Arzneimitteln sicher eine Hürde sein“, vermutet Hütthaler-Brandauer.

Entscheidend und wohl die größte Hürde sind aber die so genannten letzten Meter der Zustellung. So muss die Sendung direkt dem Empfänger übergeben werden und dafür auch eine Empfangsbestätigung ausgefolgt werden. Anonymität – eines der Hauptargumente für den Onlinekauf von Medikamenten – sieht möglicherweise anders aus. Dazu kommt, dass die Sendungen so zu transportieren sind, dass sie nicht durch andere Sendungen kontaminiert werden, vor Witterungseinflüssen während des Ladens geschützt sind sowie nicht durch Hitze, Kälte, Feuchtigkeit, Licht oder Ungeziefer beeinträchtigt werden können. Der Lieferant muss das alles auch dokumentieren und belegen können. Hütthaler-Brandauer: „Hier übernimmt die Verordnung die Bestimmungen der Apothekenbetriebsordnung. Der versendende Apotheker haftet auch dafür, dass die Transportbedingungen eingehalten werden.“ Dazu gehöre auch, dass sichergestellt sei, dass die vorgegebene Transporttemperatur eingehalten wird. Ob dies nach der Verordnung Temperaturkontrollen erfordern würde sei unklar, „gerechtfertigt wären sie nicht“. Der Transportprozess ist zudem „auf Grundlage eines Qualitätsrisikomanagements zu validieren“. Damit, so vermuten Beobachter, könnte auch eines der weiteren Motive für Onlinekauf von Arzneimitteln kippen – der günstige Preis. Denn die hohen Transportauflagen könnten den Preisvorteil wieder wettmachen.

Und noch ein Detail ist in der Verordnung versteckt: Der Kunde kann zwar bei der Bestellung andere befugte Personen nennen, die die Sendung in Empfang nehmen dürfen, Pick-up-Stellen sind aber explizit ausgenommen. Wörtlich steht in den Erläuterungen zum Entwurf: „Eine Versendung von Arzneispezialitäten an eine im Vorhinein von der versendenden Apotheke auf ihrer Website bestimmten Abholstelle ist unzulässig.“ Das wiederum würde Pläne von Drogerien für Bestellsysteme und Kooperationen mit Versandapotheken kippen. In Deutschland etwa können Kunden im Internet Medikamente bestellen, die dann über eine Versandapotheke in dm-Filialen geschickt und dort abgeholt werden können. In Österreich sei das aber nicht geplant, versichert ein dm-Sprecher.

Hütthaler-Brandauers Fazit des Gesamtentwurfes fällt dennoch ausgeglichen aus: „Die Verordnung macht den Versandhandel nicht gerade leicht, sie macht ihn aber auch nicht ungerechtfertigt schwer.“ Manche Bereiche, wie die Temperaturkontrolle, würden den Versand erschweren, umgekehrt gebe es auch Erleichterungen, etwa bei der Bestellannahme. „In Deutschland muss eine Apotheke zwei Tage nach dem Eingang der Bestellung versenden. In Österreich einen Tag nach der Annahme der Bestellung durch die Apotheke. Wann die Apotheke aber die Bestellung annimmt, ist ihre Sache.“ Eine automatische Bestellbestätigung sei nämlich noch nicht die Annahme der Bestellung. Unter dem Strich wird sich also in wenigen Monaten zeigen, wie komplex oder einfach das System tatsächlich sein wird und wie groß das Interesse der Apotheken am Versandhandel wirklich ist.