„Wir können Menschen zum Teil nicht ausreichend versorgen“

Apotheker Krone: Dieser Tage ist die ministerielle Verordnung für den Versandhandel in Begutachtung gegangen. Am 25. Juni dürfen Österreichische Apotheken ihre rezeptfreien Produkte auch online anbieten. Was sagt der Großhandel zum Onlineversand?

Andreas Windischbauer: Wir schreien nicht vor Begeisterung und brauchen den Versandhandel auch nicht. Es ist eine europäische Entscheidung gewesen, das zuzulassen. Nicht zuletzt weil Medikamente ja bereits aus dem Ausland versendet werden – aber eben unkontrolliert. Das wesentliche Ziel ist, dass die Auflagen für alle Seiten gelten. Bisher war es so, dass wir, Großhandel und Apotheke, temperaturkontrolliert liefern mussten und die Post hat Medikamente in den Vorgarten geworfen. Das kann nicht sein. Es braucht gleiche Auflagen für alle und die müssen auch kontrolliert werden.

Wird der Versandhandel zu einer Konkurrenz?

Windischbauer: Den Großhandel trifft es wenig, da die Apotheken diese Waren eher direkt beziehen. Insgesamt wird der Marktanteil des Versandhandels gering bleiben, wie sich in anderen Ländern zeigt. Die Direktlieferung bis zur Wohnungstür im 5. Stock ist die teuerste Logistik überhaupt.

Immer wieder hört man von Apotheken aber auch Ärzten und Patienten, dass es in Österreich zu Lieferengpässen bei Arzneimitteln kommt. Wie groß ist das Problem wirklich?

Windischbauer: Die Situation hat sich in den vergangenen Jahren für Patienten verschlechtert. Das hat zum einen mit Produktionszusammenlegungen innerhalb der Pharmaindustrie zu tun, zum anderen mit erhöhten Qualitätsanforderungen und dem europäischen Arzneimittelhandel. Wenn da etwas nicht passt, wird es gleich eng. Die Nachfrage wiederum ist für die Produzenten immer schwer einzuschätzen. Wenn etwa bei ähnlichen Produkten eines ausfällt, steigt der Bedarf bei einem anderen Lieferanten sofort an. Doch der ist darauf nicht vorbereitet und kann dann ebenfalls nicht liefern.

Die öffentliche Debatte darüber hält sich aber in Grenzen?

Windischbauer: Im System und am Markt wird das noch nicht so stark wahrgenommen wie es sich tatsächlich darstellt. Der Grund ist, dass alle Beteiligten – von den Apotheken über den Großhandel bis zu den Ärzten – im Einzelfall immer einen großen Aufwand betreiben, um ein akutes Problem und einen Engpass zu beheben. Einfach damit ein Patient dann doch zu seinem Medikament kommt. Kritisch wird es dann, wenn kein Ersatzpräparat verfügbar ist.

Welche Rolle spielt dabei der Großhandel?

Windischbauer: Wir haben die wichtige Rolle, alles zeitgerecht und flächendeckend zu liefern. Wir sind quasi das Rückgrat der Versorgung.

Das war jetzt nicht gemeint – die Frage ist, ob auch der Großhandel für Lieferengpässe verantwortlich ist, weil Apotheken einen Teil der Lagerhaltung an den Großhandel auslagern, um etwa nicht alle Generika eines Wirkstoffes vor Ort haben zu müssen?

Windischbauer: Natürlich ist es für einen Apotheker elend, wenn er zehn Präparate des gleichen Wirkstoffes lagernd hat. Das bringt keinen Mehrwert und verteuert die Arbeit. Um es aber klar zu sagen: es ist wichtig für die gesamte Branche, alles was man tut aus der Sicht der Patienten zu sehen. Es ist unsere Aufgabe, das gut zu machen. Es wird uns von der Industrie zum Teil auch immer schwerer gemacht.

Inwiefern?

Windischbauer: Die Direktlieferungen der Industrie an Apotheken nehmen deutlich zu. Oft geht es dabei um teurere Produkte. Der Hersteller weiß dann genau, an welche Apotheke ein Produkt geht und kann regionale Rückschlüsse über die Abgabe der Präparate ziehen. Für Apotheken und Patienten ist das problematisch.

Aufgrund der besseren Kontrolle?

Windischbauer: Zum einen müssen die Apotheken bei Lieferungen der Industrie Produkte vorfinanzieren. Das ist im Großhandel nicht der Fall. Zum anderen kann es auch wieder zu Lieferengpässen führen. Ein Beispiel, das wir immer wieder erzählt bekommen von Apothekern: Viele Krankenhäuser entlassen die Patienten am Freitag oder Samstag früh. Dann müssen sie sich die Medikamente in der Apotheke besorgen. Wenn die Apotheke direkt von der Industrie beliefert wird, erfolgt das über ein Logistikunternehmen. Beim Hersteller oder beim Spediteur ist aber vielleicht am Freitag Nachmittag niemand mehr erreichbar der die Bestellung überhaupt aufnehmen kann. Also geht die Bestellung erst am Montag ein und geliefert wird dann am Dienstag. Der Großhandel hat im Gegenzug sieben Tage die Woche und 24 Stunden am Tag einen Notbetrieb. Das ist ein unschlagbares Service. Mit uns ist es wie mit dem Strom aus der Steckdose: Er ist einfach da und keiner fragt, wie.

Was schlagen Sie für Alternativen vor?

Windischbauer: Die Entwicklung ist jedenfalls für die Patienten nicht gut. Es gibt auf europäischer Ebene gesetzliche Regelungen, dass man den Großhandel von Belieferungen nicht ausschließen darf. Die Unternehmen müssen – auch wenn sie Apotheken direkt beliefern – also auch uns beliefern. Es ist natürlich die Entscheidung eines Herstellers, was er tut. Es wäre sinnvoll, wenn jene Medikamente, die im Erstattungskodex sind, auch eine verpflichtende Liefergarantie binnen 24 Stunden haben. Ich gehe da gar nicht soweit, dass ich sage, eine Lieferung muss binnen zwei Stunden möglich sein, wie es der Großhandel ermöglicht. Aber ein Tag sollte schon vorgeschrieben sein.

Reden wir hier nicht von einem Randproblem, das sie einfach rasch aus dem Weg haben wollen? Wie groß ist die Dimension der Direktbelieferung?

Windischbauer: Wir reden hier von einem Umsatz von 300 Millionen Euro auf Basis Apothekeneinstandspreis. Das sind rund 15 Prozent des ganzen Kassenumsatzes. In diesen Bereichen können wir also die Bevölkerung nicht ausreichend versorgen, obwohl es unser gesetzlicher Auftrag ist. Hier braucht es dringend Lösungen.