Wege und Irrwegeder Kohlenhydratverdauung

Bereits mit dem ersten Bissen beginnt die Verdauung: Je gründlicher das Zerkleinern der Nahrung mit den Zähnen geschieht, desto leichter haben es später die Verdauungsenzyme. Eine wahre Enzymfabrik ist dabei das Pankreas. Es ist jene Drüse, welche die meisten Verdauungsenzyme sezerniert und verfügt über eine hohe Sicherheitsreserve – erst die Zerstörung von 80–90 % des Drüsengewebes führt zur Einschränkung der Verdauungsleistung (Maldigestion). Diese macht sich dann mit Fettstühlen, Bauchkrämpfen und Mangelernährung bemerkbar.1
Die Verdauung von Kohlenhydraten beginnt bereits in der Mundhöhle mithilfe der von den Speicheldrüsen gebildeten α-Amylase. Dabei werden 1,4-glukosidische Bindungen gespalten, und es kommt zu einer ersten Zerkleinerung. Die Aktivität dieses Enzyms wird nach dem Eintritt des Nahrungsbreis in den Magen durch die Magensäure inaktiviert. Im Dünndarm erfolgt unter Einwirkung der α-Amylase aus dem Pankreas – die eine stärkere Aktivität aufweist als jene aus der Mundhöhle – eine weitere Zerlegung, ehe in den Mukosazellen des Dünndarms die endgültige Zerlegung in Glukose erfolgt. Auch der Abbau von Disacchariden wie Saccharose und Laktose in ihre Monosaccharide erfolgt membrangebunden in diesen Mukosazellen und mithilfe der Enzyme Saccharase und Laktase.2 Die Saccharose sorgt für eine Hydrolyse der Saccharose in ihre Bausteine Glukose und Fruktose. Die bürstensaumständige Laktase zerlegt Laktose in Galaktose und Glukose.

Laktoseintoleranz

Bei einem Mangel an Laktase (Laktoseintoleranz) wird die Kapazität der Restmenge des Enzyms überschritten, sodass der Milchzucker in tiefere Darmabschnitte gelangt, wo eine bakterielle Umwandlung zu Essigsäure, Milchsäure und Kohlendioxid erfolgt. Dies führt zu einer Steigerung des osmotischen Drucks und zu einem Wasser­einstrom ins Darmlumen. Die organischen Säuren wirken zudem irritierend auf die Darmschleimhaut und fördern die Peristaltik.3

Fruktosemalabsorption

Die Absorption von Monosacchariden erfolgt mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Glukose und Galaktose werden am schnellsten resorbiert, bei Fruktose dauert es etwas länger.2 Die Aufnahme von Fruktose in die Darmzellen erfolgt durch den Transporter GLUT5 und in geringem Maß auch durch den Transporter GLUT2. Eine Störung oder ein Entfall der Funktion des GLUT5-Transporters führt zu einer Fruktosemalabsorption. Der Fruchtzucker gelangt auf diese Weise bis in den Dickdarm und wird dort bakteriell abgebaut. Dabei entstehen unter anderem Darmgase wie Methan, Kohlendioxid und Wasserstoff sowie kurzkettige Fettsäuren. Damit einher gehen die klassischen Beschwerden wie Flatulenz, Bauchschmerzen und -krämpfe, Durchfälle und weiche Stühle. Sogar depressive Verstimmungen sind möglich, weil es aufgrund der gestörten Tryptophanresorption zu einer verminderten Serotoninbildung kommt.4
Die Transportrate für Fruktose wird in der Literatur als relativ niedrig beschrieben.5 Werden große Mengen an Fruktose oral zugeführt, kann daher auch beim Gesunden eine Überlastung eintreten. Die Aufnahmekapazität endet bei vielen (Gesunden) bei 35 g Fruchtzucker pro Stunde. Diese Menge findet man zum Beispiel in zwei Gläsern Apfelsaft.6

Fruktosemalabsorption im Steigen

In den vergangenen Jahren ist die Aufnahme von Fruktose über die Nahrung stetig angestiegen. Dieser steigende Konsum ist mitverantwortlich für die zunehmende Prävalenz einer Fruktosemalabsorption.7 Das Auftreten wird vorwiegend im Erwachsenenalter registriert, ganz im Gegenteil zu einer hereditären Fruktoseintoleranz, die auf einem Enzymdefekt beruht und sehr früh im Leben diagnostiziert wird. Schätzungen zufolge sind mehr als 30 % der westlichen Bevölkerung von einer Fruktosemalabsorption betroffen.8
Viele Menschen verwechseln diese Malabsorption mit einer Fruktoseintoleranz, weshalb Aufklärung zum richtigen Umgang mit dem Problem der Fruktoseunverträglichkeit gefragt ist.

 

Ernährung bei Fruchtzuckerunverträglichkeit

Während bei der hereditären Fruktoseintoleranz eine völlige Vermeidung des Fruchtzuckers in der Nahrung notwendig ist, kann bei der Malabsorption eine Desensibilisierungsstrategie verfolgt werden, indem man sich den glukoseinduzierten Fruktosetransport zu Nutze macht. Auf fruktosehaltige Lebensmittel muss daher nicht gänzlich verzichtet werden.4 Das gilt vor allem, wenn das Enzym Xyloseisomerase zugeführt wird, das Fruktose zu Glukose umwandelt, auf diese Weise ein ausgeglichenes Verhältnis von Fruktose und Glukose schafft und Beschwerden bei Fruktosemalabsorption lindert.Empfohlen wird bei Fruchtzuckermalabsorption eine fruktosearme Diät, möglichst wenig Sorbit in der Nahrung (dies betrifft neben Kaugummis auch Obst wie Marillen und Pfirsiche) und das Meiden von Honig und Maissirup. Auch die Zufuhr von Inulin sollte stark eingeschränkt sein – es besteht zu 95 % aus Fruchtzucker.4 Es wird weiters empfohlen, die folgenden Zuckeraustauschstoffe weitgehend zu meiden: Xylit (E 967), Isomalt (E 953), Mannit (E 421) und Maltit (E 965).9Einen hohen Fruktosegehalt haben Äpfel, Birnen, Weintrauben und Zwetschken. Problematisch können sich auch Gemüsesorten wie Artischocken, Kraut, Zwiebeln und Fenchel auswirken. Besser geeignet für die Betroffenen sind Bananen, Papayas, Ananas, Mandarinen, Grapefruits, Erbsen, Gurken, Karfiol, Brokkoli und Chinakohl.9 Wichtig zu beachten ist außerdem eine ausreichende Zufuhr von Folsäure und Zink. Die Versorgung dieser beiden Mikronährstoffe kommt bei vielen Menschen mit Fruktosemalabsorption zu kurz.

 

Literatur:

1 Hahn S, Ferschke M, Der Verdauungstrakt, Teil 4. Ernährungs Umschau 3/2017

2 Arrigoni E, Amadò R, Chemische und physiologische Aspekte von Nahrungskohlenhydraten. Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 2009

3 Leitzmann C, Müller C, Michel P et al., Ernährung in Prävention und Therapie. Hippokrates Verlag 2005

4 Österreichische Gesellschaft für Ernährung 2007

5 Biesalski HK, Bischoff C, Pirlich M, Ernährungsmedizin, 5. Auflage. Thieme Verlag 2018

6 Schäfer C, Fructosemalabsorption: Wenn Fruchtzucker für Unruhe sorgt. UGB-FORUM 2012

7 Hermann K, Bordewick-Dell U, Fruktosegehalt unterschiedlicher Apfelsorten. Ernaehrungs Umschau international 3/2018

8 https://www.jem-online.at/redaktion/fruktosemalabsorption-ungut-und-zunehmend-974.html

9 Gesundheit.gv.at, Fruktoseintoleranz. Auf: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/stoffwechsel/nahrungsmittelunvertraeglichkeit/fruktoseintoleranz