Wenn Stress auf den Darm schlägt …

Spannungszustände, die den Organismus in Stress versetzen, werden über ein komplexes Zusammenspiel von ZNS, endokrinem sowie vegetativem Nervensystem beantwortet, wobei in unserem Körper zwei unterschiedliche Systeme zum Tragen kommen. Zur kurzfristigen, blitzschnellen Anpassung reagiert das sympathomedulläre System mit dem Fight-and-Flight-Mechanismus, welches im Nebennierenmark nach erfolgter Stimulierung über den Sympathikus zur Freisetzung von Adrenalin und Noradrenalin führt. Dieser zentralnervöse Weg aktiviert dann in weiterer Folge über den sympathischen Weg andere periphere Organe (Herz, Lunge, Gefäße, Verdauungstrakt). Beim zweiten eher längerfristigen Adaptionsmechanismus stimuliert der Hypothalamus über das CRH den Hypophysenvorderlappen, welcher wiederum ein adrenokortikotropes Hormon ausschüttet, das in der Nebennierenrinde die Freisetzung von Glukokortikoiden bewirkt. Dadurch kommen im menschlichen Körper unspezifische (beispielsweise vermehrte Bildung von Glucose in der Leber und somit einhergehender erhöhter Blutzuckerspiegel) und spezifische Abwehrprozesse zum Vorschein.

Ist der Cortisolspiegel aufgrund von andauerndem Stress zu hoch, reagiert der Organismus mit Symptomen wie bei­spielsweise Müdigkeit, Erschöpfung, Schlafschwierigkeiten, Konzentrationsschwäche, Bluthochdruck, Gefäßerkrankungen, Kopf-/Rückenschmerzen, erhöhter Infektanfälligkeit, Tinnitus, Hörsturz, erhöhtem Augeninndruck, Neurodermitis, Haarausfall, Ekzemen, Herpes, Impotenz, Libidoverlust, unregelmäßigem Zyklus, erhöhtem Blutzuckerspiegel, Obstipation und Reizdarmsyndrom.

Zur Behandlung leichter Beschwerden können pflanzliche Adaptogene angewendet werden, welche die Ausschüttung von Stresshormonen reduzieren und gleichzeitig die Widerstandskraft erhöhen. Dazu zählen Rosenwurz (Rhodiola rosea), welche über hemmende Effekte auf die MAO verfügt und den Serotonin-, Noradrenalin- sowie Dopaminstoffwechsel beeinflusst. Auch die Taigawurzel (Eleutherococcus senticosus) und Ashwaganda zeigen stressadaptogene Eigenschaften.

Bei permanentem Stress ist unbedingt auf eine ausreichende Versorgung mit Mikronährstoffen Magnesium, Vitamine B, C, D, E, Coenzym Q10, Zink, Omega-3-Fettsäuren und 5-Hydroxytryptophan zu achten. Eine Zufuhr von Aminosäuren L-Arginin und L-Asparaginsäure lässt ebenfalls positive Effekte auf die Funktion von Herz- und Skelettmuskulatur sowie den Leberstoffwechsel erwarten und führt somit zu einer Steigerung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit.

Stressanfälliger Darm

Ein Organ, das besonders sensibel auf Stress antwortet, ist der autonom innervierte Darm, der für bis zu 100 Billionen Bakterien unterschiedlicher Art ein Biotop darstellt. Dieser Muskelschlauch reagiert häufig mit Obstipation, wobei Frauen öfter betroffen sind. Wenn die Beschwerden über mindestens 3 Monate bestehen bleiben und die Entleerung des Darms seltener als dreimal pro Woche stattfindet, kann von chronischer Verstopfung gesprochen werden.

In der Selbstmedikation lassen sich kurzfristige, akute Beschwerden am schnellsten mit Suppositorien vom Typ synthetische Laxanzien beheben (z. B. Wirkstoff Bisacodyl), die nach etwa 30 Minuten ihre Wirkung zeigen. Erfolgt die Einnahme dieser Abführmittel oral, muss mit einer Zeitspanne von mehreren Stunden gerechnet werden. Natürliche anthrachinonhältige Abführmittel aus Faulbaumrinde, Sennesblättern oder Rhabarber benötigen ebenfalls diesen Zeitraum bis zum Eintritt der erwünschten Wirkung. Aufgrund rascher Gewöhnung des Darms sowie von Elektrolytverlusten ist ein zurückhaltender Einsatz dieser Laxanziengruppe ratsam. Osmotische Abführmittel wie Lactulose und die gut verträglichen Polyethylengykole (Macrogole) erhöhen die Ionenkonzentration im Darminneren und halten als Folge vermehrt Wasser zurück, sodass das Darmlumen zunimmt. Je nach getrunkener Menge Wasser tritt der stuhlerweichende, mild abführende Effekt schneller oder langsamer (nach 24–72 Stunden) ein, und das ohne Gewöhnungseffekt.

Zeit zum Essen nehmen

Hektische Phasen wirken sich oft erschwerend auf einen entspannten Lebensstil mit ausgewogener Ernährung aus, da unter Zeitdruck der gesunde Speiseplan meist zu kurz kommt. Dabei ist es gerade dann wichtig, sich Zeit zu nehmen und mit Vollkornprodukten, Cerealien, Hülsenfrüchten, Kartoffeln, quellbaren Samen (Lein-, Flohsamen) und schonend zubereitetem Gemüse unser riesiges Ökosystem Darm in Schwung zu halten.
Oft stellt unbewusst eine ständige Erreichbarkeit einen wesentlichen Stressfaktor dar, der mit bewusst eingelegten (Handy-)Pausen minimiert werden kann. Regel­mäßige sportliche Aktivitäten, aber auch ruhigere Entspannungsrituale (Yoga, Meditation) können – in die tägliche Abendroutine eingebaut – wesentlich zur Entschleunigung beitragen.

Eine ausreichende Zufuhr von Flüssigkeit (Kräutertees wie Melisse, Lavendel oder Baldrian entfalten zusätzlich eine beruhigende Wirkung) sowie der Verzicht auf Weißmehl, Schokolade und Bananen sollten ebenfalls für einen funktionierenden Stuhlgang beherzigt werden.