Wie Narben den Alltag beeinträchtigen

Was in manch indigenen Kulturen mit Stolz getragen oder sogar selbst zugefügt wird, widerspricht dem Schönheitsideal der heutigen westlichen Welt. Fast jeder Erwachsene trägt ein oder mehrere unterschiedliche große Narben, als Folge von chirurgischen Eingriffen, Schürf- oder Schnittwunden, Verbrennungen oder derma­tologischen Erkrankungen. Ursache einer sichtbaren Narbenbildung ist immer die Verletzung der tiefen Dermis, gefolgt von einem strukturierten Wundheilungsablauf.
Entsprechend dem Klassifikationssystem internationaler Leitlinien1 lassen sich Narben in mehrere Typen definieren: die physiologische Narbe, Keloide, hypertrophe Narben, atrophe Narben und Narben durch Selbstverletzung.

Eine unreife Narbe ist rötlich und erhaben und kann mit Juckreiz oder Schmerzen einhergehen. In der Regel geht sie im Laufe der Zeit in eine reife Narbe über, die sich schmal, flach und hypopigmentiert präsentiert.

Der Entstehung von überschießenden Narben liegt ein Ungleichgewicht zwischen proinflammatorischen, fibroblastenstimulierenden Faktoren und antiproliferativen Faktoren im Wundheilungsprozess zugrunde.

Hypertrophe Narben etwa entstehen üblicherweise 4 bis 8 Wochen nach Wundschluss und zeigen eine strangartige Wulstbildung an der Stelle des Traumas. Sie sind häufig gerötet und gehen mit Juckreiz und Schmerzen einher. In Abhängigkeit von der Art des Traumas können sie linear (chirurgische Inzision) oder flächig (Verbrennung) sein. Das rasche Wachstum der hypertrophen Narbe stagniert nach einiger Zeit, und häufig folgt eine Rückbildung in eine flache, symptomlose Narbe.
Während sich hypertrophe Narben auf die Grenzen des ursprünglichen Traumas beschränken, wachsen die sogenannten Keloide lippenförmig darüber hinaus. Dieser Prozess kann mehrere Jahre lang andauern und zu Beschwerden wie Druckschmerzen und Juckreiz führen. Besonders häufig entstehen Keloide bei kleinen Haut-Verletzungen am Dekolleté, an den Schultern oder den Ohrläppchen. Keloide können auch erst einige Zeit nach der Wundheilung auftreten.

Atrophe Narben, die sich klinisch „wie ausgestanzt“ präsentieren, sind eine häufige Folge von intrakutanen Entzündungsprozessen, wie ausgeprägter Akne oder einer Varizelleninfektion. Eine Sonderform der atrophen Narbe stellen die Striae distensae nach Wachstumsschüben oder Gewichtszunahmen dar.

Narben durch Selbstverletzung sind per se nicht pathologisch. Krankheitsrelevanz hat hier jedoch die psychologische Komponente der Ursache und der assoziierten folgenden Stigmatisierung. Selbstverletzungsnarben sind häufig exponiert – etwa an den Armen – und aufgrund der meist typischen Präsentation auch für Außenstehende als Selbstverletzung erkennbar.

 

Schönheitsmakel mit psychischen Folgen

In einer Zeit, in der makellose jugendliche Haut für Schönheit und Erfolg steht, beeinflussen Narben, ähnlich wie andere Haut­erkrankungen, Selbstbewusstsein und Lebensqualität der Betroffenen. Dabei hat die Art der Narbe einen signifikanten Einfluss auf das Ausmaß der Beeinträchtigung der Lebensqualität, wie eine Studie2 aus Deutschland zeigen konnte:
An 130 Patienten im Alter von 16 bis 80 Jahren, die zum ersten Mal eine Spezialambulanz für Narben aufsuchten, wurde der Einfluss der Narben auf die Lebensqualität untersucht, gemessen am „dermatology life quality index“ (DLQI). Während sich bei Patienten mit physiologischen und hypertrophen Narben nur eine geringe Beeinträchtigung feststellen ließ, war die Lebensqualität bei Betroffenen mit Keloiden und atrophischen Narben deutlich herabgesetzt. Dies war einerseits durch die unangenehmen Symptome wie Schmerzen und Juckreiz bedingt, und andererseits durch die Einschränkungen der täglichen Aktivitäten, des Freizeit- und Soziallebens und der persönlichen Beziehungen. Die stärkste Ausprägung einer Beeinträchtigung der Lebensqualität zeigten Patienten mit Narben durch Selbstverletzung. Diese Gruppe sowie Patienten mit Keloiden hatten zuvor bereits andere Möglichkeiten zur Narbenbehandlung wahrgenommen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit und den Patientenwunsch nach einer adäquaten und frühen Therapie.

Behandlungs- und Vermeidungsstrategien

Die Therapieformen reichen von chirurgischen Eingriffen über interläsionale Injektionsverfahren, Laserbehandlungen, topische Anwendung von Gels, Cremen und Narbensalben, bis hin zu Massagen, Physio- und Ergotherapie. Diese sollen zu kosmetischen und funktionellen Verbesserungen führen und Symptome wie Juckreiz und Schmerzen reduzieren.
Für Traumata oder operative Eingriffe mit hohen Risiken für Narbenbildung werden eigene Narbenpräventionsalgorithmen empfohlen: Dabei soll auf einen spannungsfreien Wundverschluss geachtet werden, und entsprechende Narbengele und Pflaster sollen zum Einsatz kommen. Die Vermeidung der Wundinfektion und ein konsequenter UV-Schutz bei Narben während der Abheilung sind ebenfalls wichtige präventive Maßnahmen.3

Literatur
1 Gold MH et al., Dermatol Surg 2014; 40:825–831
2 Reinholz M et al., J Eur Acad Dermatol Venereol 2015; 29:2112–9
3 Poetschke J et al., J Dtsch Dermatol Ges 2016; 14(5):467–78