Ärztliche Fortbildung: Mehr als nur lästige Pflicht

Die sogenannte „Halbwertszeit des Wissens“, bedingt durch kurze Innovationszyklen und Technologiesprünge in der Medizin, verlangt eine berufsbegleitende Aktualisierung des Wissens und die kontinuierliche Erweiterung der fachlichen Kompetenz. So kann das Vertrauen der Patienten und der Öffentlichkeit in die medizinische Betreuung abgesichert werden.
Lebenslanges oder lebensbegleitendes Lernen umfasst alles Lernen während des gesamten Lebens, das der Verbesserung von Wissen, Qualifikationen und Kompetenzen dient. Diese Definition wurde vonseiten der EU bereits 2001 festgelegt und zeigt, dass Lernen nicht mit dem Übertritt in eine andere Lebensphase endet und auch nicht zwingend an das Berufsbild des Arztes geknüpft ist. Doch ein wesentlicher Unterschied zu allen anderen Wissensgebieten betrifft vorrangig die Medizin. Fehlendes State-of-the-art-Wissen und mangelnde zeitgemäße Fertigkeiten gefährden das Leben von Menschen wie in kaum einem anderen Beruf in diesem Ausmaß. Wenn ärztliche Fortbildung auch der Erhöhung der Patientensicherheit oder der Eröffnung neuer Optionen für Therapien und Prävention dienen soll, dann kann es nicht allein darum gehen, objektive Wissens- und Handlungslücken zu schließen, und die Pflichterfüllung allein wäre ein schwaches Motiv, Diplom-Fortbildungs-Punkte zu sammeln. Ärztliche Fortbildung muss dem individuellen Streben nach Wissen, der subjektiven Neugier entgegenkommen und, wenn möglich auch „Lust auf mehr“ machen. Denn lebenslanges Lernen trägt auch dazu bei, die Zufriedenheit mit dem Beruf zu fördern.

Hohe Qualität sicherstellen

Den berufsrechtlichen Rahmen für die Fortbildung umfassende Aktivitäten hat die Österreichische Ärztekammer mit der Verordnung über ärztliche Fortbildung geschaffen, dem sogenannten „Diplom-Fortbildungs-Programm“ (DFP). Hier ist festgeschrieben, dass ärztliche Fortbildung unabhängig, auf hohem wissenschaftlichem Niveau, patientenorientiert, international vergleichbar und frei von wirtschaftlichen Interessen Dritter gestaltet werden muss. Die Österreichische Akademie der Ärzte setzt in Zusammenarbeit mit den Landesärztekammern und den wissenschaftlichen Fachgesellschaften die rechtlichen Vorgaben um. Expertengremien sorgen außerdem dafür, dass die Inhalte laufend angepasst werden, eine Qualitätssicherung stattfindet und eine Abstimmung mit europäischen Standards erfolgt.
Auch der Umgang mit Sponsoren ist im DFP klar geregelt: Es muss vor allem transparent sein und darf den Inhalt der Fortbildung nicht beeinflussen. Programme, Einladungen und sonstige Unterlagen oder Publikationen zu DFP-Fortbildungen dürfen Werbung enthalten, jedoch sind die Inhalte ärztlicher Fortbildung unabhängig von wirtschaftlichen Interessen Dritter zu halten.
Streng geregelt ist auch, welche Organisationen als ärztliche Fortbildungsanbieter akkreditiert werden können und für ihr Angebot DFP-Punkte vergeben dürfen. Die DFP-Akkreditierung ist eine besondere Auszeichnung und Verantwortung für erfahrene Fortbildungsanbieter. In den vergangenen Jahren ist die Anzahl der Institutionen, die sich registriert haben, stetig gestiegen. Über den DFP-Kalender, www.dfpkalender.at, sind alle approbierten Fortbildungs-angebote dokumentiert.

 

 

Einfacher Nachweis

Seit 1. Juli 2017 gilt, dass für ein DFP-Diplom innerhalb von 5 Jahren 250 Fortbildungspunkte gesammelt werden müssen. Ärzte, die zur selbstständigen Berufsausübung berechtigt sind, müssen diese absolvierte Fortbildung gegenüber der Österreichischen Ärztekammer auch glaubhaft nachweisen können. Dazu dient das Online-Fortbildungskonto meindfp.at oder ein Zertifikat in Papierform. Das Online-Fortbildungskonto ist ein kostenloses Service der Österreichischen Ärztekammer und liefert einen aktuellen Überblick über den DFP-Punktestand, eine vereinfachte Punkteabfrage und die automatische Aktualisierung des Punktestandes. Zum Stichtag 1.9.2016 hatten rund 92 % der Ärzte ein Online-Fortbildungskonto eröffnet. Die hohe Durchdringungsrate bei den DFP-Diplomen und die hohe Eröffnungsquote zeigen, dass dem Online-Fortbildungskonto für die Dokumentation zum Fortbildungsnachweis eine wichtige Bedeutung zukommt.
Die Nichterbringung des Fortbildungsnachweises stellt eine Berufspflichtverletzung dar, die mittels Disziplinarverfahren zu sanktionieren ist. Über das Ausmaß der disziplinarrechtlichen Konsequenzen – vom schriftlichen Verweis über eine Geldstrafe bis zur befristeten Untersagung der Berufsausübung oder in letzter Konsequenz der Streichung aus der Ärzteliste – entscheidet der Disziplinaranwalt der Österreichischen Ärztekammer.

Erste Evaluation

Die digitale Approbationsplattform DFP-Kalender dient Fortbildungsanbietern dazu, die Fortbildungen nach den Qualitätskriterien begutachten zu lassen und die DFP-Approbation einzuholen. Ärzte können über diese Website ihre Fortbildungen planen. Mit der bevorstehenden Neugestaltung des DFP-Kalenders ist auch ein Feedback-System eingeplant, das anhand von Schlüsselkriterien erlaubt, die Qualität der absolvierten Fortbildung zu beurteilen und zu evaluieren. Mit dieser Abfrage soll sich künftig die noch offene Feedback-Schleife zwischen der Akademie, den Fortbildungsanbietern sowie den Ärzten schließen.
Im Jahr 2016 wurde von der Österreichischen Akademie der Ärzte erstmals die Erfüllung des Fortbildungsnachweises evaluiert. Von den rund 32.000 Ärzten, die den Fortbildungsnachweis zu erbringen hatten, wurde die Quote insgesamt zu mehr als 95 % erfüllt. Den höchsten Erfüllungsgrad nach Bundesländern weist Vorarlberg mit 96,95 % auf, gefolgt von Wien mit 95,49 % sowie Kärnten mit 95,25 %. Nach Tätigkeitsbereich betrachtet, liegen die angestellten Ärzte mit 95,48 % knapp hinter den niedergelassenen Ärzten mit 95,78 %. Die prozentuell relativ kleine Zielgruppe der Wohnsitzärzte kommt dem Fortbildungsnachweis zu 78,65 % nach. Ob Allgemeinmediziner oder Fachärzte – das Fach macht praktisch keinen Unterschied in der Erfüllung der Fortbildungsverpflichtung aus.

Moderne Fortbildung

In der Verordnung über ärztliche Fortbildung sind unterschiedliche Arten von anerkannten Möglichkeiten zur Fortbildung definiert: Veranstaltungen, Qualitätszirkel, wissenschaftliche Arbeiten, Supervisionen, Hospitationen, E-Learning oder Literaturstudium.
Nicht nur die Anzahl der neu publizierten DFP-Fortbildungen auf www.meindfp.at pro Jahr steigt an, auch das Interesse der Ärzte, online mediengestützte Fortbildungsangebote zu konsumieren, wächst. Aktuell stehen mehr als 500 DFP-approbierten E-Learning-Fortbildungen auf www.meindfp.at zur Verfügung.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Das Lerntempo kann selbst bestimmt werden, Wiederholungen sind beliebig oft möglich, Lernen ist unabhängig von Zeit und Ort, das Angebot ist für jeden Lerntyp passend und eine kostengünstige Fortbildungsvariante.
Das Literaturstudium stellt eine Sonderform von E-Learning dar, die online oder in Printform angeboten werden kann. Es umfasst das Lesen und Bearbeiten schriftlicher Fachartikel zu ärztlichen Themen, die einen adäquaten Umfang haben, didaktisch aufbereitet sind sowie Fragen zum Nachweis des Studiums beinhalten.

Künftige Herausforderungen

Wenige Alternativen gibt es derzeit zur Finanzierung ärztlicher Fortbildung, ohne dabei Kooperationen mit Sponsoren einzugehen. Die finanzielle Unterstützung von Pharma- oder Medizinprodukteunternehmen gewährleistet Fortbildungsanbietern eine wichtige und meist unverzichtbare Ressource. Eine Offenlegung ist nach den Transparenzbestimmungen der einschlägigen Verbände jedenfalls erforderlich, die Bestimmungen zur Finanzierung wurden laufend verschärft.
Auf europäischer Ebene spielt der Europäische Verband der Fachärzte (UEMS – European Union of Medical Specialists) eine wichtige Rolle in der Qualität der fachärztlichen Berufsausübung. Der Aufgabenschwerpunkt ist die Harmonisierung und qualitative Verbesserung der fachärztlichen Aus- und Fortbildung innerhalb der EU, sodass auch bestimmte im Ausland absolvierte Fortbildungen in Österreich anerkannt werden könnten. Darüber hinaus wird die Entwicklung neuer Lernformen wie der Educational App oder der Educational E-Library („Digital Library“) forciert.

 

Quelle: Österreichische Ärztekammer, Österreichische Akademie der Ärzte GmbH (Hrsg.):, Ärztliche Fort- und Weiterbildung in Österreich, Bericht 2017