Aktiv mitwirken statt nur unzufrieden sein

ARZT & PRAXIS: Herr MR Dr. Bernhart, wo liegen die Schwerpunkte Ihrer ­täglichen Arbeit als Allgemeinmediziner in Salzburg?

MR Dr. Bernhart: Die Allgemeinmedizin zeichnet sich primär durch ein breit gefächertes Spektrum des Faches aus. Meine persönlichen Schwerpunkte liegen am ehesten auf der Kardiologie und der Psychosomatik. Wobei es in der Allgemeinmedizin eben nicht um fachliche Spezialisierung geht, sondern darum, für den Patienten da zu sein und ihn medizinisch zu beraten. Dabei soll er in ausreichendem Maß – oft in Zusammenarbeit mit den verschiedensten Fachgebieten – behandelt werden. Als neue Aufgabe ist es teilweise notwendig geworden, die Patienten vor medizinischer Überversorgung zu bewahren. Das österreichische Gesundheitssystem leidet inzwischen an einer mäßigen Prozessqualität: Viele medizinische Einzelmaßnahmen laufen unkoordiniert ab, was zu einer Ergebnisqualität führt, die Luft nach oben hat.
Arzt zu sein ist eine sehr differenzierte und vielfältige Aufgabe. Das Intensivste und Schönste an diesem Beruf ist sicherlich, dass man mit sehr vielen Menschen in Kontakt ist und versucht, ihnen zu helfen. Dies war für mich auch der entscheidende Grund, mich in jungen Jahren für diese lange Ausbildung und diesen sehr intensiven Beruf zu entscheiden.

Neben Ihrer Tätigkeit als Arzt sind Sie auch kammerpolitisch aktiv. Was ist Ihre Motivation für dieses Engagement?

Mir ist wichtig, dass sich die Ärzte selbst mit den sie betreffenden Strukturen und Rahmenbedingungen auseinandersetzen. Sie sind es schließlich, die Beruf und Tätigkeiten eines Arztes am besten kennen. Deshalb sollte auch jeder seinen Teil beitragen.
Das habe ich früher viele Jahre als Bezirksärztevertreter getan. Heute betreue ich unter anderem das Fortbildungsreferat der Salzburger Ärztekammer und bin auch als Qualitätssicherungsreferent engagiert. Besonders interessant sind meine Aufgaben als österreichischer Delegierter der EQuip (European ­Quality in Primary Care; http://equip.woncaeurope.org), einer Plattform für Fragen der Qualitätssicherung in der medizinischen Grundversorgung auf europäischer Ebene. Auch die Qualitätssicherung der eigenen Tätigkeit gehört inzwischen bis zu einem gewissen Grad zur persönlich notwendigen Fortbildung.
In all meinen verschiedenen „politischen“ Funktionen versuche ich, aktiv etwas zu bewegen. Dieser Versuch ist für mich besser, als nur im Nachhinein unzufrieden zu sein. Ich würde mir insgesamt ein vermehrtes Engagement von Ärzten in den verschiedensten politischen Bereichen wünschen, nicht zuletzt auch, um das Bild des Arztes in der Bevölkerung mitzubestimmen.

Was sagen Sie zum Ergebnis der ersten flächendeckenden Überprüfung des Fortbildungsnachweises am 1. September 2016?

Sowohl für die Kollegen draußen als auch für uns in der Ärztekammer war es Neuland und ein langer Weg. Es hat seine Zeit gedauert, den Kollegen bewusst zu machen, dass Fortbildung eine Verpflichtung und nach klaren Kriterien zu absolvieren ist. Die für den Fortbildungsnachweis gewählte Struktur – das Diplom-Fortbildungs-Programm – hat sich als wohlüberlegt und effektiv erwiesen. Seitens des Fortbildungsreferats haben wir in den vergangenen Jahren natürlich stark in die Aufklärung über die Fortbildungspflicht investiert, viele Fortbildungsveranstaltungen angeboten und bei Bedarf auch individuelle Hilfestellung geleistet, um die Kollegen bestmöglich bei der Erbringung des Fortbildungsnachweises zu unterstützen.
Mit dem Ergebnis der Überprüfung bin ich im Übrigen sehr zufrieden. Es hat unter anderem auch die Vielfalt der ärztlichen Landschaft in Österreich aufgezeigt, die von den ganz jungen Ärzten bis hin zu jenen Kollegen reicht, die am Ende ihrer normalen Berufstätigkeit noch in geringerem Ausmaß weiterarbeiten.

Wie sieht eine gute und effiziente ­Fortbildung Ihrer Meinung nach aus?

Entscheidend ist natürlich eine hohe Qualität den Inhalt betreffend, aber auch eine gute Präsentation ist wichtig. Es gibt Vortragende, denen man gerne zuhört, denen ein gewisser Ruf vorauseilt – sie wirken für viele Kollegen als Magnet, eine Fortbildungsveranstaltung zu besuchen. Gut ist auch, wenn ein Vortragender sich nicht hinter Statistiken und Studiendaten versteckt, sondern seine persönliche Meinung zu einem bestimmten Thema äußert und seinen Erfahrungsschatz mit einbringt.
Für Kollegen, denen es aus zeitlichen oder anderen Gründen schwerfällt, Präsenzveranstaltungen zu besuchen, bieten elektronische Fortbildungsangebote eine vielfältige Möglichkeit, sich fortzubilden und DFP-Punkte zu sammeln. Hier gibt es zahlreiche Anbieter, darunter auch die Akademie der Ärzte.

Was können Sie als Fortbildungsreferent­ der Ärztekammer zur Qualität des ­Fortbildungsangebots beitragen?

Hier möchte ich die Problematik des Sponsorings ansprechen. Die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Industrie ist natürlich wichtig, aber sie muss auf klaren Strukturen und Regeln beruhen. Das betrifft maßgeblich auch die ärztliche Fortbildung, die unabhängig und frei von Firmeninteressen stattfinden sollte. Das DFP und die damit verbundenen Regelungen bieten hier eine gute und klare Struktur für Veranstaltungen und E-Learning.
In Salzburg sind wir einen Schritt weiter gegangen: Alle Fortbildungsveranstaltungen der Ärztekammer werden ohne Sponsoring organisiert und wir machen auch keine Aussendungen zu firmenunterstützten Fortbildungen.

Nach welchen Kriterien werden die ­Themen für ÄK-Fortbildungen ­ausgewählt?

Als Fortbildungsreferat der Ärztekammer hat man eine gewisse Vorbildwirkung: Wir versuchen, über die Jahre hinweg alle möglichen Fachgebiete zu beleuchten, und können so bei der Themenauswahl auch einmal weniger populäre Themen berücksichtigen. Immer wieder gut kommen psychosomatische bzw. psychiatrische Themen an – vielleicht deshalb, weil man sich hier oft Hilfestellung für die tägliche Arbeit und persönliche Situationen holen kann.
Gut angenommene nicht-medizinische Fortbildungsangebote behandeln Themen wie Kommunikation mit dem Patienten, (wirtschaftliche) Praxisführung, steuerrechtliche Aspekte und natürlich – immer wichtiger werdend – juristische Grundlagen der ärztlichen Tätigkeit. Das Publikum bei diesen Angeboten ist bunt gemischt.
Als Ärztekammer und Dienstgeber in den Ordinationen fühlen wir uns auch verpflichtet, Fortbildung für ärztliche Mitarbeiter anzubieten. Die Notwendigkeit dafür lässt sich aus der Qualitätssicherungsverordnung ableiten und auch bei dieser Zielgruppe legen wir großen Wert auf die Einhaltung der Qualitätsrichtlinien. Wir als Fortbildungsreferat organisieren regelmäßige Fortbildungen für ärztliche Mitarbeiter; Themen sind z. B. Labor, Vorsorgenuntersuchung neu, Kommunikation mit Patienten etc.

Welche Veranstaltungshighlights ­erwarten die Ärzte in Salzburg 2017?

Die Ärztekammer Salzburg bietet monatlich eine medizinische Abendfortbildung an. Dabei gehen wir bewusst auch in die Bezirke: Die Vorträge finden jeweils in Schwarzach, Zell am See und in der Stadt Salzburg statt. Die nächste Veranstaltung gibt es Anfang Mai zum Thema chronische Wunden und Ulzera. Anfang Juni werden unspezifische Wirbelsäulenbeschwerden aus Sicht der physikalischen Medizin beleuchtet. Daneben bieten wir auch, wie bereits erwähnt, wirtschaftliche Fortbildung für Ärztin und Arzt an.
Als weiterer Veranstaltungsfixpunkt in Salzburg ist der von der Salzburger Ärztegesellschaft (SÄG) organisierte Kardiologie-Tag zu nennen, wo Kardiologie und Herzchirurgie des LKH Salzburg die neuesten Entwicklungen im Bereich der Kardiologie präsentieren. Die SÄG ist ein seit 1849 bestehender unabhängiger Verein, der sich der medizinischen Wissensvermittlung und ärztlichen Fortbildung widmet. Zwischen ÄK und SÄG, deren Vizepräsident ich bin, gibt es regen Gedankenaustausch und Unterstützung sowie auch eine Verknüpfung durch meine Person.
Eine weitere Fortbildungsschiene geht von der Universität aus. In Salzburg ist die Allgemeinmedizin ja universitär verankert. Bereits mit dem ersten Leiter des Instituts für Allgemein-, Familien- und Präventivmedizin, Univ.-Prof. Dr. Andreas Sönnichsen, nahm eine fruchtbare Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Allgemeinmedizinern ihren Anfang. Diese wird jetzt mit seiner Nachfolgerin Univ.-Prof. Dr. Maria Flamm fortgeführt. Es gibt hier eine eigene Fortbildungsserie, den Jour fixe – Allgemeinmedizin, die mit der SAGAM organisiert wird und bei der in kleinem Rahmen interessante und praxisrelevante Themen diskutiert werden. Die Veranstaltung findet an der Universität statt, eingeladen sind alle Allgemeinmediziner.

Wie bilden Sie sich persönlich am ­liebsten fort?

Die meisten von uns sind sicherlich geprägt von ihrer Schul-, Studien- und Ausbildungszeit. Zu meiner Zeit war das Format des Vortrags vorherrschend und diese Vorliebe ist mir bis heute geblieben: Ich höre gerne einem guten Vortragenden zu. Wichtig ist, dass im Anschluss daran eine strukturierte Diskussion zugelassen wird, denn viele für die tägliche Praxis relevante Aspekte ergeben sich erst aus Fragen und Antworten nach dem Vortrag.
Die Fortbildungen für die einzelnen Fachdisziplinen werden heute immer spezieller. Der Allgemeinmediziner braucht ein bisschen etwas von allem. Die Ärztekammer versucht, auf diese Bedürfnisse einzugehen und Ärzte verschiedener Fächer zusammenzubringen. Fortbildung ist also auch ein Forum für die Vernetzung von Ärzten. Neben der Möglichkeit zur individuellen Fortbildung bieten Präsenzfortbildungen auch die Gelegenheit, persönliche Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. Der Austausch mit anderen Kollegen ist essenziell, denn als Ärzte können wir nur erfolgreich sein, wenn wir zusammenarbeiten und als Team um den Patienten herum agieren.

Vielen Dank für das Gespräch!