Fort- und Ausbildung in Ärztehand

Moderne Diplomfortbildung in Österreich

 

ARZT & PRAXIS: Die Pandemiesituation hat die Fortbildungslandschaft deutlich und womöglich auch nachhaltig verändert. Worin lagen im vergangenen Jahr die Herausforderungen für die Akademie der Ärzte?

Mag. Günther Ochs: Für die Akademie gab es diesbezüglich zwei große Betätigungsfelder. Zum einen waren (und sind) wir als Anbieter extrem gefordert, unsere Angebote an die veränderten Bedingungen anzupassen. Anfangs bedeutete das vorwiegend ein Verschieben oder sogar Absagen von Fortbildungen. Im Laufe der Zeit konnten wir dank unserer E-Learning-Plattform www.meindfp.at sehr viele Aktivitäten online anbieten. Noch kritischer war die Situation für uns als offizielle „Hüter“ des Diplom-Fortbildungs-Programms. Es wurden über 86 % mehr E-Learning-Angebote und über 2.000 % (!) mehr Webinare für Fortbildungspunkte eingereicht und wir sowie alle beteiligten Partner mussten erst lernen, mit diesen sehr unterschiedlichen Formaten umzugehen. Letztlich wurden aufgrund dieser Erfahrungen auch die DFP-Regelungen novelliert, um die Situation für alle Partner zu verbessern.

Von den 150 DFP-Punkten, die in drei Jahren zu erwerben sind, müssen 50 durch die Absolvierung von Präsenzveranstaltungen erworben werden. Ist davon auszugehen, dass dieser Anteil abnehmen wird? Wie wurde mit diesem Drittelanteil in Zeiten der Pandemie verfahren?

Diesbezüglich wird es vorerst keine Änderungen geben. Seitens des Bundesministeriums wurde sehr früh erkannt, dass Ärztefortbildung in diesen Zeiten nicht der normalen Routine folgen kann, und daher wurden die Fristen für die Erfüllung der Fortbildung für die Dauer der Pandemie ausgesetzt. Gleichzeitig zählte die Teilnahme an Webinaren auch bisher schon zu den Präsenzfortbildungen, weil es hier tatsächlich um die konkrete Live-Situation und Interaktivität wie bei Präsenzkongressen geht. Das heißt, hier haben wir bereits proaktiv Rahmenbedingungen geschaffen, die uns jetzt sehr helfen.

Wie hoch ist in etwa der Anteil der gesponserten Fortbildungen bzw. Fortbildungsveranstaltungen?

Unsere aktuelle Auswertung für 2020 weist unter den etwa 19.000 Fortbildungen aus allen Bereichen (E-Learning, Veranstaltungen, Qualitätszirkel, …) einen Sponsoringanteil von 16,7 % aus. Erfahrungsgemäß findet im Bereich E-Learning mehr Sponsoring statt als bei Einzelveranstaltungen. Bei Letzteren sorgt vor allem die hohe Anzahl an krankenhausinternen Fortbildungen für eine relativ geringe Sponsoringquote.

Wann bestehen für Sie Zweifel an der wissenschaftlichen Unabhängigkeit von eingereichten Fortbildungen?

Mit dieser Frage hat sich der DFP-Ausschuss, das Gremium zur Weiterentwicklung des Diplom-Fortbildungs-Programms, schon sehr oft und sehr intensiv beschäftigt und die Erkenntnisse wurden in den vergangenen Jahren in einen rechtlichen Rahmen gegossen. Daher sind die aktuellen Regelungen in der DFP-Verordnung hier sehr aussagekräftig. Für mich persönlich beginnen die Zweifel, wenn es einem Veranstalter nicht gelingt, eine klare Trennung zwischen der Fortbildung und den Sponsoren zu ziehen. Leider gibt es hier immer noch Anbieter, die versuchen, gemeinsam mit Pharmafirmen Fortbildungsangebote zu planen und beispielsweise auf der Website des Industrieunternehmens anzubieten – das entspricht nicht unserem Anspruch an unabhängige Fortbildung und auch nicht den Kriterien der Verordnung über ärztliche Fortbildung!

Wie viele Fortbildungen bzw. Fortbildungsveranstaltungen werden im Schnitt von der Akademie nicht approbiert und aus welchem Grund?

Da die Qualitätssicherung auf mehreren Ebenen und teilweise schon vor der Beantragung der Punkte stattfindet, ist die Negativquote eher gering und liegt im Bereich von 1–2 % pro Jahr. Viele Anbieter werden schon davor gar nicht in unserem System zugelassen bzw. beruhen viele Ablehnungen auf Formalfehlern, die meist zeitnah saniert werden, und diese scheinen daher in der Statistik der Ablehnungen nicht auf.

Die ÖÄK hat die Möglichkeit, DFP-Fortbildungen jederzeit ohne Vorankündigung zu besuchen. Wie oft wird von dieser Möglichkeit tatsächlich Gebrauch gemacht?

Wir haben diese Möglichkeit geschaffen, da wir zukünftig über mehr Instrumente verfügen wollen, um die Qualität der Fortbildungen zu fördern. Konkret geht es aber nur um Ausnahmefälle, wo wir aufgrund der Historie des Anbieters oder des Verlaufs des Approbationsantrags Zweifel haben, ob sich die im Vorfeld getätigten Angaben mit der Situation vor Ort decken. Insbesondere aufgrund der Pandemie haben wir aber noch nicht damit begonnen, hier aktiv zu werden.

Die Gültigkeit der DFP-Approbation von E-Learning-Fortbildungen wurde mit der neuen DFP-Verordnung von 3 auf 2 Jahre reduziert. Was war die Motivation hinter diesem Schritt?

Wir orientieren uns bei unseren Maßnahmen auch immer stark an internationalen Entwicklungen, und hier sieht man eine Tendenz zu kürzeren Zeiträumen. Da die Halbwertszeit des Wissens vor allem in der Medizin sehr dynamisch ist, halte ich das für eine gute Maßnahme, um sicherzustellen, dass Ärztinnen und Ärzte in diesem Bereich aktuelle Inhalte konsumieren.

Die neue Verordnung hat eine breitere Anrechenbarkeit von Punkten gebracht, die von deutschen Landesärztekammern anerkannt werden. Wie sieht es mit der Anrechenbarkeit von im (europäischen) Ausland absolvierten Fortbildungen ansonsten aus?

Der wichtigste Referenzraum ist für uns Deutschland, da hier der meiste Fortbildungstransfer stattfindet und wir im Sinne der Teilnehmer eine rechtssichere Situation schaffen wollten. Gleiches gilt aber z. B. auch für die international zertifizierten Fortbildungen der UEMS/EACCME (eaccme.uems.eu). Selbstverständlich gibt es auch die Möglichkeit, außerhalb dieser automatisierten Anerkennungen Fortbildungspunkte zu sammeln. In diesen Fällen braucht es dann aber eine Einzelfallanerkennung auf Gleichwertigkeit mit inländischen DFP-approbierten Fortbildungen, die dann beim Diplomantrag überprüft wird.

 

Standespolitik unter widrigen Umständen

 

ARZT & PRAXIS: Herr Präsident, Sie haben letzten September im Rahmen einer Pressekonferenz dafür plädiert, hinsichtlich der Pandemie einen breiten öffentlichen Diskurs zuzulassen und die Thematik nicht schwarz-weiß zu betrachten. Wie beurteilen Sie die Situation seit letztem Herbst?

Dr. Peter Niedermoser: Ich war damals sozusagen Gastgeber einer Pressekonferenz mit Kolleginnen und Kollegen, die sich mit der Thematik wissenschaftlich auseinandersetzen. Ich stehe nach wie vor zu den damaligen Grundaussagen: Die Krankheit (Anm.: COVID-19) wird uns unser Leben lang begleiten (damals gab es noch von mancher Seite die Meinung, dass COVID ausmerzbar wäre) und das Management der Erkrankung gehört zurück in Ärztehand. Damals war hier vorrangig die Politik tätig. Ich habe immer die Meinung vertreten, dass Dinge von verschiedenen Seiten betrachtet und beurteilt werden sollen. Diskussionen über die richtige Vorgangsweise und Methode sind ein ganz normaler wissenschaftlicher Vorgang. Im vergangenen Jahr mussten wissenschaftliche Meinungen öfter adaptiert werden. Es geht schlicht darum, sich mit dem vorhandenen Wissen auf einen Lösungsweg zu einigen, der auf Basis neuer Daten immer wieder angepasst werden muss. Wir sind in Bezug auf diese Erkrankung nach wie vor Lernende. Es kann also durchaus vorkommen, dass man gewisse Dinge rückblickend ganz anders beurteilt, wie wir es auch in den vergangenen Monaten mehrfach erlebt haben.

Kürzlich wurden die kostenfreien Corona-Selbsttests in Apotheken verfügbar gemacht. Die Ärztekammer hat kritisiert, dass an Patienten ohne ELGA keine Tests ausgegeben werden. Wo sehen Sie hier die Probleme?

Das ist einfach: Wenn man der Meinung ist, dass diese Tests aus medizinischer Sicht sinnvoll sind, dann sind sie allen Österreicherinnen und Österreichern zugänglich zu machen, und zwar unabhängig von ELGA. Eine Verwehrung der Ausgabe von Gratistests bei einer ELGA-Abmeldung – sozusagen zu erzieherischen Zwecken – lehnen wir entschieden ab.

Wird ein Corona-Antigen-Schnelltest von einer Apotheke durchgeführt, dann wird er durch den Bund erstattet. Anders verhält sich die Situation bei Tests, die beim Hausarzt oder beim niedergelassenen Facharzt durchgeführt werden. Woran liegt das und gibt es hier Verhandlungen zur Erstattung?

Es wurden im Rahmen der COVID-Gesetze generell viele Regelungen geändert, die den medizinischen bzw. ärztlichen Vorbehalt in den Hintergrund gedrängt haben. In normalen Zeiten hätten wir als Standesvertretung gegen gewisse Entwicklungen wohl massiv protestiert. Das ist mir, ehrlich gesagt, ein bisschen abgegangen, denn ich glaube, dass man auch im Angesicht einer Pandemie grundsätzliche, wohlüberlegte Regelungen nicht einfach außer Kraft setzen sollte. Die Entwicklungen muss man nun allerdings zur Kenntnis nehmen. Zur Frage der Honorierung: Bei symptomatischen Patienten wird die COVID-Schnelltestung beim Arzt mit 65 Euro abgegolten. Das in den Verhandlungen gemachte, aus meiner Sicht frivole Angebot war nun, dass die Ärzteschaft Tests, wie sie die Apotheken anbieten – sprich, bei symptomfreien Patienten (um damit z. B. zum Friseur oder zur Massage zu gehen) –, nur dann bezahlt bekommt, wenn sie alle Tests – also auch für den symptomatischen Patienten – zum selben, deutlich niedrigeren Preis durchführen würde. Aufgrund des doch deutlich höheren Aufwands bei symptomatischen Patienten war dieses Angebot schlicht inakzeptabel. Eine Lösung zur Erstattung der Tests bei symptomfreien Patienten ist derzeit leider nicht in Sicht.

Bewilligungen einer Ausbildungsstelle werden nach Prüfung der Landesärztekammer durch die ÖÄK durchgeführt. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat das bisherige Bewilligungsverfahren als verfassungswidrig eingestuft; es braucht daher eine Neuregelung der Bewilligungen. Wie kam es zu dieser Situation und was sind die jüngsten Entwicklungen in dieser Causa?

Der Hintergrund ist folgender: Der Bund und die Länder können ihre Kompetenzen teilweise delegieren, so auch die Führung der Ärzteliste, und die Bewilligung von Ausbildungsstellen im übertragenen Wirkungsbereich wird von der ÖÄK gemacht. Anstoß der jetzigen Problematik war die Austragung eines Arztes aus der Ärzteliste bei fehlender Vertrauenswürdigkeit, nachdem dieser die Behandlung von Personen mit Migrationshintergrund abgelehnt hatte. Als dieser Fall beim VfGH landete, ist man darauf aufmerksam geworden, dass die Übertragung der Verwaltung der Ärzteliste durch die Ärztekammer nicht mit den Ländern abgestimmt worden war. Nachdem hierbei allerdings die mittelbare Bundesverwaltung zum Tragen kommt, müssen die Länder, und zwar alle, der Kompetenzübertragung an die Ärztekammer zustimmen. Bis dato erfolgte die Bewilligung der Ausbildungsstätten folgendermaßen: Die ÖÄK beurteilt mit Unterstützung der Landesärztekammer auf Basis der Rasterzeugnisse und der dort festgelegten Zahlen, ob dem Ansuchen einer Krankenanstalt um eine zusätzliche Ausbildungsstelle stattgegeben werden kann. Nun gibt es allerdings Länder, die nicht zustimmen und die Ausbildungsstellen selbst vergeben wollen.

Wo sehen Sie hier das Hauptproblem?

Das Bewilligungsverfahren ist im Grunde keine angenehme Aufgabe. Man macht sich keine Freunde, wenn man eine Ausbildungsstelle nicht bewilligt. Wenn das Land nun diese Aufgabe übernimmt, das dafür noch überhaupt keine Kompetenz aufgebaut hat, und die Entscheidung in Händen der Bezirksbehörden liegt, fürchten wir ein Tohuwabohu. Es steht zu befürchten, dass nicht die Qualität im Vordergrund steht, sondern regionale Bedürfnisse, und dass länderabhängig ganz unterschiedliche Zugänge bestehen werden, wie und warum bewilligt wird. Es hat ohnehin bis jetzt für die Länder bzw. den Bund auch die Möglichkeit gegeben, sich im Übertragungswirkungsbereich einzubringen, wenn etwas nicht funktioniert hat. Wir halten auch nichts von einer zentralen Bundesausbildungsstelle, in der die Ärztekammer als Teil fungiert. Denn dann würden andere Interessen regieren, und zwar politische. Einfach ausgedrückt: Vor jeder Wahl wäre die Bewilligung einer Ausbildungsstelle in irgendeinem Krankenhaus ein Wahlzuckerl. Die ÖÄK hat hier keine politischen, sondern qualitative Interessen. Manche Länder werfen uns vor, wir würden zu wenig bewilligen. Wir haben in Österreich über alle Fächer hinweg 18.000 Ausbildungsstellen bewilligt, von denen lediglich 8.000 besetzt sind. Das Problem liegt also nicht in der Bewilligung.

Haben Sie noch ein Anliegen, das Sie gerne thematisieren würden?

Vielleicht noch einmal zur aktuellen Pandemie: Es war ein herausforderndes letztes Jahr. Von ersten Sichtweisen, die der Krankheit nicht die auf uns zukommenden Gefahren zuerkannt haben, bis hin zu der Situation, dass viele Menschen – und zwar nicht nur im Gesundheitsbereich – mit dem Gedanken „Corona“ zu Bett gehen, um mit demselben Gedanken wieder aufzustehen. Was die Krise gezeigt hat, ist, dass man sich auf das österreichische Gesundheitssystem verlassen kann. In der Vergangenheit wurde der ÖÄK oft der Vorwurf gemacht, wir wären Betonierer, die eine Verschlankung des Gesundheitsapparates nicht zulassen. Dieser Widerstand gegen vermeintliche Effizienzmaßnahmen hat uns gerettet. Viele Länder, die deutlich höhere Todesraten erleben mussten, zählen zu eben jenen Ländern, die zuvor in ihren Gesundheitssystemen rationalisiert haben. Die Bewältigung der Krise wurde maßgeblich von unserem Gesundheitspersonal getragen, und zwar nicht nur von Ärzten, sondern auch vom Pflegepersonal und von Ordinationsmitarbeitern. Hier wurde Großartiges geleistet. Das sollte auch politisch honoriert werden, und das meine ich nicht in einem finanziellen Sinn. Es geht darum, dass Entscheidungen im Gesundheitssystem in die Hände der Standesvertretungen gehören, denn hier liegt die Kompetenz.