Fortbildung allein ist zu wenig, die Dokumentation ein Muss

Neben Ihrer Professur für Innere Medizin sind Sie auch Professor für Medizinische Fortbildung und Lebenslanges Lernen (Continuing Professional Development; CPD). Was kann man sich darunter vorstellen?

Diese Professur gibt es nur an der Medizinischen Universität Graz (MUG). Bereits bei der Errichtung der Medizinischen Universität räumte das Rektorat der postgradualen Weiter- und Fortbildung einen wichtigen Stellenwert ein, ergänzend zur medizinischen Ausbildung.
Ich selbst hatte schon unter meinem ersten Chef, Univ.-Prof. Dr. Günter J. Krejs, früh die Gelegenheit, die Wissenschaftliche Gesellschaft der Ärzte in der Steiermark mit ihren Abenden und Tagungen zu betreuen, und durfte Letzteres auch unter den Folgepräsidenten fortführen.
Anfang 1995 kam ich in das Fortbildungs­referat der Ärztekammer für Steiermark, zunächst als Co-Referent, ab 2008 als Fortbildungsreferent. Seit 1999 vertrete ich die Innere Medizin in der Curriculumsentwicklung und bin Modul­koordinator. Bis 2014 hatte ich auch die Organisation des 6. Studienjahres inne, seither nur mehr die für Innere Medizin und Neurologie, also die Vorbereitung auf die späteren Ausbildungen der Studierenden.
Von Beginn an habe ich die postgraduale Studienkommission unterstützt und das europaweit einzige Masterstudium für Angewandte Ernährungsmedizin für Ärzte und Diätologen selbst eingerichtet. Dieses Masterstudium begleite ich seit 2011 als wissenschaftlicher Leiter. Es war die erste Zusammenarbeit einer medizinischen Universität mit einer Fachhochschule (Joanneum) und das erste Studium für zwei verschiedene Berufsgruppen, die in der Praxis der Ernährung ja auch zusammenarbeiten müssen.
Die MUG und die Ärztekammer haben seit einigen Jahren auch einen Zusammenarbeitsvertrag zur Gestaltung der postgradualen Landschaft. Wir bemühen uns, Universitätslehrgänge und auch Ärztekammerdiplome gemeinsam zu strukturieren und je nach Schwerpunkt mit einem der beiden Träger als Veranstalter, dem anderen als Co-Veranstalter aufzutreten.

Sie selbst leiten einen Diplom-Lehrgang für Ernährung in Graz im Umfang von 90 DFP-Punkten. Was ist das Besondere an diesem Ausbildungsformat?

Ernährung ist eine der wichtigsten Voraus­setzungen für unser Leben, sie ergänzt sich daher gut mit der Medizin, die wir alle erlernt haben. Im Studium selbst wird aber zu wenig Ernährungswissen vermittelt. Die Zielgruppe wären eigentlich „fast alle Ärztinnen und Ärzte“, folgerichtig würden wesentlich mehr Kurse gebraucht, als ein Standort anbieten kann.
Wir konnten in Graz mittlerweile ein hohes Maß an Kompetenz im Bereich Ernährung aufbauen und haben daher nun die Möglichkeit, diesen Diplom-Lehrgang auch bei uns einmal im Jahr anzubieten. Speziell in Südösterreich gibt es ein hohes Potenzial an Teilnehmern, die nicht nach Wien reisen können oder wollen, um diese Ausbildung zu machen. In Innsbruck – und damit in Westösterreich – gibt es die Ausbildung leider nicht mehr, obwohl hier sicher zusätzlichen Bedarf gäbe.

Mit Stichtag 1. September 2016 – also in weniger als einem Jahr – müssen Ärzte erstmals einen Fortbildungsnachweis erbringen. Bilden sich Österreichs Ärzte ausreichend fort?

Die meisten Ärzte, die ich kenne, absolvieren ein Vielfaches dessen, was ­unbedingt gefordert wird. In diesem Bewusstsein wurde Fortbildung in der Vergangenheit aber auch immer wieder schlecht dokumentiert. Was nicht dokumentiert ist, ist aber nicht nachzuweisen – so wie der fehlende Dekurs in einer Krankengeschichte. In einer modernen Gesellschaft musste daher ein Regelwerk wie das Diplom-Fortbildungs­Programm (DFP) geschaffen werden, das notwendige, aber auch bewältigbare Standards vorgibt. Im Grunde ist eine Fortbildungsstunde in der Woche (50/Jahr, das sind 150 in 3 Jahren bzw. 250 in 5 Jahren) durchaus machbar.

Zur einfachen Dokumentation der Fortbildung soll das elektronische Fortbildungskonto genutzt werden. Kennen sich alle Ärzte damit aus?

Die Mehrheit der Ärzte kennt sich bereits aus und die, die es nutzen, kommen damit nach kurzer Zeit gut zurecht. Kleinere Probleme, die es überall gibt, eingerechnet.

Welche Fortbildungsformate sind besonders beliebt?

Wir Ärzte sind sehr verschieden. Ich selbst ziehe immer Präsenzfortbildungen vor, d. h. Vorträge, Kongresse oder Workshops, weil ich da mehr mitnehme als beim Lesen und im Internet. Bei anderen Ärzten ist das aber umgekehrt. Jeder sollte das Format wählen, das ihm am besten liegt und womit er am effektivsten lernt.

Wie schätzen Sie die medizinisch-fachliche und didaktische Qualität des österreichischen Fortbildungsangebots ein? Sehen Sie Verbesserungsbedarf?

Das lässt sich nicht pauschal beurteilen. Durchsetzen werden sich Vortragende aber vor allem dann, wenn sie gut sind. Wir suchen bei der Ärztekammer für Steiermark und an der MUG immer die geeignetsten, die wir bekommen können. Insgesamt ist die mittlere Qualität im Steigflug.

Welche Rolle kommt unseren Universitäten bei der ärztlichen Fortbildung zu?

Die Universität ist die Urquelle der stetigen Entwicklung und Erneuerung. Die Wissenschaft braucht aber auch den direkten Blick auf die tägliche Praxis, dieser wiederum entsteht häufig in Lehr- und Lernsituationen. Durch das Miteinander von wissenschaftlich ­tätigen Ärzten, anderen Spitalsärzten und Niedergelassenen in einer Gruppe entsteht oftmals eine lebendige Interaktion unterschiedlicher Sichtweisen, die jeder medizinischen Diskussion zuträglich sein kann.

Als Fortbildungsreferent der Ärztekammer für Steiermark sind Sie für die ärztliche Fortbildung in Ihrem Bundesland zuständig. Was ist Ihnen besonders wichtig?

Vielseitigkeit ist für mich sehr wichtig, es soll für alle Fortbildungssuchenden etwas dabei sein. Die Fortbildungs­angebote sollen natürlich auch die höchst­mögliche Qualität haben. Ich würde mir auch wünschen, dass Veranstaltungen zu „Soft Skills“ wie Kommunikation und Konfliktmanagement, die wir oft vergeblich anbieten, besser gebucht werden. Kompetenzen in diesen Bereichen könnten im Alltag der ärztlichen Praxis so manche Klage verhindern.

Welche Aktivitäten setzt die Ärztekammer für Steiermark, um die Ärzte zur Fortbildung zu motivieren?

Wir haben einen symbolischen Fortbildungspunkt in Form eines Würfels, der uns im Haus der Kammer selbst stetig begegnet. Auch aus dem Spiegel im Lift lacht ein charmanter Punkt. Natürlich berichten wir regelmäßig über unsere eigenen Erfahrungen im DFP und alle Funktionäre der Steirischen Kammervollversammlung verfügen (endlich) über ein gültiges DFP-Diplom. Als Vorbild sind wir das unseren ­Mitgliedern schuldig.

Anfang Oktober fanden zum 26. Mal die Grazer Fortbildungstage der Ärzte­kammer für Steiermark statt, die Sie zum wiederholten Mal organisieren. Warum erfreuen sich die Grazer Fort­bildungstage so großer Beliebtheit?

Wenn Studierende mich fragen, was sie nach dem Studium machen sollen, antworte ich nicht mit einem Fach, sondern: Am besten macht man Dinge, die einem liegen und die man gerne macht. Dann wird man Erfolg haben. Wir haben ein ausgezeichnetes Fortbildungsteam, das sich in seinen ­Qualitäten auch noch hervorragend ergänzt. Nur alle zusammen garantieren die Qualität und den innovativen Charakter der Grazer Fortbildungstage, die uns den Vertrauensvorschuss unseres P­ublikums bringen.

Nach welchen Kriterien erfolgt die Themenauswahl? Welche Themen standen heuer im Vordergrund?

Die heurigen Schwerpunkte bildeten eine bunte Fragestunde beim Kardiologen sowie eine bunte Fragestunde beim Endokrinologen. Daneben ­thematisierten wir das Lernen aus Fallbeispielen bei einer Vielzahl klinischer Symptome. Außerdem war die umfassende ­Therapie des Typ-2-Diabetes ein Thema, auch aus Anlass meiner bevorstehenden Präsidentschaft bei der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (2016–2017). Der Klassiker „Pharmakotherapie 2015 – Was ist gesichert, was ist obsolet?“, inklusive Digivote, rundete das Angebot ab. ­Unser Ziel ist es, im Laufe einiger Jahre alle Gebiete der täglichen Praxis zu streifen und dabei immer wieder neue Zugänge zu suchen und neue Blickwinkel zu erschließen. Es hilft auch, das eigene ärztliche Denken und Handeln täglich zu reflektieren, um auf die ­spannendsten Themen zu kommen.

Sind lebenslanges Lernen und eine ­regelmäßige Fortbildung im Bereich der Medizin wichtiger als in anderen Berufsfeldern?

Die Frage stelle ich mir auch oft. Wahrscheinlich wäre eine strukturierte Weiter- und Fortbildung für viele – wenn nicht alle – Berufe sinnvoll. Im Bereich der Medizin ist der Fortschritt aber besonders rasant und für die Patienten außerdem enorm relevant, weil es ja um die Gesundheit, insbesondere um deren Bewahrung oder Wiedererlangung, geht.