NOAH-AFNET 6: Orale Antikoagulation bei Patient:innen mit „atrial high-rate episodes“

Patient:innen mit „atrial high-rate episodes“ (AHRE) haben ein erhöhtes Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden. Während die ESC-Guidelines bei Patient:innen mit Vorhofflimmern und einem erhöhten Schlaganfallrisiko eine orale Antikoagulation empfehlen, wird bei AHRE eine individuelle Entscheidung vorgeschlagen. NOAH-AFNET 6 ist die erste prospektive randomisierte Studie, welche die Effektivität und Sicherheit einer oralen Antikoagulation (Edoxaban) bei Patient:innen mit AHRE untersuchte.

AHRE sind atriale Tachyarrhythmien, die durch ein kontinuierliches EKG-Monitoring bei Schrittmachern, implantierbaren Defibrillatoren (ICD) oder implantierbaren kardialen Monitoren aufgezeichnet werden. Sie treten bei älteren Patient:innen ohne bekanntes Vorhofflimmern in 10–30 % der Fälle auf.

NOAH-AFNET 6 inkludierte Patient:innen ≥ 65 Jahre mit AHRE von ≥ 6 min Dauer, detektiert durch ein implantiertes Device, und mit > 1 zusätzlichen Risikofaktor, einen Schlaganfall zu erleiden. Patient:innen mit offenkundigem Vorhofflimmern waren nicht für die Studie geeignet. Es wurden 2.536 Patient:innen (1.270 in der Edoxaban-Gruppe, 37,4 % Frauen) mit einem mittleren Alter von 78 Jahren und einem medianen CHA2DS2-VASc-Score von 4 in 18 europäischen Ländern eingeschlossen. Die Studie wurde nach einem medianen Follow-up von 21 Monaten aufgrund von Sicherheitsbedenken vorzeitig beendet. Die Patient:innen wurden zu Edoxaban oder Placebo oder Aspirin 100 mg, im Falle einer Indikation für eine Antiplättchentherapie, randomisiert. Die mediane AHRE-Dauer war 2,8 Stunden und 97 % hatten eine atriale Frequenz von > 200 Schlägen. Die Studie konnte keinen Unterschied hinsichtlich des kombinierten primären Sicherheitsendpunktes (Schlaganfall, systemische Embolie und Tod) zeigen: 83 Patient:innen, 3,2 %/Jahr in der Edoxaban-Gruppe vs. 101 Patient:innen, 4 % in der Placebogruppe (HR 0,81; 95% CI 0,6–1,08; p = 0,15).

Interessanterweise war die Inzidenz des Schlaganfalles in der Placebogruppe weit niedriger als erwartet, trotz eines medianen CHA2DS2-VASc-Scores von 4. Der Sicherheitsendpunkt wurde bei 149 Patient:innen (5,9 %) in der Edoxabangruppe und bei 114 Patient:innen (4,5 %) in der Placebogruppe erreicht (HR 1,31; 95% CI 1,02–1,67; p = 0,03). Ein durch ein EKG diagnostiziertes Vorhofflimmern trat bei insgesamt 18,2 % auf (8,7 %/Jahr).

Die Studie hat keine ausreichende Aussagekraft, um einen geringen Effekt der oralen Antikoagulation auf kardiovaskuläre Ereignisse auszuschließen.

Bedeutung für die Praxis: Die NOAH-AFNET 6-Studie zeigte keine Reduktion des primären Sicherheitsendpunktes durch eine orale Antikoagulation bei Patient:innen mit AHRE, jedoch eine höhere Inzidenz des Sicherheitsendpunktes Tod oder schweren Blutung. Dr. Kirchhof betonte, dass Patient:innen mit AHRE und klinischen Risikofaktoren, aber ohne klinisch definiertes Vorhofflimmern, keine orale Antikoagulation benötigen. Bei Patient:innen mit AHRE ist vor einer oralen Antikoagulation eine EKG-Dokumentation des Vorhofflimmern erforderlich.

Kirchhof P, Hamburg, Germany; Hot Line

Kirchhof P et al., N Engl J Med 2023; doi: 10.1056/NEJMoa2303062.