Fit für welche Therapie? ­ Assessment von Komorbiditäten und funktionellem Zustand bei AML-Patienten

Das Geriatrische Assessment von älteren Patienten hat in der soliden Onkologie schon einen fixeren Stellenwert als in der Hämatologie, obwohl die PatientInnen mit akuter myeloischer Leukämie (AML) im median erst nach dem 60. Lebensjahr diagnostiziert werden. Die Behandlung erfolgt nach krankheits- und/oder patientenbezogenen Faktoren. Die Möglichkeiten für die objektive Erfassung letzterer sind sehr vielfältig, ein paar der wichtigsten werden in diesem Vortrag vorgestellt und auch deren Bedeutung in der AML Behandlung mittels Literatur genauer erläutert:

1) Performance Status (nach ECOG), der per Definition „die symptombezogene Einschränkung der Aktivität von Tumorpatienten“ wiedergibt. Der große Nachteil dabei ist, dass nicht unterschieden wird zwischen einer Einschränkung durch die Erkrankung oder durch Komorbiditäten und vieles, z.B. die kognitiven Fähigkeiten, gar nicht erfasst wird.

2) HCT-CI (Haematopoietic cell transplantation-comorbidity index), ursprünglich für die allogene Stammzelltransplantation entwickelt, aber in der Zwischenzeit breit eingesetzt in der Hämatologie und in vielen therapeutischen Settings schon als prognostisch relevanter Score etabliert.

3) Funktioneller Zustand der menschlichen Grundbedürfnisse („ADL“) mittels Barthel-Index: z.B. Essen/Baden/Waschen/Stuhl- und Harnkontrolle (insgesamt 10 Kategorien, die mit 0-5-10 Punkten bewertet werden).

4) „IADL“ (Lawton Skala) erfasst die im Alltag notwendigen Aktivitäten wie z.B. Telefonieren/Einkaufen/Kochen/Waschen (insgesamt 8 Kategorien, die mit 0 oder 1 Punkt bewertet werden).

5) SPPB (Short Physical Performance Battery), erfasst die Kraft in der unteren Extremität und ist ein prädiktiver Marker für eine spätere Beeinträchtigung unter Therapie bei älteren Krebspatienten (Punktesystem mit max. 12 Punkten, < 9 gilt als beeinträchtig).

Zu all diesen Scores gibt es mittlerweile auch in der Hämatologie zahlreiche Publikationen, die belegen, dass diese eine prognostischen Wert hinsichtlich Überleben besitzen und auch im klinischen Alltag durchgeführt werden können. Anhand der Onkopedia-Leitlinien lassen sich dann die Therapieempfehlungen zusammenfassen. Eine Erstlinientherapie (Induktionschemotherapie +/- zielgerichtete Substanz) wird empfohlen für Patienten mit wenig oder keinen Komorbiditäten und einem biologischen Alter bis zu 75 Jahre, alle anderen werden als „unfit“ eingeordnet und erhalten eine hypomethylierende Therapie (+/- Venetoclax oder Glasdegib).

 

OeGHO 2021, AKUTE LEUKÄMIEN – NEUE INHIBITOREN
Alexandra Böhm, Wien: Fit für welche Therapie? Assessment von Komorbiditäten und funktionellem Zustand bei AML-Patienten