Aktuelle Umfrage: Fehlervermeidung in der Chirurgie

Eine Umfrage unter mehr als 3.000 Chirurgen belegt aktuell, dass deutsche Krankenhäuser bereits eine Reihe von Maßnahmen für die Verbesserung der Patientensicherheit implementiert haben. So nutzen beispielsweise 90 Prozent der Kliniken Sicherheits-Checklisten sowie die Anzeichnung der späteren Schnittführung mit nicht abwaschbaren Stiften auf der Haut, um Seitenverwechslungen auszuschließen. „Damit sind auf dem Gebiet der Patientensicherheit enorme Fortschritte gemacht worden“, ist Prof. Dr. Peter M. Vogt, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), überzeugt.
Das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) schätzt, dass in deutschen Krankenhäusern jährlich etwa 17.000 Patienten wegen medizinischer Fehler sterben. Zu den häufigsten Ursachen gehören Krankenhausinfektionen, die Verwechslung von Patienten oder der zu operierenden Körperpartien, Kommunikationsstörungen und mangelnde Qualifikation. „Als weitere Fehlerquelle kommt inzwischen Personalknappheit hinzu“, ist Dr. Matthias Rothmund überzeugt.

Sicherheitsstandards erhöhen

Anhand von internationalen Klinikvergleichen und methodischen Entlehnungen aus anderen risikobehafteten Berufsfeldern wie der Luftfahrt wurden deshalb in den vergangenen zehn Jahren Maßnahmen identifiziert, die geeignet sind, die Sicherheitsstandards zu erhöhen. So können Identifikationsarmbänder Verwechslungen bei Patienten vorbeugen, Schnittmarkierungen mit einem nicht abwaschbaren Stift Eingriffe an der falschen Körperseite etwa bei Leistenbruch-Operationen oder Meniskus-Entfernungen verhindern. „Sehr hilfreich sind auch Checklisten, die vor Beginn einer Operation abgearbeitet werden“, so Rothmund. Sie stellen sicher, dass es sich um den richtigen Patienten handelt, die korrekte Seite operiert wird, Röntgenbilder und benötigte Implantate vorliegen. Schulungen, anonyme Fehlermeldesysteme sowie Morbiditätskonferenzen, in denen Todesfälle offen besprochen werden, runden das Sicherheitspaket ab.

Sicherheitskultur verbessert sich

Vor zehn Jahren gab es solche Maßnahmen an deutschen Kliniken und Abteilungen nur vereinzelt. Wie eine neue Umfrage zeigt, hat sich dies gründlich geändert. Im Herbst vergangenen Jahres wollten der DGCH und der Berufsverband Deutscher Chirurgen (BDC) von ihren Mitgliedern wissen, wie es um die Sicherheitskultur an deutschen Kliniken bestellt ist. Ergebnis des repräsentativen Rücklaufs von 3.000 Chirurgen: Checklisten und Körpermarkierungen sind an mehr als 90 Prozent der befragten Kliniken Standard. Identifikationsarmbänder, Fehlermeldesysteme und Morbiditätskonferenzen nutzen 75 Prozent aller Krankenhäuser, Sicherheitsschulungen gibt es an zwei Drittel aller Kliniken. „Ob sich aufgrund der verbesserten Sicherheitskultur weniger tödliche Zwischenfälle ereignet ­haben, lässt sich allerdings nicht sicher zurückverfolgen“, so Roth­mund. Experten gehen jedoch davon aus.

Infektionsprophylaxe wirkt

Ein weiterer Aspekt, auf den die DGCH in diesem Zusammenhang vehement aufmerksam macht, ist die Vorbeugung gegen Krankhausinfektionen. „Sie muss schon vor der Aufnahme in die Klinik beginnen“, fordert die DGCH. Patienten sollten vor jeder medizinischen Behandlung einen Fragebogen ausfüllen, der Aufschluss über ihr Infektionsrisiko gibt und einem Test auf multiresistente Erreger vorgeschaltet ist. Zugleich sollten Patienten über die Grundregeln der Hygiene aufgeklärt werden.
Zwischen 400.000 und 600.000 Personen erkranken jedes Jahr an einer Infektion, die sie im Krankenhaus erwerben. Nosokomiale Infektionen (NI) fordern jährlich bis zu 15.000 Todesopfer, besonders gefährdet sind immungeschwächte Personen. Große Sorgen bereitet Experten dabei die steigende Zahl multiresistenter Erreger (MRE), die auf kein Antibiotikum mehr reagieren. „Wir haben praktisch keine Waffe gegen solche Keime in der Hand“, stellt Vogt fest.

Patienten früh sensibilisieren

Neben der Unterstützung des Zehn-Punkte-Planes des Bundesgesundheitsministeriums zur Vermeidung von Krankenhausinfektionen und Antibiotikaresistenzen empfehlen die Chirurgen, die Vorgeschichte der Patienten bezüglich ihrer Infektionsgefahr vor der Aufnahme ins Krankenhaus abzuklären. Ein Fragebogen, wie ihn beispielsweise die chirurgische Klinik in Greifswald bereits verwendet, kann wichtige Informationen etwa über frühere Behandlungen, Auslands- oder Krankenhausaufenthalte liefern. „Liegen Risikofaktoren vor, folgt ein Test auf MRE. Ist ein Patient Träger multiresistenter Bakterien, wird die Operation verschoben. Lässt sich der Eingriff nicht aufschieben, müssen geeignete Maßnahmen ergriffen werden. Eine Isolation von anderen Patienten ist ebenso sinnvoll wie eine antiseptische Ganzkörperwaschung“, erklärt Prof. Dr. Claus-Dieter Heidecke, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) und Direktor der chirurgischen Klinik an der Universitätsmedizin in Greifswald. Beides vermindert das Risiko, die Erreger weiterzugeben.
Ebenso wichtig ist eine frühzeitige Sensibilisierung der Patienten für die Problematik. „Wenn wir dem Patienten einfache Grundregeln des hygienebewussten Verhaltens im Krankenhaus vermitteln, die ihn, seine Mitpatienten und Angehörigen vor NI schützen, fühlt er sich ernst genommen und sicher aufgehoben, was letztlich den Heilungsprozess unterstützt“, erläutert Heidecke. Schließlich seien Verunsicherung und Ängste bei Patienten und Angehörigen oft groß. Einfache Maßnahmen wie das Desinfizieren von WC-Sitz, Händen und Türklinken vor und nach jedem Toilettengang können die Gefahr einer Ansteckung deutlich reduzieren.

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