Das Schlusswort: Ungleichheit schafft (Un-) Recht

„ Ungleichheit macht krank – Krankheit macht ungleich“ – unter diesem Motto standen heuer die Gesundheitsgespräche in Alpbach, die kürzlich zu Ende gegangen sind. Im Mittelpunkt stand unter anderem die Frage, wie die Gesundheitspolitik Chancengerechtigkeit schaffen könnte. Die Antworten, die von den mehr als 400 Experten und Entscheidungsträgern erarbeitet wurden, sind Vision und Arbeitsauftrag zugleich: patientenorientierte Lösungen unterstützen und Versorgungsdefizite abdecken. Was mit bisherigen Mitteln nicht gelungen ist, soll durch innovative Ideen und Produkte nun in die Tat umgesetzt werden. Das setzt voraus, dass derartige Innovationen im existierenden politischen Rahmen auch zugelassen werden. Wir haben beispielsweise mit „Wund?Gesund!“ eine derartige Initiative gestartet und freuen uns, wenn noch mehr professionelle Partner daran teilnehmen möchten. Auch die Arbeits- und Branchengruppen der AUSTROMED setzen sich mit genau den Fragen auseinander, die in Alpbach gestellt wurden, und versuchen, zukunftsfähige, aber auch praxisorientierte Antworten zu geben. Im Mittelpunkt steht immer die Betrachtung der Medizinprodukteindustrie als Nutzenstifter und nicht als Kostenfaktor. Unser Arbeitsauftrag ist es nicht erst seit den Gesundheitsgesprächen, für den Abbau von Ungleichheit zu sorgen. Denn sie lässt sich nicht nur an der Versorgung von Kranken, an den Arbeitsbedingungen für Gesundheitsdienstleister oder am Zugang zu Gesundheit festmachen, sondern auch ganz offensichtlich an aktuellen gesetzlichen Regelungen, die den Rahmen für unser Gesundheitswesen abstecken. Ein aktuelles Beispiel ist die Wiederaufbereitung von Einmalprodukten, die im September in der neuen Medizinprodukte-Verordnung diskutiert werden soll. Damit könnte ein vom Hersteller zur Einmalverwendung konzipiertes Medizinprodukt, schon bald beim nächsten Patienten landen – wiederaufbereitet, versteht sich. Der Spargedanke mag ja recht und edel sein, doch stellt das ein kaum einschätzbares Risiko für Patienten dar, vom ethischen Aspekt und den Prozesskosten ganz abgesehen. Die Erlaubnis, derart verunreinigte Medizinprodukte alleine durch Desinfizierung und Sterilisierung wiederaufzubereiten wirft unser Gesundheitssystem um Jahrzehnte zurück!Zusätzlich empfiehlt der EU-Rat, dass jedes EU-Mitgliedsland selbst seine Regeln bezüglich der Wiederaufbereitung erstellen darf. So würde eine Vielzahl von Varianten eines Originalproduktes geschaffen werden, die unterschiedlich hohe Sicherheitsniveaus aufweisen. Krankenhäuser würden sogar davon ausgenommen sein, den gleichen hohen Sicherheitsanforderungen, wie bei Originalherstellern notwendig, folgen zu müssen. Damit ist der in Alpbach viel diskutierten Ungleichheit Tür und Tor geöffnet, denn das widerspricht einer einheitlichen europäischen Vorgehensweise für einen fairen Wettbewerb der Anbieter und einer Patientenversorgung nach einheitlichen Standards. Wer es sich leisten kann, wird dann vermutlich bald sein eigenes Medizinprodukt zur Untersuchung mitbringen oder gegen einen Aufpreis mit einem Originalprodukt behandelt – ganz abgesehen davon, dass so ein Produkt in einem Land mit niedrigen Auflagen aufbereitet und in einem anderen Land verwendet werden könnte. Das ist ein Umstand, der die ohnehin auf weiten Strecken fehlende Transparenz bei der Patientenversorgung noch intransparenter macht. Derzeit ist das europäische und US-amerikanische System für die Zulassung von Medizinprodukten gleich sicher, Europa aber um 50 bis 70 Prozent schneller. Ein EU-Patient erhält zwei bis drei Jahre früher als in den USA ein innovatives Produkt. Die neue Verordnung sieht für die Zulassung spezieller Produkte noch mehr Bürokratie, Kontrollauflagen und Administrationsaufwand vor. Dass mit dieser Anlassgesetzgebung kriminelle Machenschaften nicht verhindert werden können, liegt auf der Hand, denn die Sicherheit von Medizinprodukten ist kein Zulassungs-, sondern ein Vollzugsproblem. Klein- und Mittelbetriebe sollen durch die geplanten Auflagen in einem untragbaren Ausmaß behindert werden, was die Innovationskraft senkt und die Kosten der Produkte erhöht. Das kann nicht im Sinne der Patienten sein.

Ihr

Mag. Friedrich Thomasberger