Erfolgreich den Krisen trotzen

© Foto: Oliver Miller-Aichholz

Auf globale Ereignisse wie Krieg, Pandemien, Energiekrise oder Wetterkapriolen haben einzelne Unternehmen nur wenig Einfluss. Jedoch können und müssen sie sich vor diesem systemischen Hintergrund und dem immer rascher werdenden Wandel gut aufstellen. Das heißt: Innovation vorantreiben, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein und zu bleiben. „Instabile Versorgungs- und Lieferketten, hohe Energie-, Rohstoff- und Logistikkosten zwingen die Medizinprodukte-Unternehmen, sich unter globalwirtschaftlich geänderten Koordinaten neu zu positionieren. Die Innovationsfähigkeit ist ein entscheidender Faktor für die internationale Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit der Unternehmen, der Branche und des Medizinprodukte-Standorts“, betont AUSTROMED-Präsident Gerald Gschlössl. Spezifisch branchenbedingte Herausforderungen machen es nicht leicht, aktuell erfolgreich zu planen und zu wirtschaften: „Geänderte Rahmenbedingungen im Bereich der Marktzulassung stellen unsere Branche vor ein komplexes Bündel an Herausforderungen. Dennoch haben wir eine Reihe von Handlungsoptionen, die es zu nutzen gilt“, zeigt sich Gschlössl optimistisch.

Tradition hemmt Digitalisierung

Allen voran ist es die Digitalisierung, die als Querschnittsmaterie und Innovationstreiber viele Potenziale bereithält. Im Kontext der COVID-19-Pandemie hat der digitale Wandel nochmals an Tempo gewonnen, doch Betriebe haben es schwer, innovative Ideen rasch in den Markt zu bringen, denn, so Gschlössl: „Der Datenschutz und die Datensicherheit, hohe Kosten und fehlende finanzielle und personelle Ressourcen sowie fehlende Erstattungsmodelle zur Implementierung neuer, digitaler Lösungen sind einige der Hürden, die es noch zu nehmen gibt.“

Der AUSTROMED-Präsident kritisiert gleichzeitig die halbherzigen Ansätze: „Wir haben ein E-Rezept, aber keine E-Verordnung, wir haben eine Online-Ausschreibungsplattform, manche erforderliche Dokumente müssen aber erst wieder physisch abgeholt werden. Und wer kürzlich einen OP-Termin hatte, der weiß, dass auch hier noch keine papierlose Abwicklung möglich ist. Es gibt gute Ansätze, aber vieles ist nicht bis zu Ende gedacht und bringt daher nicht die erwünschten Vorteile.“ Wenig Hoffnung machen hier auch die Marktpartner: „Von den Betrieben wird immer Innovationskraft gefordert, doch die Anwender, Kunden oder Spitäler hinken deutlich hinterher. Was nützt uns die beste Innovation, wenn keiner bereit ist, sie einzusetzen oder zu bezahlen?“ Auch der Datenschutz leidet nach Ansicht des AUSTROMED-Präsidenten in Österreich unter vielen traditionellen Werten und Einstellungen: „Digitalisierung schafft auch Transparenz und davor haben viele immer noch große Angst.“

Nachhaltigkeit als Hoffnungsgebiet

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Neben der immer rascher voranschreitenden Digitalisierung spielen im Bereich der Medizinprodukte, wie im Gesundheitswesen allgemein, Aspekte der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes eine zunehmende Rolle. Dies wird in der Branche mittelfristig auch Auswirkungen auf das Thema Innovation bzw. innovative Produkte und Prozesse haben. Nachhaltigkeitsaspekte im Bereich der Medizinprodukte betreffen dabei unter anderem die Instandhaltung und Wartung von Medizinprodukten über eine möglichst lange Lebensdauer, die Wiederverwendbarkeit und Recyclingfähigkeit, den Materialaufwand und den Energieverbrauch, die Vermeidung von Gefahrenstoffen oder umweltschädlichen Materialien sowie die Arten und die Menge von Abfällen. „Neben den Erwartungen von Anwendern und Patienten gibt es auch umfassende gesetzliche Vorgaben für die Branche. Beispiele dafür sind der in Umsetzung befindliche EU-Kommissionsentwurf zu Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette oder Reportingstandards wie die Richtlinien der Global Reporting Initiative oder die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen.“ Neben der Patientensicherheit nimmt die Nachhaltigkeit in der Medizinprodukte-Branche einen großen Stellenwert ein und soll nach Ansicht Gschlössls auch ausgebaut werden: „Wenn wir uns in Europa mit einem Alleinstellungsmerkmal gegen asiatische Billigprodukte durchsetzen wollen, dann schaffen wir das mit ökologisch hochwertigen und innovativen Produkten. Nachhaltigkeit und Innovation gehen Hand in Hand und sorgen für ein funktionierendes und zukunftsfähiges Geschäftsmodell in jedem Unternehmen.“

Regulierung prägt Alltag

Medizinprodukte-Unternehmen bewegen sich in einer stark regulierten Branche mit anspruchsvollen Marktzugangsregeln. Sie müssen im Zuge von Marktzugangsverfahren strenge und komplexe Vorgaben der europäischen sowie der nationalen Rechtssetzung umsetzen. „Verschärfte rechtliche Vorgaben bedeuten im Zusammenhang mit Innovation, dass die Dynamik von Innovationszyklen von der ersten Idee bis zum zugelassenen Medizinprodukt ausgebremst wird. Hat man dann endlich ein Produkt so weit, dass es zum Patienten kommen könnte, so steht man vor der Hürde des intransparenten und kaum innovationsfördernden Erstattungssystems“, beschreibt Gschlössl die Rahmenbedingungen. Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen sowie ein erhöhter Preisdruck durch Einkaufsgenossenschaften halten das Marktumfeld angespannt.

Vor diesem Hintergrundbild zeigt die aktuelle AUSTROMED-Studie aber dennoch eine Reihe von spannenden Potenzialen auf, die den Betrieben noch offenstehen:

  • die Förder- und Unterstützungslandschaft proaktiv zu nutzen,
  • strategische Netzwerke in die Förder- und Unterstützungslandschaft hinein auf- und auszubauen,
  • an der Dynamik der Digitalisierung dranzubleiben,
  • Potenziale bei Prozessinnovationen von Kunden zu realisieren,
  • Innovationsmarketing zu betreiben und Bewusstsein zu schaffen.
Umgekehrt fordert die Branche aber, auch vonseiten der Politik aktiv zu werden: „Wir benötigen ein klares, über Parteigrenzen hinausgehendes und langfristiges Bekenntnis zu einem qualitativen Gesundheitssystem und starken Wirtschaftsstandort sowie zu einem innovativen und wettbewerbsfähigen Europa. „Es benötigt den Willen und Mut zur Weiterentwicklung des Gesundheitssystems und Effizienzsteigerungen in der Umsetzung. Ansonsten besteht die ernstzunehmende Gefahr, dass Europa gegenüber anderen Wirtschaftsräumen zunehmend an innovativem Boden verliert sowie Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand einbüßt“, warnt Gschlössl.